Kartoffelsalat

Eine Filmkritik von Andreas Günther

Trash mit Ätsch-Effekt

Konservativer Trash – ist das möglich? Jawohl, Kartoffelsalat verdient dieses zweifelhafte Kompliment. Die Schulhorror-Genreparodie verleibt sich mithilfe von Youtube-Stars und Otto Waalkes die subversive Filmsprache des großen Anti-Meisters Christoph Schlingensief ein, landet in einer reaktionären Utopie und will auch noch ein Kassenschlager sein. Da möchte man zum Zombie werden!
Auf den ersten Blick ist der Film vielleicht nicht jedermanns Geschmack, aber in seiner radikalen Klamauk-Ästhetik doch sehr konsistent. Leo Weiß, gespielt von dem bekannten Youtube-Komiker Freshtorge, hat zu schlechte Noten für das Elitegymnasium, da muss er auf die weit weniger gut beleumundete Hebbelschule ausweichen. Auch dort sieht er sich sofort zum Außenseiter gestempelt, hängt mit dem Streber Torsten (Philipp Laude) und dem Allergiker Torben (Florian Appelius) ab, verzehrt sich nach der grellen Blondine Perle (Bianca Heinicke) und hätte so gern die Sympathien der Brillenschlange Katrin (Dagi Bee). Dann mutieren die Mitschüler zu Zombies – und Leo wächst in die Rolle des Retters hinein, während die Politik in Gestalt von Angela Merkel (Marianne Schätzle) die Katastrophe noch herunterzuspielen versucht.

In wessen Stilschule der Regisseur gegangen ist, ist unübersehbar. Vermüllte staatliche Institutionen und feiernde Polizistendumpfbacken, Kauderwelsch redende Sonderermittler und Zeichen, die immer zugleich Reales sind: „Das ist doch Käse‘!“, sagt Leos Mutter und legt eine Käsescheibe auf den Schreibtisch des Schuldirektors. Derart Klischees implodieren und Bezeichnendes und Bezeichnetes zusammenfallen zu lassen, war die große Kunst Christoph Schlingensiefs in seinen Kinofilmen. Unvergesslich ist aus Terror 2000 — Intensivstation Deutschland die Frau, die sich befriedigt, während ein Asylant zusammengeschlagen wird – noch nie wurde mit so primitiven Mitteln Geilheit auf Gewalt so schonungslos thematisiert. David Michael Pate imitiert Schlingensiefs Inszenierungsweise genau, wenngleich in der Ausgestaltung viel zurückhaltender – und mit verstörend anderem politischen Gehalt.

Wo Schlingensief in anarchischer Weise das kollektive Unbewusste unbearbeiteter Unmenschlichkeit in erbarmungslos verdichtenden Bildern ans Licht zerrt, gibt sich Autor und Regisseur Pates Inszenierung erst unterhaltsam-neutral und schlittert dann in die ideologische Zweideutigkeit ab. Durch eine sprachlos machende Enthüllung entpuppt sich die ganze Blödelei unterm Strich als Bloßstellung demokratischer Institutionen. Die Lösung von Zombie-Invasion und Bildungskatastrophe mündet in ein Mittelding aus Yuppie-Diktatur und Tabula-rasa-Monarchie mitten in der norddeutschen Tiefebene. Die verquaste, fast schon zynische Botschaft, die Leo am Schluss aus dem Off zum Besten gibt, passt dazu nur zu gut. Das ist Trash mit Ätsch-Effekt, der die befreiende Wirkung der Machart aufhebt. Der Film erreicht, was die Macher laut ihren Bekundungen doch gerade vermeiden wollen: Dass man ihn ernst nehmen muss.

Kartoffelsalat

Konservativer Trash – ist das möglich? Jawohl, „Kartoffelsalat“ verdient dieses zweifelhafte Kompliment. Die Schulhorror-Genreparodie verleibt sich mithilfe von Youtube-Stars und Otto Waalkes die subversive Filmsprache des großen Anti-Meisters Christoph Schlingensief ein, landet in einer reaktionären Utopie und will auch noch ein Kassenschlager sein. Da möchte man zum Zombie werden!
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