Jaffa - The Orange's Clockwork

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Seit vielen Jahrzehnten ist die Jaffa-Orange die wohl bekannteste und beliebteste Zitrusfrucht und ein wesentlicher Bestandteil des israelischen Gründungsmythos. Vor allem aber – und das enthüllt Eyal Sivans Film Jaffa – The Orange’s Clockwork auf sehr interessante Weise – ist die Jaffa-Orange nicht nur reich an Vitaminen, sondern steckt vor allem voller Geschichten um Politik, Ökonomie und Manipulation, anhand derer man die Bruchlinien und Gemeinsamkeiten israelischer und arabischer Geschichte auf ungewöhnliche Weise betrachten kann.
Die Ursprünge der fast kernlosen Frucht gehen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zurück, wo diese besondere Orangensorte nahe der Stadt Jaffa vor allem für den Export angebaut wurde. Doch die blühenden Orangenhaine jener Zeit passten, wie Sivan zeigt, nicht so recht ins eurozentristische, kolonialistische und christlich geprägte Bild jener Tage, das darauf beharrte, dass ganz allein die Araber verantwortlich seien für den schleichenden Verfall des Heiligen Landes. Klar, dass die Erfolgsgeschichte der Jaffa-Orange als Exportschlager in späteren Jahren gerne aus den Geschichtsbüchern getilgt bzw. vor allem dem neu gegründeten Staate Israel zugeschrieben wird. Eine Umdeutung der Geschichte, die schließlich sogar zur Vertreibung der bis dato sehr erfolgreichen agierenden arabischen Orangen-Bauern aus der Gegend um Jaffa führte.

In den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wird die Jaffa-Orange dann endgültig zu einem wesentlichen Bestandteil der „Nation Branding“, mit dem der junge Staat Israel weltweit für sich wirbt. Selbst Stars wie Louis Armstrong und Ingrid Bergman lassen sich mit der Frucht fotografieren und sorgen dafür, dass die Jaffa-Orange zu einer weltweiten Marke wird. Politische Propaganda und Werbung – im Falle der Jaffa-Orange sind diese beiden Begrifflichkeiten nahezu deckungsgleich und werden zu einem wichtigen Baustein der nationalistischen Historiographie eines Landes.

Anhand von bislang wenig bekanntem Archivmaterial wie Filmausschnitten, Werbeplakaten und Propagandapostern sowie Fotografien und mit Hilfe verschiedener Gesprächspartner (die Bandbreite reicht vom Zitrusarbeiter bis hin zu Intellektuellen sowohl israelischer wie auch palästinensischer Herkunft) dekonstruiert Sivan Stück für Stück den Mythos der Jaffa-Orange und die dahinter verborgenen politischen und propagandistischen Ziele.

Wer sich zunächst durch den Titel und den scheinbare Gegenstand der Betrachtung abschrecken lässt, sollte diese Scheu unbedingt überwinden. Denn die Jaffa-Orange ist für Eyal Sivan, einen der bekanntesten israelischen Dokumentarfilmer und Essayisten, lediglich der Ausgangspunkt für eine faszinierende und hochspannende Reise in die Vergangenheit und Gegenwart des israelisch-palästinensischen Konflikt, zu seinen Wurzeln und seinen Auswirkungen. Dabei bestechen vor allem seine akribischen Recherchen und seine fundierten Bildanalysen, die er in den jeweiligen historischen Kontext einordnet und so verborgene Intentionen zutage fördert, die man so bislang nicht gesehen hat.

Weniger fundiert ist Sivan vor allem in Gesprächssituationen; hier hat man oftmals den Eindruck, dass er nicht genug nachfragt, dass er sich zu schnell mit Antworten zufrieden gibt, die ins vorgefertigte Bild passen. Mitunter – vor allem am Schluss, verheddert sich der Film sogar in einige Ungereimtheiten und grobe Kontrastierungen, die man gerne differenzierter dargestellt gesehen hätte. Dennoch ist Eyval Sivan überaus kritischer Film in seiner Scharfsichtigkeit ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung des israelisch-palästinensischen Konflikt – und ein faszinierender Blick auf eine harmlose Frucht, die nicht nur voller Vitamine steckt, sondern auch voller Geschichte und Geschichten.

Jaffa - The Orange's Clockwork

Seit vielen Jahrzehnten ist die Jaffa-Orange die wohl bekannteste und beliebteste Zitrusfrucht und ein wesentlicher Bestandteil des israelischen Gründungsmythos. Vor allem aber – und das enthüllt Eyal Sivans Film „Jaffa – The Orange’s Clockwork“ auf sehr interessante Weise – ist die Jaffa-Orange nicht nur reich an Vitaminen, sondern steckt vor allem voller Geschichten um Politik, Ökonomie und Manipulation, anhand derer man die Bruchlinien und Gemeinsamkeiten israelischer und arabischer Geschichte auf ungewöhnliche Weise betrachten kann.
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