Inside Llewyn Davis (2013)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Auf Katzenpfoten

Manchmal liegt das Glück nicht wie Jan Ole Gersters Oh Boy in einer Tasse Kaffee. Sondern zum Beispiel darin, dass eine Katze verloren geht und sich von diesem Punkt aus eine Odyssee entwickelt, die der (Anti)Held von der traurigen Gestalt eigentlich schon hätte erahnen können.

Das Tier, das zu Beginn nach einem verwirrenden Auftritt eines unbekannten Schlägers elegant durchs Bild huscht, hört auf den Namen Ulysses. Und damit wäre schon klar, was nun folgt — wenn Llewyn Davis, dem das Missgeschick mit der Katze widerfährt, nur den Namen des Tieres gekannt hätte. So aber hat er wieder einmal keine Ahnung, in welche Situation er hineinstolpert. Aber sicher ist das auch gut so — sowohl für den chronisch klammen Folksänger, weil der das kommende Elend so immerhin nicht sehen muss, wie auch für den Zuschauer, weil der sich auf eine Suche der vergnüglichen Art freuen kann.

Die Folkszene des New Yorker Greenwich Village ist das Umfeld, in welchem der neue Film der Coen-Brüder angesiedelt ist. Dabei geht es eigentlich nie um deren prominentesten Vertreter Robert Allen Zimmerman alias Bob Dylan, der immerhin mal kurz am Rande als kleiner Gag auftaucht. Vielmehr spielt der Film in jenen Tagen kurz vor dem großen kommerziellen Durchbruch mit Interpreten wie Peter, Paul und Mary oder eben dem Bobfather himself. Eines der zahlreichen Talente ist nun jener Llewyn Davis (Oscar Isaac), der früher mal mit einem Partner als Duo aufgetreten ist und der nun nicht ganz freiwillig auf Solopfaden wandelt, weil sich der frühere Partner von der George Washington Bridge gestürzt. Was John Goodman, der in einer Sequenz sehr schön den heroinabhängigen und besserwisserischen Jazzer gibt, mit der lakonischen Bemerkung abkanzelt, dass ein Selbstmörder von Rang wenigstens die Brooklyn Bridge gewählt hätte.

Ehrlich gesagt würde es einen nicht wundern, wenn Llewyn den selben Weg wählt, denn sein Leben ist ein zielloses Umherstreifen, immer auf der Suche nach etwas Geld oder einem Platz zum Schlafen für die Nacht und eigentlich weiß er längst, dass er es mit seiner Musik nicht schaffen wird, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Und bürgerlich werden mit einer Familie so wie seine Freunde Jane (Carey Mulligan) und Jim (Justin Timberlake), das will der Bohemièn natürlich auch nicht, auch wenn ihn die Verachtung für die vermeintliche Bürgerlichkeit nicht davon abhält, mit Jane zu schlafen und sie zu schwängern.

Wäre da nicht dieser unvergleichliche Charme der Coen-Brüder, der so typisch ist für ihre Filme, müsste man einen Protagonisten wie diesen Llewyn Davis eigentlich abgrundtief hassen. Egoistisch, unfähig, irgendeine Form von Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, vorwiegend übellaunig und manchmal auch richtiggehend gehässig (weswegen es unter anderem in einer dunklen Gasse von einem vermeintlichen Film-noir-Schurken ordentlich was auf die Mütze gibt) ist dieser arme Wicht ein klassischer Antiheld, wie man ihn auch aus den Filmen Woody Allens kennt. Überhaupt zeigt es sich, dass die Coens mehr mit Allen gemeinsam haben, als beiden vielleicht lieb sein mag. Ihr Blick auf die Welt und auf die Menschen ist ein ähnlicher — und mit wenigen Ausnahmen sind ihre Filme zumindest in den letzten Jahren zwar nur selten wirklich überraschend, aber stets ein Garant für intelligente Unterhaltung. Und das ist in der heutigen Zeit im Kino, wo das eine mit dem anderen nach Meinung vieler am besten nichts miteinander zu tun haben sollte, schon eine ganze Menge.

Das man diesen Llewyn Davis trotz aller Macken (und derer gibt es viele) dennoch mag, liegt nicht nur an dem lakonischen Humor der Coens, an seiner Stimme und den mit viel Gefühl vorgetragenen Songs, die dem Film auch einen musikalischen roten Faden geben, sondern auch daran, dass man sich wünscht, dass dieser Mann einen guten Kern haben möge. Wie er sich jedenfalls um den entlaufenen Kater namens Ulysses kümmert, ihm nachrennt und sich in Lebensgefahr begibt, gibt uns zumindest die Hoffnung zurück, dass selbst so ein Trottel wie Llewyn einen Funken Mitgefühl in sich tragen könnte — und wenn schon nicht für seine Mitmenschen, dann immerhin für eine Katze. Das wäre immerhin mal ein Anfang.
 

Inside Llewyn Davis (2013)

Manchmal liegt das Glück nicht wie Jan Ole Gersters „Oh Boy“ in einer Tasse Kaffee. Sondern zum Beispiel darin, dass eine Katze verloren geht und sich von diesem Punkt aus eine Odyssee entwickelt, die der (Anti)Held von der traurigen Gestalt eigentlich schon hätte erahnen können.

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Meinungen

wignanek-hp · 28.01.2014

Der Film ist selbst wie ein Bluegrass-Song, melancholisch und traurig, aber auch grandios. Nach diesem Film kann man sich gar nicht vorstellen dass Oscar Isaac auch lachen kann.
Ich musste mir sofort die Filmmusik besorgen.

Odysseus · 05.01.2014

Spaßig! Düster! Cool!

Kim · 23.12.2013

Ein durch und durch sehenswerter Film, der keine gute Laune macht.
JedeR kennt so Phasen im Leben, wo GARNICHTS klappt. Und so eine hat Llewyn Davis.

@Andreas Krause · 06.12.2013

Einfach auf "Wo läuft dieser Film? klicken und schon ist die Frage beantwortet. Schräg links neben der Kommentarbox.

Andreas Krause · 05.12.2013

Eine sehr interessante Besprechung und ein sehr guter Trailer. Bloß wo kann man diesen Film in Dortmund, Bochum oder Essen sehen?

Bitte um eine Nachricht an: krausea1@web.de

Vielen Dank im voraus!

Andreas