König von Deutschland (2013)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Durchschnitt mit Dittsche

Thomas Müller ist der durchschnittliche Deutsche. Wenn er ein Tier sein könnte, würde er den Adler wählen; und zwar, weil er als Mensch das genaue Gegenteil ist. Schnitzel mit Kartoffelsalat und Autowäsche sind seine Freuden. In ihm kulminieren die Mehrheitsmeinungen der Deutschen, das macht ihn so interessant als Testperson — ohne dass er das wüsste. Er ist so was wie das personifizierte Hassloch, wo die Konsumforscher die typische deutsche Mittelmaß-Gemeinde für Produktentwicklung und -absatz aufgebaut haben; und lebt in einer Art Truman-Show.

Wäre natürlich Anlass für einen super Film. Zumal Olli Dittrich die Hauptrolle spielt, Dittrich, der so perfekt in andere Rollen schlüpfen kann, vom Kneipen-Dittsche bis jüngst zum dauerlächelnden Frühstücksfernsehen-Dampfplauderer. Mit schütterem Haar, Schmerbauch und steifbeinigem Gang figuriert er den deutschen Spießermann, und im Ansatz gelingt diese Karikatur sehr gut. Leider aber fehlt etwas, was Dittrich braucht: Die Freiheit der improvisatorischen Story- und Gagentwicklung (die ja nicht unbedingt stante pede live stattfinden muss, sondern sich brainstormmäßig auch im Vorfeld, in der Vorbereitung ausbezahlt macht). Hier aber ist er eine Figur im Debütfilm von David Dietl, der vieles richtig macht, aber von vielem nicht genug. Gags verbleiben allzu oft im einfachen Modus, Müllers Autokennzeichen lautet NO-RM 0815; hochfliegende Albernheit, die ans Absurde grenzt, findet sich nicht. Ebensowenig die scharfe, durchdachte Satire, vielmehr steckt derKönig von Deutschlandein paar Claims ab, ohne sie auszubeuten.

Eher flau verläuft Müllers Erkenntnisprozess; sein Ausbruch aus dem System der Totalüberwachung, das über ihn gestülpt wurde, verläuft auch einigermaßen konfliktfrei, weil seltsamerweise die Überwacher trotz ständigem Videomonitoring erst recht spät davon erfahren. Während Müllers Kontaktperson, die ihn betreut und ausbeutet, mit durchdringendem Blick, freundlicher Attitüde und im Inneren schwelendem Machthunger recht intensiv gezeichnet ist, besetzt sein halbwüchsiger Sohn lediglich den Typus „rebellischer Teenager“: Der blickt voll durch in seinem verschwörungstheoretischen, spießerfeindlichen Denken und singt erhellende Popsongs: „Dieses Land hat einen Totalschaden!“. Sein außerehelicher love interest, die Schublade des Gutmenschen mit dem Traum von der Entwicklungshilfe in der Mongolei und der Freizeitgestaltung Fallschirmspringen, was der durchschnittlich Unkonventionelle eben so macht. Die Ehefrau schließlich wird gar von Veronika Ferres gespielt, dem kleinsten gemeinsamen Nenner in TV und Film (wenn’s nicht in die Abgründe einer Neubauer gehen soll…).

Spannungsmomente werden angetippt, aber nie vollends ausgebaut; klarsichtige gesellschaftliche Analyse wird in ein paar wohlfeilen Konsumterror-Sperenzchen abgehandelt; politische Botschaft erschöpft sich im populistischen Wendehals von der SÖLK-Partei, sozial-ökologisch-liberal-konservativ. Warum nun zum Beispiel kein anderer Beratungsdienstleiter Jagd auf Herrn Müller macht, oder wieso nicht der zweitdurchschnittlichste Deutsche als Ersatz bereitsteht und sich alles auf Müller konzentrieren muss — das sind Fragen, die in diesem Durchschnittsfilm über den Durchschnittsdeutschen mit seinen Durchschnittsbildern in einer Durchschnittsdramaturgie nicht gestellt werden sollten. Ein heißer Kandidat für den noch zu stiftenden Preis namens „Der Goldene Solala“!

Der aber immerhin mit einem lustigen Disclaimer im Abspann aufwartet: „Die an der Talsperre gezeigten Szenen wurden digital am Computer erstellt. Es gab zu keiner Zeit eine Beeinträchtigung beziehungsweise einen Kontakt zum Wasserreservoir der Talsperre.“ Womit jeder durchschnittliche ökologische oder hygienische Bedenkenträger vollends aufatmen wird.
 

König von Deutschland (2013)

Thomas Müller ist der durchschnittliche Deutsche. Wenn er ein Tier sein könnte, würde er den Adler wählen; und zwar, weil er als Mensch das genaue Gegenteil ist. Schnitzel mit Kartoffelsalat und Autowäsche sind seine Freuden. In ihm kulminieren die Mehrheitsmeinungen der Deutschen, das macht ihn so interessant als Testperson — ohne dass er das wüsste.

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