Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Lost in Cannes

Für die junge deutsche Regisseurin Isabell Šuba erfüllte sich im Jahr 2012 ein Traum, von dem man wohl vermuten muss, dass ihn fast jeder Filmstudent weltweit träumt: Ihr Kurzfilm Chica XX Mujer wurde in jenem Jahr als Teilnehmer des Filmfestivals von Cannes in die Kurzfilmreihe „Next Generation“ eingeladen. Klar, dass es sich die Regisseurin nicht nehmen ließ, bei der Premiere des Films selbst an der Croisette anwesend zu sein. Neben Visitenkarten hatte sie aber noch etwas Anderes im Gepäck: Den festen Willen, ihre Erfahrungen auf dem Markt der Eitelkeiten zu einem Spielfilm zu verarbeiten. Gedreht in lediglich fünf Tagen vor Ort, zum größten Teil ohne Drehgenehmigung und finanziert durch ein Minimalbudget, das mittels Crowdfunding zustande kam, balanciert Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste irgendwo auf dem schmalen Grat zwischen satirischem Spielfilm, Dokumentation und Mockumentary und lässt erahnen, welches Potenzial in Filmen steckt, die sich trauen, neue Formen des Erzählens auszuprobieren.
Wobei die sowieso schon recht komplizierte filmische Versuchsanordnung durch einige Tricks und Kniffe noch ein wenig wendungsreicher gemacht wurde, als dies eh schon der Fall war: Sich selbst lässt Isabell Šuba während der Tage an der Côte d’Azur von der Schauspielerin Anne Haug vertreten, während sie sich selbst als Filmstudentin akkreditierte, den Produzenten David Wendlandt hingegen gibt Matthias Weidenhöfer, im wahren Leben der echte Produzent der jungen Filmemacherin. Und der hat wahrlich einen harten Job auf der Leinwand zu vollbringen, denn noch sexistischer, verplanter und zugleich selbstbesoffener als er zu sein dürfte selbst herausragenden Vertretern der an Profilneurotikern nicht gerade armen Produzentenzunft schwerfallen – zumindest falls man der Illusion erlegen ist, die nachkommende Generation könnte vielleicht ein klein wenig weiter sein als die berüchtigten Machos alten Schlages.

Der Ärger beginnt bereits am Flughafen, weil die Regisseurin und ihr Produzent sich offensichtlich falsch über den Termin der Ankunft verständigt haben. Jedenfalls trifft die Filmemacherin im gemeinsam für teuer Geld gemieteten Apartment nicht nur Matthias an, sondern eine weitere Frau und deren Freund, die der sparsame Produzent kurzerhand mit einquartierte. Doch damit nicht genug: Weil der zwar smarte, aber auch ziemlich faule Kerl seinen Job nicht richtig macht, versemmelt er es, sich um Einladungen für wichtige Empfänge zu kümmern, rechtzeitig zu Pitching-Terminen und Gesprächen zu erscheinen – und vom neuen Projekt, das er und die Regisseurin in Cannes an den Mann/die Frau bzw. den Sender bringen wollen, hat dieser Kerl nicht einmal das Treatment gelesen. So liegen die Nerven bald blank und im Regen des Festivals 2012 drohen auch die Träume von einer großen Karriere und einer beruflichen Partnerschaft baden zu gehen. Denn auch die Filmemacherin trägt ihren Teil dazu bei, dass hier bald schon die Fetzen fliegen – und das gerne auch mal während eines wichtigen Interviews oder mitten im Gespräch mit möglichen Finanziers.

Auch wenn die Kritik an der von alten weißen Männern dominierten globalen Filmbranche bisweilen im zugegebenermaßen recht amüsanten Krieg der Geschlechter zwischen der Regisseurin und ihrem Produzenten ins Hintertreffen zu geraten droht: Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste ist ein gelungenes filmisches Experiment, dem es immer wieder gelingt, den Finger auf die offene Wunde des Geschäfts mit den bewegten Bildern zu legen. Schön ist der Film vor allem dann, wenn sich Spielhandlung und die Beobachtungen aus Cannes überlagern, wenn man plötzlich bekannte Gesichter entdeckt, wenn die beiden Protagonisten vergeblich auf Einlass bei der Party von German Films warten, wenn die Kamera im Selfie-Style die Filmemacherin und ihren Produzenten im Saal des Palais de Festival einfängt, wo gerade Leos Carrax‘ Holy Motors seine Premiere feiert und sich der Regisseur nach der Premiere erstmal gegen alle Regeln im Auditorium eine Kippe in den Mund steckt. Dann bekommt man eine Ahnung vom Glanz und Glamour, aber auch vom Elend, der Verzweiflung, dem Zurschaustellen der eigenen Haut auf diesem komplett durchgeknallten Marktplatz der Ware Film und des Handelsgutes Mensch.

Es bleibt zu hoffen, dass dieser Weckruf nicht ungehört verhallt, sondern aufgegriffen wird und zu Diskussionen (und vor allem Veränderungen) anregt. Diese sind nämlich nicht nur im Bezug auf die Rolle von Frauen im deutschen und internationalen Filmgeschäft dringend nötig. Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste, der in diesem Jahr das Festival Achtung Berlin eröffnen wird, gewann in Saarbrücken beim Max-Ophüls-Preis jedenfalls schon mal den neu geschaffenen Preis für den gesellschaftlich relevanten Film und den Preis der Jugendjury. Und man bekommt dank der unbekümmerten Art ein Gefühl dafür, dass da noch einiges drin sein könnte für die junge Filmemacherin, die ja gerade erst am Anfang ihrer Karriere steht – vielleicht führt ja der Weg mal wieder nach Cannes in einen Wettbewerb. Dann hoffentlich mit besserem Wetter und günstigeren Rahmenbedingungen…

Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste

Für die junge deutsche Regisseurin Isabell Šuba erfüllte sich im Jahr 2012 ein Traum, von dem man wohl vermuten muss, dass ihn fast jeder Filmstudent weltweit träumt: Ihr Kurzfilm „Chica XX Mujer“ wurde in jenem Jahr als Teilnehmer des Filmfestivals von Cannes in die Kurzfilmreihe „Next Generation“ eingeladen. Klar, dass es sich die Regisseurin nicht nehmen ließ, bei der Premiere des Films selbst an der Croisette anwesend zu sein.
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