Kebab Connection

Eine Filmkritik von Holger Lodahl

Kung-Fu mit alles

Ibrahim alias Ibo (Dennis Moschitto) ist der King des Hamburger Schanzenviertels und der erste Regisseur, der einen deutschen Kung-Fu-Film dreht – denkt er zumindest. Und tatsächlich ist sein erster selbst gedrehter Werbespot für die Dönerbude seines Onkels Ahmed der absolut fette Kung-Fu-Hammer, der den Umsatz der Bude im Nu nach oben schießen lässt. Klar, dass da ein Anruf aus Hollywood nur noch eine Frage der Zeit ist. Dumm nur, dass seine deutsche Freundin Titzi (Nora Tschirner), ihres Zeichens angehende Schauspielerin, von ihm schwanger ist und der türkische Jung-Macho überhaupt keine Böcke darauf hat, den Kinderwagen zu schieben. Kurzerhand setzt Titzi Ibo daraufhin vor die Tür und erklärt ihm, dass er erst noch beweisen muss, dass er wirklich ein guter Vater ist. Also besucht Ibo fortan alleine Schwangerschaftskurse und übt naserümpfend und mit verdächtigen Flecken auf dem T-Shirt (iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiih!) das Wickeln von Babys. Doch der Weg zurück zum Herzen seiner Liebsten ist steinig.

Als die Schwangerschaft sich auch noch in Ibos Familie herumspricht, hängt dort ebenfalls im Nu der Haussegen schief, denn der Taxi fahrende Vater würde niemals eine Deutsche als Mutter seiner Enkelkinder gutheißen, so sehr er Titzi auch mag. Also fliegt Ibo auch hier hochkant hinaus und hängt zukünftig eben mit seinen Kumpels ab. Trotzig macht er sich daran, wenigstens seine Filmkarriere voranzutreiben und dreht für Ahmed einen zweiten coolen Spot, der aber ob des Liebeskummers zu depressiv gerät und den Umsatz der Bude wieder reichlich nach unten drückt. Und als Ibo dann noch den Lockungen des griechischen Kneipiers Kiranis und seiner verführerischen Tochter Stella erliegt, die sich die Dienste des Jungregisseurs sichern wollen, wird es höchste Zeit für Bruce Lee himself, ins Geschehen einzugreifen, um die Sache noch einmal gerade zu biegen.

Fatih Akin hat gut daran getan, die selbst geschriebene Story nicht auch noch unter eigener Regie zu verfilmen, sondern dies dem Jung-Regisseur Anno Saul zu überlassen. Denn obwohl die krude Mixtur aus Dönerbuden-Romantik mit viel scharfem Kung-Fu-Gedöns und der Sättigungsbeilage einer deutschen Beziehungskomödie bisweilen spaßig anzuschauen ist und dank Brachialwitz und der deutlichen Attitüde „Hey, wir sind jung und hip und nehmen uns nicht mal selber ernst, warum tut ihr es dann?“ so manchen Lacher ernten kann, ist das Ganze doch sehr überzogen und stößt nach einer Weile auf wie Döner mit doppelt Zwiebel und extra scharf. Da helfen selbst die zugegeben brillanten Kung-Fu-Szenen und die eingestreuten Zitate aus Filmklassikern wie Panzerkreuzer Potemkin und diversen Tarantino-Filmen nicht viel weiter. Und ständig muss der Zuschauer befürchten, dass gleich Ober-Proll Tom Gerhardt oder die beiden Schwachmaten Erkan und Stefan ihre Grinsgesichter in die Kamera halten würden. Das passiert zwar Gott sei Dank nicht, würde aber niemanden verwundern, denn irgendwie mutet Kebab Connection doch sehr wie ein Pro7-TV-Movie mit eingebauter Ablach-Garantie für die Zielgruppe 14 – 19 Jahre an. Den Kampf der Kulturen hab ich mir auf jeden Fall anders vorgestellt. Darauf einen Raki!
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Nicht immer herrscht in der kino-zeit-Redaktion Einigkeit in der Beurteilung der Filme, und das ist auch gut so. Filmkritik ist IMMER subjektiv, auch wenn sie sich bisweilen anders geriert. Deshalb veröffentlichen wir hier nun zu Kebab Connection eine Kritik unseres Mitarbeiters Holger Lodahl, der dem Film von Anno Saul mehr abgewinnen konnte. Am besten, ihr macht euch selbst ein Bild davon, ob euch der Film nun gefällt oder nicht:

Culture Clash-Komödien sind in, jedoch kamen diese Filme bisher meist aus dem Ausland: My big fat greek Wedding hat mit seinem weltweiten Erfolg gezeigt, dass Themen über die zweite oder dritte Generation von Einwanderern ein großes Potential besitzen. Die Eltern dieser Generationen halten an ihren ureigensten Kulturen fest, weil sie daran denken, irgendwann mal wieder in ihre Heimat zurück zu kehren. Die Kinder werden dies mit Sicherheit nicht tun, da sie kaum mehr Bezug zu den Wurzeln ihrer Eltern haben. Statt dessen lebt in ihnen ein gewisses Gefühl der Heimatlosigkeit, aus dem heraus sie eine ganz neue Kultur entwickeln. Auch in Deutschland wurde die Problematik im Film aufgegriffen, jedoch nahezu ausnahmslos in schweren Dramen wie 40 m² Deutschland, Hark Bohms Yasemin und zuletzt mit Gegen die Wand. In den letzten Jahren wurde Culture Clash zum Kult, der durch Kaya Yanas TV-Sendung Was guckst Du? sogar von Deutschen aufgenommen und zelebriert wird. Mit Kebab Connection findet der Zusammenprall der Kulturen in Deutschland nun auch den Weg auf die Leinwand:

Ibo, ein junger Türke in Hamburg der zweiten Generation, ist ein kreativer, motivierter junger Mann, der durchstarten möchte und voller Film-Ideen ist. Aus Liebe zu Bruce Lee möchte er den ersten deutschen Kung-Fu-Film machen und denkt an nichts anderes. Als Förderer stellt sich sein Onkel Ahmet dar, für den er einen Kino-Werbespot dreht, um die lahme Kebab-Bude wieder mit Kunden zu füllen. Zuerst ist der Onkel erschüttert und beschimpft das Werk als Falschdarstellung der Türken, von denen nun jeder denken müsse, Türken seien messerschwingende Gewalttäter. Aber das Kino-Publikum liebt den Spot, und fortan ist der Laden von Ahmet wieder voller Kebab essenden Kunden.

Viel Zeit zur Freude über diesen Erfolg bleibt Ibo nicht. Was hat ihm sein Vater Mehmet schon als Kind eingeredet? „Du darfst mit einer deutschen Frau ausgehen. Du darfst mit einer deutschen Frau einschlafen. Du darfst mit einer deutschen Frau aufwachen. Aber du darfst eine deutsche Frau nie schwängern!“ Und nun ist es doch passiert: Titzi, Ibos „ungläubige“ Freundin, ist schwanger – gerade zu einem Zeitpunkt, als sie sich auf die Prüfung für die Schauspielschule vorbereitet. Keiner der beiden Familien kann das recht sein. Während Ibo der elterlichen Wohnung verwiesen wird, fragt Titzis Mutter resigniert: „Hast du schon einmal einen Türken gesehen, der einen Kinderwagen schiebt?“

Dies bringt Titzi auf eine Idee: Sie lässt Ibo das Kinderwagenschieben üben, was nur im Chaos enden kann. Titzi setzt ihn frustriert vor die Tür. Ibo will trotz seiner wachsenden Konfusion seine Geliebte zurückgewinnen. Er versucht es mit Windelnwechseln an einem Leih-Baby und besucht einen Kurs für Schwangere – doch auch der Einblick in das Gefühlsleben von Presswehengeplagte bringt nicht den gewünschten Erfolg – Titz bleibt abweisend.

Das Pech bleibt Ibo treu: Sein Drehbuch „Die Todesfaust des gelben Rächers“ wird vom ignoranten Produzenten müde lächelnd abgelehnt. Onkel Ahmet lässt seine Neffen einen weiteren Spot drehen, doch verarbeitet Ibo in dem Film nicht nur seinen Wunsch nach Kung-Fu-Kämpfen, sondern auch seinen Liebeskummer, der den Zuschauern den Appetit auf Kebab verdirbt. Der „King of Kebab“ ist wieder wie leergefegt, und darüber hinaus wird Onkel Ahmet nun auch noch von Schutzgeldeintreibern erpresst.

In seiner Verzweiflung über Titzis Abweisung, Onkels Ärger und Vaters Beschimpfungen gibt sich Ibo der Versuchung hin, sich vom griechischen Konkurrenten des „King of Kebab“ unter Beschlag nehmen zu lassen. Im Ouzo-Delirium stürzt Ibo übel ab – und verscherzt es sich entgültig mit seiner Familie und (noch-) Ex-Freundin. Um sich seinen Lieben wieder zu nähern, kann Ibo natürlich nur einer helfen – Bruce Lee, der ihm im Traum erscheint und ihm auf die Sprünge hilft!

Kebab Connection ist ein Film, dem man die Liebe zum Kino anmerkt. Viele Szenen sprühen vor Ideen-Reichtum und Filmzitaten – etwa wenn in den Kampfszenen an Matrix im Allgemeinen und den Bruce-Lee-Filmen im Besonderen erinnert wird, oder sich endlich auch einmal ein deutscher Film daran wagt, einer der berühmtesten Szenen der Filmgeschichte, nämlich die Treppen-Szene von Panzerkreuzer Potemkin, zu zitieren. Das wird die Filmfans freuen, und das macht einen großen Teil des Unterhaltungswertes des Filmes aus. Gut geklaut ist besser als schlecht selbst gemacht – oder hochachtungsvoll zitiert, darüber kann man streiten. Auf jeden Fall gelingt es dem Produktionsteam, eine ganz besondere Stimmung zu erzeugen, in der schon mal Phantasie und Wirklichkeit verschwimmen und die Kreativität und Konfusion der Hauptfigur Ibo nachvollziehbar bleiben.

Aber nicht nur daher zieht Kebab Connection seinen Reiz. Das „Gagpolishing“, für das Jan Berger verantwortlich war, wird das Kinopublikum sicher amüsieren. Viele Handlungen werden mit Musik und Geräuschen aufpoliert und lassen die Szenen zuweilen sogar comic-haft erscheinen. Erzählungen und Rückblenden werden mit Splitscreen dargestellt, Bewegungen mit Tönen verstärkt. Auf diesen Ebenen ist der Film rasant, einfallsreich und witzig. Das Drehbuch ist sich aber nicht zu schade, tief in die Klamottenkiste zu greifen:

Ibo und sein Kumpel müssen Presswehen erleiden — dieser etwas abgenutzte Gag wird noch übertroffen mit dem Wechseln von Windeln und endet mit Kinderkacke auf dem Gesicht des werdenden Vaters. Ob derartige Fäkalwitze nun sein müssen, ist genauso zweifelhaft wie die Splatterszenen, die Ibo in seinen Werbefilmen verarbeitet. Ein abgeschlagener, sprechender Kopf wird sicher einige Zuschauer verwirren und darüber hinaus Probleme mit der Altersfreigabe verursachen.

Den Schauspielern schienen die Dreharbeiten allerdings großen Spaß gemacht zu haben. Diese gute Stimmung kommt sehr gut über die Leinwand, das Casting hat ganze Arbeit geleistet. Die Figuren werden von den Schauspielern gut, wenn auch bisweilen etwas übertrieben dargestellt, und selbst Randcharaktere bekommen in wenigen Bildern Konturen: Da ist die abgewrackte Punkerin, die dem verzweifelten Ibo trotz völliger geistiger Vernebelung einen klaren Tipp gibt, und natürlich Sibel Kekilli, die einen Kurzauftritt als schlagkräftige Italienerin hat, und von der man sich direkt mehr Präsenz wünscht. Einige gute und rührende Auftritte hat Güven Kirac als Ibos Vater Mehmet, der seine Rolle komplett in Deutsch spielt ohne die Sprache überhaupt zu beherrschen. Hier wurde dem Wunsch des Regisseurs nachgegeben, gänzlich ohne Untertitel auszukommen (im Gegensatz zu Gegen die Wand). Kirac als Mehmet lässt einen Blick auf den in Traditionen verhafteten Türken zu, der genau wie sein Sohn zwischen den Stühlen sitzt: Ein Kind, dass nicht Baba sondern Papi sagen wird, von einer Frau, die „für eine Deutsche ganz hübsch ist“ – das kann der vermeintliche Patriarch nicht zulassen, ohne mindestens einmal seinen Sohn aus dem Haus geschmissen und ihm mehrmals Nackenschläge verpasst zu haben. Und wenn er nach der Geburt zu Ibo sagt: „Du Sohn eines Esels hast Deinem Vater eine Enkelin geschenkt“, dann ist das eine der besten Szenen des Films.

Der Film sollte im Kino gut ankommen und auf eine erfrischende Weise einen Beitrag zur Verständigung der Nationen leisten. Nicht nur zwischen Deutschen und Türken, sondern auch zwischen Türken und Griechen, denn auch Onkel Ahmet und sein Konkurrent im griechischen Restaurant gegenüber schließen beim Austausch von gefüllten Weinblättern Freundschaft. Kebab Connection könnte ein hohes Maß an Zuschauern erreichen, da sich die Türken angesprochen fühlen genau wie die Deutschen – und hoffentlich auch alle anderen.
 

Kebab Connection

Ibrahim alias Ibo (Dennis Moschitto) ist der King des Hamburger Schanzenviertels und der erste Regisseur, der einen deutschen Kung-Fu-Film dreht – denkt er zumindest.

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Meinungen

mateusz · 29.09.2008

das gibt es nicht für, für 2 mil. und so ein sch... wie kann man mit so einem budget so ein schlechten film drehen? das einzig beste an diesem film ist Nora, wobei sie mittlerweile die telinahme breut...
ein echt schlechter film

inan · 05.05.2007

wer diesen film lobt, hat weder geschmack noch humor, noch jene kritische distanz, die es braucht um filme rezensieren und die rassistischen untertöne raushören zu können!

black_dude · 28.03.2007

Die Deutschen Intellektuellen - oder die, die sich dafür halten, werden es schwer mit diesem Film haben. Er ist so "platt", wie die Realität. "Fremdenfeindlichkeit" - das hat für den politisch korrekten Deutschen ein Problem der Deutschen zu sein. Daß es diese Feindlichkeit auch unter den "Ausländern" gibt - untereinander aber auch gegen Deutsche - das wird gerne geleugnet. Der Film redet aber offen darüber - was einige Deutsche sehr zu verwirren scheint.

Der Film ist für mich vor allem geeignet, das eigene Verhalten in Bezug auf das menschliche Miteinander in der Gesellschaft zu thematisieren. In den letzen Jahren ist das auf Politische Korrektheit reduziert worden - wenig erfolgreich, wenn man die Probleme unserer Gesellschaft betrachtet.

· 28.06.2005

Ein Film, der mir richtig Schmerzen verursacht hat. So was von dämlich!!

meno · 19.04.2005

Viel Spass gestern auf der Premiere in Hamburg gehabt.Viel gelacht und das Publikum hat es mit viel Applaus belohnt..Sehr gelungen gebe 4 Sterne

Gast · 15.04.2005

Für Erkan-und Stefan-Fans zu kompliziert und für den Rest zu platt.

serdar · 14.04.2005

der film wird bestimmt voll krass

Volker · 14.04.2005

Sicherlich ein Film, den ich mir freiwillig nicht angeschaut hätte. (Sneakpreview)
Da bin ich aber positiv überrascht gewesen. Unterhaltsam und irgendwie sympatisch, sehr zu empfehlen.

· 13.04.2005

gut für schlechte Laune

verena · 09.04.2005

Dass er mir doch sehr gefallen hat, ist mir vor allem dadurch bewußt geworden, dass ich diesen Film (unfreiwillig)gleich zweimal mit einem Abstand von zwei Tagen gesehen habe (2x Sneak Preview)und mich auch beim zweiten Mal nochmal köstlich amüsiert habe. Die Hauptdarsteller agieren alle sehr authentisch und Mochitto ist einfach scharf!

Paule_bt · 12.04.2005

Sehr lustiger Film mit der bezaubernden Nora Tschirner. Sehr gute Gags und ne gute besetzung

· 11.04.2005

Ich hab den Film in SB beim Ophülsfestival gesehen und denke, dass der keine Gnade in den kinos finden wird. Bemüht witzisch und krass, haha...

gingagolta · 07.04.2005

Sehr guter Film.
Nicht vom Titel abschrecken lassen - auf keinen Fall primitive Proll-Dialoge sondern Comedy vom Feinsten

sven · 03.04.2005

Endlich mal wieder eine tolle Komödie aus Deutschland!Hat das Zeug Kult zu werden...