Lachsfischen im Jemen (2011)

Eine Filmkritik von Florian Koch

Fische versenken

Gegen den Strom schwimmen ist das Leitmotiv von Lachsfischen im Jemen. Mit diesem Bild assoziiert man jedoch nicht gerade das künstlerische Schaffen von Lasse Hallström, dem Regisseur der Bestsellerverfilmung mit dem merkwürdigen Titel. Der Schwede ist bekannt für seine gefühligen, warmherzigen Dramen, in denen es heftig menschelt, und wenig angeeckt wird. Je nach Vorlage gelingen ihm dabei charmante Außenseiterporträts (Gilbert Grape, Gottes Werk und Teufels Beitrag) oder er landet knietief im Kitsch (Das Leuchten der Stille). Warum Lachsfischen im Jemen in die erste Kategorie fällt, liegt vor allem am glücklichen Händchen bei der Besetzung und dem scharfsinnig-pointierten Drehbuch des Oscarpreisträgers Simon Beaufoy (Ganz oder gar nicht, Slumdog Millionär).

Die Figur des britischen Fischerei-Experten Dr. Alfred Jones ist ein gefundenes Fressen für Ewan McGregor, da er hier genüsslich in die Steife-Briten-Klischeekiste greifen kann, und dabei ein ganz besonders verklemmtes, vertrocknetes und vergnügliches Exemplar zu Tage befördert. Dieser penible Wissenschaftler hat den Charme einer Kühlbox, und leidet an der klassischen Bürokrankheit „9 to 5“. Seine Ehe entspricht in etwa dem Gesundheitszustand eines Fischs, der längst oben schwimmt. Was dieser Mann nun braucht, ist eine neue Aufgabe, die ihn aus der Alltagsstarre reißt. Und die bekommt er schneller, als ihm lieb ist. Denn ein milliardenschwerer jemenitischer Scheich (Amr Waked) — wie Jones ein passionierter Lachsfischer — möchte den „Sport“ in seinem von Terroranschlägen gezeichneten Heimatland etablieren. Und Jones scheint der einzige Fachmann zu sein, der dieses Wahnsinnsprojekt durchführen könnte. Nichtsdestotrotz stellt sich der Skeptiker quer, bis sich sogar die britische Regierung einschaltet: Patricia Maxwell (Kristin Scott-Thomas), die neurotische Pressesprecherin des Premierministers, wittert in der Geschichte einen PR-Coup, um die schlechte britische Außendarstellung in der arabischen Welt mit einem Schlag zu verbessern. Gesagt, getan, der Druck von oben und der bestechende Charme des Scheichs und seiner aparten Beraterin Harriet (Emily Blunt) bewegen Dr. Jones am Ende doch dazu, das Wagnis auf sich zu nehmen.

Wer bei dieser Konstellation eine vorhersehbare Liebesgeschichte nach dem „Was sich liebt, das neckt sich“-Prinzip erwartet, sieht sich getäuscht. Trotz der von Anfang an bestechenden Chemie des vorsichtigen Kopfmenschen Dr. Jones alias Ewan McGregor und der impulsiven Gegenfigur Harriet alias Emily Blunt, gibt es auf dem Weg zu einer Romanze noch einige Wackersteine aus dem Weg zu räumen.

Parallel erzählt Hallström einfühlsam und glaubwürdig, wie die Gefühlswelt zweier liebenswürdiger Personen so stark von einem anderen, abwesenden Partner beeinflusst wird, dass an eine gemeinsame Zukunft erst einmal nicht zu denken ist: Jones glaubt immer noch, dass seine Frau ihn vielleicht doch dem lukrativen Job in einer anderen Stadt vorziehen könnte, während Harriet um ihre neue Liebe, einem in Afghanistan stationierten britischen Soldaten, bangt. Es spricht für die Qualität von Lachsfischen im Jemen, und der Romanvorlage von Paul Torday, dass dieser persönliche Hintergrund nie oberflächlich behandelt wird, oder im Laufe der Handlung plötzlich keine Rolle mehr spielen könnte. Und Hallström schwimmt dann tatsächlich auch gegen den Strom gängiger Beziehungskomödien, indem er den Tonfall mitten im Film radikal verändert. Wird Lachsfischen im Jemen zu Beginn noch von klassischen, aber dennoch erfrischend-frechen Screwball-Komödien-Dialoggefechten dominiert, ziehen mit dem Einbezug der politischen Problematik dunkle dramatische Wolken auf. Nicht nur das Leben des Scheichs steht plötzlich auf dem Spiel, auch Harriets große Liebe scheint in Afghanistan das Opfer eines Anschlags zu sein. Während nur spärlich die Informationen durchsickern, und Jones seine mitfühlende Seite entdeckt, steht auch das Lachsfischen-Projekt immer mehr auf der Kippe.

Für den Humor ist in dieser erstaunlich düsteren zweiten Filmhälfte ausschließlich Kristin Scott-Thomas verantwortlich. Sie spielt das hyperaktive PR-Biest mit solch ernsthafter Hingabe, dass es eine Freude ist. Besonders ihre bizarren Chats mit dem naiven Premierminister sprühen vor Witz. Jedoch muss sich Hallström den Vorwurf gefallen lassen, dass er die heftigen und sehr konkreten politischen Seitenhiebe der Vorlage im Film ins Allgemeingültige verwässert, und den klugen, mutigen Scheich zu einem Kalendersprüche abfeuernden Gutmenschen degradiert. Auch tut er sich keinen Gefallen, dass er viele für sich sprechende Szenen mit einem klebrig-manipulativen Score von Dario Marinelli (Abbitte) unterlegt. Dennoch weiß die aufs Wesentliche konzentrierte, unaufdringliche Inszenierung von Hallström im Großen und Ganzen zu gefallen, da der Routinier den spielfreudigen Darstellern den Vortritt lässt, und sich ganz auf das geistreiche Drehbuch verlässt.

Lachsfischen im Jemen ist endlich mal wieder eine spritzige Beziehungskomödie, die nicht nach dem Baukastenprinzip funktioniert, seine Figuren ernst nimmt, und auch noch mit einem ungewöhnlichen Thema aufwartet. Nur der überzogen dramatische Schluss, der versucht, innerhalb von wenigen Minuten alle komplexen Probleme zu lösen, trübt ein wenig das positive Gesamtbild dieses charmant-unterhaltenden Films.
 

Lachsfischen im Jemen (2011)

Gegen den Strom schwimmen ist das Leitmotiv von „Lachsfischen im Jemen“. Mit diesem Bild assoziiert man jedoch nicht gerade das künstlerische Schaffen von Lasse Hallström, dem Regisseur der Bestsellerverfilmung mit dem merkwürdigen Titel. Der Schwede ist bekannt für seine gefühligen, warmherzigen Dramen, in denen es heftig menschelt, und wenig angeeckt wird.

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Meinungen

Margot Stommel · 26.08.2012

Bis auf wenige amüsante Dialoge fand ich den Film langweilig und kindisch. Die Auftritte des jemenitischen Scheiches in seinem Reichtum und seiner aufgesetzten Weisheit waren einfach nur lächerlich. Dass ein englischer Soldat an Kriegshandlungen in Afghanistan teilnehmen muss und vermisst wird, ist eine Episode des Films - Kriegsängste der zurück gebliebenen Freundin werden eben nur als Episode gezeigt, wie auch andere Episoden: traurig, traurig, aber so ist es halt! Und dann das Frauenbild: Der älteren (vielleicht 40jährigen) Ehefrau wird ihr Karriereverhalten vorgeworfen. Sie wird lächerlich gemacht. Dass die jüngere (vielleicht 30jährige) Freundin ebenso Karriere anstrebt, wird als reizend betrachtet. Die schauspielerische Leistung der Hauptdarsteller fand ich sehr gut, die Kostüme allerdings zu gestelzt. Bei einer langen Reise in den Jemen sahen die Protagonisten aus wie aus dem Modekatalog eines traveller-shops. Die jemenitische Bevölkerung dagegen wurde zu einer Kulisse wie aus dem Reisekatalog hingestellt. Obwohl wahrscheinlich anders intendiert, war für mich die Aussage: "Wir Engländer (Europäer) sind doch wirklich cool - die Jemeniten müssen sich aber noch gewaltig anstrengen, wenn sie mehr erreichen wollen. Toll, dass es solche wundervollen reiche und weise und charismatische und junge Scheichs dort gibt." Insgesamt hat der Film auch zu viele unausgegorene Handlungsstränge.

Fan · 07.06.2012

Schöner Film, macht Spaß und ein wenig nachdenklich.

kinogänger · 29.05.2012

Der Film ist für mich weder eine Komödie noch ein Drama. Man ist geneigt ihn Märchen zu nennen, obwohl ihm das nicht ganz gerecht wird, da es zuviel Realitätsferne attestieren würde. Es ist eher ein Werk wie ein Lied. Ich musste dabei an John Lennon denken mit "Imagine". Auch empfand ich während des Sehens eine Spannung, weil er so gar nicht in ein übliches Filmklischee gepasst hat. Die Beziehungsgeschichte empfand ich eher nebensächlich, weil von Anfang an gar nicht klar war, wer sich zu bekommen hatte und man daraus dann den Sinn des Filmes ableitet.