Joe Strummer – The Future is Unwritten

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein Rock \'n\' Roll-Leben

John Graham Mellor alias Joe Strummer ist bis zum heutigen Tage einer der größten Stars der britischen Popmusik. Der ehemalige Frontmann der Punk-Legende The Clash verstarb im Alter von nur 50 Jahren am 22. Dezember 2002 an den Folgen eines Herzinfarktes.
The Clash gehörten neben den Sex Pistols zu den bekanntesten Bands der Punk-Bewegung und und zählten nach dem schnellen Endes des Punk lange Zeit zu den wenigen ernst zu nehmenden Überlebenden; auch deswegen weil sie sich dank ihrer musikalischen Masterminds Mick Jones und Joe Strummer musikalisch weiterentwickelten und nicht in den simplen Strukturen des Punk stehen blieben. Es gehörte zu den Prinzipien der Band, nicht allein am sturen Drei-Akkord-Stil des Punk festzuhalten, ebenso wurden Funk, Reggae, Soul, Folk und Ska in die Songs eingebaut und ergaben einen Sound, der sich – auch aufgrund dezidiert politischer Texte – radikal von denen anderer Punk-Bands unterschied, die einfach nur gegen alles und jeden opponierten. Die steile Karriere von The Clash dauerte bis in die Mitte der achtziger Jahre hinein und umfasste Hits wie "London Calling", "Rock the Casbah" und "Should I stay or should I go".

Auch als die Band 1985 nach dem Weggang von Mick Jones vor sich hindümpelte und sich anschließend auflöste, war Strummers Karriere noch lange nicht vorbei. 1989 veröffentlichte Strummer sein erstes Soloalbum mit dem Titel "Earthquake Weather", er sang bei den Pogues als Ersatz für den abgestürzten Shane McGowan, spielte mit The Levellers, musizierte mit Johnny Cash und gründete eine Band namens The Mescaleros. Ein reiches, erfülltes und leider viel zu kurzes Leben.

Der Regisseur Julien Temple ist in der britischen Musikszene kein Unbekannter und war seit den Anfängen auch immer in besonderer Weise mit dem Punk verbunden. Sein Film Number One ist eines der ersten Filmdokumente der frühen Punk-Ära. Und mit The Great Rock’n’Roll Swindle (1979), seinem ersten Langfilm, setzte er der viel zu schnell verglühten Punk-Szene des Königreichs ein wildes und anarchisches Denkmal – zu diesem Zeitpunkt war die ungezügelte Energie der Musik längst in den Verwertungszyklen der Musikindustrie gefangen und verlor ihre revolutionäre Kraft. Temple entwickelte sich in den folgenden Jahren – auch dank des Erfolgs von The Great Rock’n’Roll Swindle – zu einer festen Größe und zu einem der Pioniere im boomenden Geschäft mit Musikfilmen. Zu seinen Werken gehören Filme wie The Secret Policeman’s Concert, Absolute Beginners mit David Bowie und Patsy Kensit und viele andere mehr. Mit Joe Strummer – The Future is Unwritten kehrt Temple zu seinen Wurzeln zurück und sucht (teilweise gemeinsame) Weggefährten wie Mick Jones, Jim Jarmusch, Bono, Bob und Harvey Weinstein, Matt Dillon, John Cusack und sogar Johnny Depp auf, um sie über den Menschen Joe Strummer zu befragen. Zentraler Punkt dabei ist ein Lagerfeuer, an dem Temple die einstigen Freunde Strummers interviewt – eine Reminiszenz an den Sänger, der Lagerfeuer über alles liebte. Nicht nur dies zeigt den Facettenreichtum der Persönlichkeit Strummers, der ebenso ein Punk der ersten Stunde wie ein Rock'n'Roll-Nomade, ein zärtlicher Poet und ein Mann auf der Suche nach sich selbst war, bis zum Ende.

Doch trotz der Fülle an "talking heads" kommt bei dieser Hommage zu keinem Zeitpunkt Langeweile auf, auch wenn Temple sich drauf beschränkt, Strummers Leben mehr oder weniger chronologisch zu erzählen. Beeindruckend ist vor allem die Fülle an Bildmaterial, die zusammengetragen wurde und die immer wieder von den ruhigen Gesprächen am Lagerfeuer oder den brachialen, hoch energetischen Songs von Strummer unterbrochen wird. Diese Mischung aus laut und leise, Zeitdokumenten und Erinnerungen, von Nachdenklichkeit und Unmittelbarkeit lässt immer wieder vergessen, dass Joe Strummer nicht mehr unter den Lebenden ist. Vielleicht ist es sonst oft nur eine Floskel, wenn über einen Verstorbenen gesagt wird, dass er in den Herzen der Zurückbleibenden weiterlebt. Im Falle Joe Strummers aber gibt es sogar einen Film, der beweist, dass es so ist.

Joe Strummer – The Future is Unwritten

John Graham Mellor alias Joe Strummer ist bis zum heutigen Tage einer der größten Stars der britischen Popmusik.
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Meinungen

kim · 28.02.2012

Tolle, mitreißende Dokumentation, auch für alle Nicht-Punks!

lueken.c@zdf.de · 02.07.2007

ein Muss für Musikfans!

JK · 04.06.2007

Geiler Film. Anschauen!!