Macondo

Eine Filmkritik von Festivalkritik Berlinale 2014 von Joachim Kurz

Jacks Seelenverwandter

Es gibt sie immer wieder bei Festivals, diese Überschneidungen und Querverbindungen zwischen Filmen, die Beziehungen, in die sie miteinander treten, die unfreiwilligen Kommentare, die sie gegenseitig liefern. Im Falle von Macondo ist die Verwandtschaft zu Edward Bergers Jack unübersehbar. Hier wie dort geht es um einen Jungen (beide trennen vielleicht zwei Jahre), der sich in einer prekären Situation wiederfindet, die ihm eine viel zu große Last aufbürdet.
Im Falle des österreichischen Wettbewerbsbeitrages von Sudabeh Mortezai geht es im Ramasan (Ramasan Minikailov), einen elfjährigen Jungen, der aus Tschetschenien stammt und der gemeinsam mit seiner Mutter Rosa (Rosa Minkailova) und seinen beiden Schwestern auf die Entscheidung über den Asylantrag wartet. Das Warten und die Entscheidungsfindung wird dadurch verschärft, dass Ramasans Vater im Tschetschenien-Krieg gefallen ist — als „Held“, wie sein Sohn einmal stolz zu Protokoll gibt -, doch da die nötigen Papiere nicht vorhanden sind, die den Tod offiziell bestätigen, fehlt ein wichtiges Puzzleteil, um den Antrag abschließen zu können. Nun ist also der Junge gefordert, gemäß der Tradition die Rolle des Familienvorstandes zu übernehmen. So passt er auf die kleinen Schwestern auf, tröstet die depressive Mutter, fungiert als schlitzohriger Übersetzer und muss sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass sein Vater vielleicht doch nicht so ein guter Mann war, wie er bislang glaubte. Die Begegnung mit einem anderen Mann aus Tschetschenien, der in der gleichen Unterkunft lebt wie er, bringt ihm zwar so etwas wie eine Ersatzvaterfigur, doch zugleich erfährt Ramasan auch Dinge über seinen Vater, die er lieber nicht gewusst hätte. Der Junge reagiert auf seine Weise auf die Erkenntnisse, die einen Schritt ins Erwachsenenleben markieren.

Sudabeh Mortezais Film besticht durch eine fast schon dokumentarische Genauigkeit in der Beobachtung. Ähnlich wie bei Jack bewegt sich die mobile Kamera überwiegend auf Augenhöhe mit ihrem kleinen Protagonisten, folgt ihm auf seinen Gängen durch das Gelände der Asylbewerberunterkunft, schaut ihm buchstäblich über die Schultern, wie er seinen Weg erst finden muss in einer Situation, die bedrückend und belastend ist. Bisweilen übertreibt der Film es ein wenig mit der Beobachtung und erlaubt sich dadurch einige Längen. Dennoch gehört Macondo zu den eher gelungenen Filmen des diesjährigen Wettbewerbs. Ob es allerdings für einen Preis reichen wird, ist ungewiss. Mir persönlich hat Jack mit seinen größeren dramaturgischen Zuspitzungen besser gefallen.

(Festivalkritik Berlinale 2014 von Joachim Kurz)

Macondo

Es gibt sie immer wieder bei Festivals, diese Überschneidungen und Querverbindungen zwischen Filmen, die Beziehungen, in die sie miteinander treten, die unfreiwilligen Kommentare, die sie gegenseitig liefern. Im Falle von „Macondo“ ist die Verwandtschaft zu Edward Bergers „Jack“ unübersehbar. Hier wie dort geht es um einen Jungen (beide trennen vielleicht zwei Jahre), der sich in einer prekären Situation wiederfindet, die ihm eine viel zu große Last aufbürdet.
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