Joe McCarthy - The Real American

Eine Filmkritik von Lida Bach

Hexenjagd

„Ein Kommunist ist ein Kommunist zu viel.“ Die Aussage ist bezeichnend; für den zentralen Protagonisten von Lutz Hachmeisters Dokumentation und das historische Populärbild von ihm: Joe McCarthy — The Real American nennt ihn der Regisseur mit herausfordernder Direktheit, die das Absolutistische McCarthys eigener Äußerungen echot.
War der Senator aus Wisconsin, dessen Name eine politische Ära prägte und dessen Jagd auf mutmaßliche Kommunisten den Begriff „McCarthyism“ begründete, der wahre, der echte Amerikaner? „McCarthyism bedeutet, einen Mann als Kommunisten zu bezeichnen, dem später nachgewiesen wird, dass er einer ist“, interpretierte Joseph Raymond McCarthy selbst die Bezeichnung. Das Lexikon definiert es anders: als willkürliche Anschuldigungen und rücksichtslose Demagogie gegen den Charakter politischer Gegner. Das Perfide der Attacken ist nicht allein die mangelnde Substanz der Vorwürfe, sondern dass sie sich gleichermaßen gegen Persönlichkeit und Moral des Beschuldigten richten.

Die Haltlosigkeit der Vorwürfe zeichnet sich angesichts der fanatischen Maßlosigkeit fast schon grausam-komisch ab. Man erzähle keine kleinen Lügen, sondern große, sagt ein Zeitgenosse. McCarthy habe das schnell gelernt. Er war ein Profi der Panikmache in einem paranoiden Amerika, das vor dem neuen Medium Fernsehen an seinen Lippen hing. Kommunisten sitzen im Senat, in Hollywood und im Fall Ethel und Julius Rosenbergs im Todestrakt. Gewissensbisse plagen McCarthy nicht, zumindest in den Spielszenen, die dem Mosaik aus Archivaufnahmen, Interviews und prägnantem Schauspiel einen semi-fiktionalen Charakter gibt. An der Nahtstelle zwischen Spekulation und Fakten, Persönlichkeitsstudie und Zeitbild droht die kondensierte Reportage auseinanderzureißen.

Das von Comedian John Session verkörperte Gegenbild ist das eines Opportunisten, der durch Taktik und Ruchlosigkeit für einen Landjungen aus Wisconsin weit kam. „Er war nur ein netter Kerl“, beschreibt ein Bekannter den Privatmann McCarthy als jemanden, „der gute Geschichten, eine gute Zeit und einen guten Drink liebte.“ Oder zwei gute Drinks. Oder drei. Der durch Alkoholismus beschleunigte Tod erscheint in der Inszenierung als indirekter Selbstmord: Flucht aus einem Schattendasein, dem weder seine Ehefrau Jean (Justine Waddell) noch eine Adoptivtochter Kontur verleihen konnten. Außer ihnen, scheint es, trauerte niemand um ihn. „Es wurde Zeit“, sagt ein zu McCarthys Tod befragter Medienkritiker: „Eine hässliche Sache, das zu sagen.“

Ja, hässlich. Doch manchmal führt um das Hässliche nichts herum, um die Tatsachen zu schildern. Das ambitionierte Politikporträt scheut vor dem Unangenehmen zurück. Schillernde Facetten sollen eine dumpfe Persönlichkeit beschreiben und saubere Bilder eine schmutzige Ära. McCarthys Charakter sei simpel, heißt es zu Beginn, doch beim Versuch, die Aussage zu belegen, erreicht Hachmeister das Gegenteil. „Heute befinden wir uns in einem finalen rücksichtslosen Krieg zwischen kommunistischem Atheismus und Christenheit“, proklamierte McCarthy. Das bezeichnende Zitat taucht ebenso wenig auf wie das House of Un-American Activities Committee. „Lavender scare“, die „Hollywood Ten“ und außenpolitische Auswirkungen schrumpfen zu Randnotizen.

„Now It Is 1984
Knock knock at your side door
It’s the suede denim secret police
They have come for your uncool niece“
(The Dead Kennedys)


McCarthy war ein Mann mit vielen Feindbildern. Fast scheint es gerecht, dass er auch viele Feinde hatte. Welche psychologische und politische Dynamik beide verband, lässt der Film nur erahnen. Er scheitert an der gleichen Frage wie der reale Joe McCarthy vor laufender TV-Kamera: „Haben Sie keinen Anstand, Sir? Haben Sie überhaupt keinen Anstand übrig?“ Mit seiner Politik hat McCarthy selbst die Antwort gegeben. „Ihre Vergebung müssen Sie bei einem anderen als mir finden“, sagte sein Gegensprecher Welch während einer Anhörung. Offiziell verwehrt die amerikanische Öffentlichkeit sie ihm, inoffiziell war Vergebung niemals erforderlich. Dies verdeutlicht die bis nach dem Abspann aufgesparte Schlussszene, die das Erbe der McCarthy-Ära in der Gegenwart demaskiert. Der Titelzusatz enthüllt sich als das Gegenteil der Rehabilitation, die er oberflächlich scheinen mag. Joe McCarthy — The Real American wirft ein skeptisches Schlaglicht auf Nationalismus und Konservativismus, die Gefahr laufen als Patriotismus missverstanden zu werden. McCarthys bullige Präsenz auf der Leinwand erinnert daran, wie nah die Gegenwart der Vergangenheit ist, wenn die Worte „Sozialist“ und „Kommunist“ auch heute noch im amerikanischen Wahlkampf Beschimpfungen gleichkommen. Ray Bradbury fand im Gespräch über Fahrenheit 451 die treffenden Worte: „When the wind is right, a faint odor of kerosene is exhaled from Senator McCarthy.“

Joe McCarthy - The Real American

„Ein Kommunist ist ein Kommunist zu viel.“ Die Aussage ist bezeichnend; für den zentralen Protagonisten von Lutz Hachtmeisters Dokumentation und das historische Populärbild von ihm: „Joe McCarthy — The Real American “ nennt ihn der Regisseur mit herausfordernder Direktheit, die das Absolutistische McCarthys eigener Äußerungen echot.
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