Into the Forest

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Eine stille Katastrophe

Im Film passiert die apokalyptische Katastrophe, die die Welt verändert, fast immer mit einem lauten Knall: Sie legt rauchend und explosiv alles in Schutt und Asche. Nicht jedoch in Into the Forest. Schon die ersten Bilder von Patricia Rozemas erstaunlicher Adaption von Jean Heglands Roman sind sanft und einfühlsam. Sie zeigen nebelverhangene bewaldete Hügel, von denen sich langsam eine tanzende Frau abhebt. Aus dem Off erklingt dazu Cat Powers eindringliche Version von „Wild is the Wind“.
Diese Bilder zeigen den Alltag von zwei jungen Frauen: Eva (Evan Rachel Wood) trainiert in einem Tanzstudio, ihre Schwester Nell (Ellen Page) trifft sich mit ihren Freunden und flirtet zaghaft mit Eli (Max Minghella). Dann wechselt der Schauplatz in ein Haus in den Wäldern, der Song erklingt nicht mehr aus dem Off, sondern aus Evas Zimmer, in dem sie weitertanzt. Die Schwestern leben mit ihrem liebevollen Vater Robert (Callum Keith Rennie) in einem Haus im Wald, Eva bereitet sich auf eine Aufnahmeprüfung für eine Tanz-Company vor, Nell lernt für ihre SAT-Tests, der Vater kümmert sich um seine Töchter und das Haus. Ein paar Einzelheiten wie ein Tablet und Handy aus Glas machen deutlich, dass der Film in der nahen Zukunft spielt. Dann läuft im Fernsehen ein Bericht zu einem Stromausfall, von dem die gesamte Westküste betroffen ist. Anfangs bleiben sie einfach in dem Haus, gehen ihrem Alltag nach und warten, dass die Elektrizität zurückkehrt. Nach zehn Tagen fahren sie dann in die Stadt, um einzukaufen – und finden einen nahezu geplünderten Supermarkt vor, der von Stan (Michael Eklund) mit einer Waffe bewacht wird. Auch Benzin ist überall ausverkauft, erste Anzeichen eines sozialen Kollapses machen sich bemerkbar. Als der Vater zudem zunehmende Gewalt und Bedrohung wahrnimmt, entscheidet er, dass sie vorerst in ihrem Haus bleiben sollen, bis der Strom zurückkehrt.

Der Film springt immer wieder in der Zeit und zeigt, wie die Schwestern, die bald ohne ihren Vater zurechtkommen müssen, mit den wechselnden Lebensbedingungen umgehen. Nell ist praktisch veranlagt, sie ist resolut, rational und clever, während die musische Eva mehr Aufmerksamkeit und Zuneigung braucht. Doch der Mensch passt sich den Umständen an – und nach und nach entwickeln Eva und Nell Routinen, durch die sie gut zurechtkommen. Sie müssen sich um grundlegende Dinge wie Essen und Feuerholz kümmern, später im Film jagen sie ein Wildschwein, verwerten jeden Teil dieses Tieres, kochen Seife und lagern Fleisch ein. Ihr Wissen und ihr Zusammenhalt sichern ihnen das Überleben. Gelegentlich kommen Besucher vorbei, nicht alle haben gute Absichten. Sie sorgen für die dramatischen Momente in diesem sorgfältig beobachtenden Film, der sich voll auf die Folgen einer Katastrophe konzentriert.

Into the Forest ist eine ungewöhnlich ruhige Dystopie, die zudem zwei weibliche Hauptfiguren aufweist. Nell und Eva werden von Ellen Page und Evan Rachel Wood einfühlsam und sensibel gespielt. Sie strahlen die Vertrautheit aus, die Geschwister haben, die sich nahestehen – und durch den Tod der Eltern trotz aller charakterlichen Unterschiede noch näherkommen. Vor allem aber brauchen sie keinen Mann, der ihnen hilft, den Weg weist, das Tier erlegt; sie brauchen keine Gruppe, mit der sie umherziehen, die sie schützt. Was sie brauchen, finden sie in ihrer Nähe zueinander und der Natur. Denn wie Eva an einem Punkt sagt: Die Menschen leben seit Millionen Jahren auf der Erde und hatten nur 120 Jahre davon Strom. Sie werden auch wieder ohne ihn zurechtkommen.

Into the Forest

Im Film passiert die apokalyptische Katastrophe, die die Welt verändert, fast immer mit einem lauten Knall: Sie legt rauchend und explosiv alles in Schutt und Asche. Nicht jedoch in „Into the Forest“. Schon die ersten Bilder von Patricia Rozemas erstaunlicher Adaption von Jean Heglands Roman sind sanft und einfühlsam. Sie zeigen nebelverhangene bewaldete Hügel, von denen sich langsam eine tanzende Frau abhebt. Aus dem Off erklingt dazu Cat Powers eindringliche Version von „Wild is the Wind“.
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