Jack (2014)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Eine Berliner Odyssee

Das erste Bild ist trügerisch: Jack (Ivo Pietzcker) und sein jüngerer Bruder Manuel (Georg Arms) liegen einträchtig nebeneinander auf einer Matratze und schlafen, das warme Licht des Morgens taucht die Kinder in ein weiches Licht, es ist ein Anfangsbild voller Harmonie. Doch für lange Zeit wird dies das einzige Bild sein, das diese Harmonie und Geborgenheit ausstrahlt.

Denn schon kurz danach ist es mit der Ruhe vorbei: Aufgeweckt von ihrer Mutter Sanna (Luise Heye) übernimmt der ca. neunjährige Junge die Verantwortung für seinen Bruder, hilft ihm beim Anziehen, bereitet ihm das Frühstück, übernimmt all die Aufgaben, die eigentlich seiner Mutter obliegen würden. Dabei ist es gar nicht mal so, dass Sanna eine böse Mutter wäre — sie ist vielmehr zu jung, zu wenig verantwortungsbewusst, zu sehr mit sich selbst und ihrem eigenen Leben beschäftigt, um sich um ihre beiden Söhne, die von verschiedenen Vätern stammen, in dem Maß zu kümmern, wie die Jungs das brauchen würden. Und es ist auch keinesfalls so, dass es nicht bemerkt werden würde, dass die junge Frau mit ihrer Aufgabe überfordert ist. Bei einem Gespräch mit dem Jugendamt wird beschlossen, dass Jack in die Obhut eines Heimes kommen soll, was Sanna zunächst ablehnt. Bald schon willigt sie jedoch in das Unabwendbare ein, um nicht auch noch Manuel zu verlieren.

Der stille Junge aber kommt in dem Heim nicht zurecht, weil der ältere Danilo ihn drangsaliert. Als es zwischen den beiden zum Streit kommt, dreht Jack durch und flieht anschließend, um zurück nach Hause zu gelangen. Doch Sanna ist weg, ohne eine Nachricht zu hinterlassen und wie gewohnt einen Schlüssel zu deponieren — unversehens steht Jack auf der Straße und macht sich auf die Suche nach seiner Mutter, die nirgendwo mehr zu erreichen ist. Und weil auch Manuel bei einer Bekannten geparkt wurde, holt Jack seinen Bruder ab. Für die beiden Kinder beginnt eine Odyssee durch ein Berlin, das von den beiden keinerlei Notiz nimmt — immer auf der Suche nach einem sicheren Schlafplatz, etwas zu essen und natürlich nach ihrer Mutter, die wie vom Erdboden verschwunden zu sein scheint.

Jack von Edward Berger und Nele Müller-Stöfen, die zugleich die Rolle der Becki spielt, erinnert sowohl vom Inhalt als auch von der realistischen Herangehensweise an die Filme der Brüder Dardenne, besonders an Der Junge auf dem Fahrrad. Bedingungslos folgt die mobile Kamera den Gängen des Jungen, heftet sich ihm immer wieder an die Fersen, zeigt ohne zu große dramatische Zuspitzungen die Verlorenheit des Kindes, sein ungeheures Verantwortungsgefühl, die Verzweiflung und die immer wieder aufscheinenden Hoffnungsschimmer, die Jack seine Reise überstehen lassen. Sehr dezente Musikeinsätze, die ebenfalls in ihrer Pointiertheit an Der Junge auf dem Fahrrad erinnern, setzen emotionale Akzente und sorgen neben dem bewundernswerten Spiel der beiden Kinderdarsteller dafür, dass man dem Film auch einige kleine Logiklöcher verzeiht und bis zum überraschenden Ende stets mit Jack und Manuel mitfiebert, ob ihr Abenteuer wohl gut ausgehen wird.
 

Jack (2014)

Das erste Bild ist trügerisch: Jack (Ivo Pietzcker) und sein jüngerer Bruder Manuel (Georg Arms) liegen einträchtig nebeneinander auf einer Matratze und schlafen, das warme Licht des Morgens taucht die Kinder in ein weiches Licht, es ist ein Anfangsbild voller Harmonie. Doch für lange Zeit wird dies das einzige Bild sein, das diese Harmonie und Geborgenheit ausstrahlt.

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Meinungen

Renate Volk · 13.10.2014

ein sehr gut gemachter Film, dem ich viele Zuschauer wünsche

Dirk · 01.10.2014

Die Ausschnitte, die ich bisher gesehen habe, haben mich auf jeden Fall überzeugt. Der Junge, der Jack spielt, spielt derartig konsequent, dass man nur beeindruckt sein kann. Insbesondere wenn man erfährt, dass er vorher noch nie geschauspielert hat, was man sich angesichts seiner Leistung kaum vorstellen kann. Da kann sich so manch etablierter Schauspieler noch etwas abschauen. Für mich ist Jack auf jeden Fall einer der wenigen deutschen Filme dieses Jahr, die ich mir im Kino anschaue.

B. Wimmel · 16.08.2014

Der beste Film, den ich zum Thema Kindeswohl und Kinderwille in den letzten 45 Jahren gesehen habe! Großes Lob und unbedingt nicht verpassen!!