Jäger des Augenblicks

Eine Filmkritik von Christian Horn

Über den Wolken

Jäger des Augenblicks – der zunächst dröge wirkende deutsche Verleihtitel des Dokumentarfilms Roraima: Climbing the Lost World bezieht sich auf die Protagonisten und die Filmemacher gleichermaßen. Während die Profibergsteiger Stefan Glowacz, Holger Heuber und Kurt Albert das Glücksgefühl jagen, dass sie beim Erklimmen eines bislang unbezwungenen Bergmassivs ereilt, suchen die Regisseure Christian Lonk, Philipp Manderla und Malte Roeper unter erschwerten Drehbedingungen die Kinobilder, die das spektakuläre Geschehen für den Zuschauer greifbar machen.
Die Anfangsszene zeigt den Sportkletterer Stefan Glowacz im Talk mit Günther Jauch – während das Gespräch im Hintergrund weiterläuft, begleitet die Bildebene den an einem Felsvorsprung hangelnden Glowacz. Der mehrfache Weltmeister berichtet von seiner Motivation und den zahlreichen Herausforderungen, die seine Klettertouren mit sich bringen. Mit diesen einfachen Mitteln schaffen die Filmemacher eine eindringliche Einführung in ihren Stoff, die die beiden zentralen Tugenden der Doku vereint: Der intime Blick in das Innenleben der porträtierten Bergsteiger und die beeindruckenden Aufnahmen von waghalsigen Bergbesteigungen.

Die Regisseure folgen den Extrembergsteigern auf einer Reise ins Dreiländereck zwischen Brasilien, Venezuela und Guyana, wo die drei Freunde eine steil aufragende Felswand des Tafelbergs Roraima in Pionierarbeit erklettern wollen. Welche Strapazen die Männer bereits vor dem Anstieg auf sich nehmen, zeigt der Film, indem er auch die zweiwöchige Anreise zur Felswand begleitet: Tagelang geht es durch den Dschungel, bevor die Gepäckträger an einer heiklen Kletterpassage das Feld räumen. In mühevoller Arbeit müssen Glowacz, Heuber und Albert die zig Rucksäcke mit Ausrüstung und Verpflegung in Eigenregie bis zum eigentlichen Startpunkt ihrer Tour schleppen – hin und her durch einen schlammigen, höchst unpässlichen Pfad. Als es dann endlich losgehen kann, liegen bereits etliche Anstrengungen hinter den Männern, die einen Otto Normalverbraucher vermutlich auf Wochen niederstrecken würden. Mit einem Hubschrauber zum Startpunkt der Klettertour zu fliegen, kommt für die drei Bergsteiger jedoch nicht in Frage, da sie auch die Kulturlandschaft um einen Berg herum spüren wollen.

Abgesehen vom offensiven Musikeinsatz baut der Dokumentarfilm ohne inszenatorischen Bombast auf seine vielschichtig porträtierten Protagonisten und die sehenswerten Landschaftspanoramen. Die auch im Privatleben befreundeten Protagonisten sind auf je eigene Weise ungemein charismatisch und lassen tief in ihr Inneres blicken. Dass die Besteigung der Felswand an Dauerregen, schwindenden Nahrungsvorräten und einem umgeknickten Fuß im ersten Anlauf misslingt, eröffnet einen weiteren spannenden Themenkreis, der vom Scheitern und Weitermachen handelt. In den Monaten, die bis zum zweiten Versuch vergehen, geschieht zudem ein tragischer Unfall: Bei einer Routineübung stürzt Kurt Albert von einer Felswand und verunglückt tödlich. Dass der Freund bei der zweiten Reise in den Dschungel in Dialog und Bildern stets anwesend ist, verleiht dem abenteuerlichen Unterfangen eine starke und glaubwürdige emotionale Komponente.

Jäger des Augenblicks

„Jäger des Augenblicks“ – der zunächst dröge wirkende deutsche Verleihtitel des Dokumentarfilms „Roraima: Climbing the Lost World“ bezieht sich auf die Protagonisten und die Filmemacher gleichermaßen. Während die Profibergsteiger Stefan Glowacz, Holger Heuber und Kurt Albert das Glücksgefühl jagen, dass sie beim Erklimmen eines bislang unbezwungenen Bergmassivs ereilt, suchen die Regisseure Christian Lonk, Philipp Manderla und Malte Roeper unter erschwerten Drehbedingungen die Kinobilder, die das spektakuläre Geschehen für den Zuschauer greifbar machen.
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