Im Weltraum gibt es keine Gefühle

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

"Erde an Simon, bitte kommen"

Ordnung ist das halbe Leben, besagt ein Sprichwort, das vor allem dem umordentlichen Teil der Menschheit mit auf den Weg gegeben wird. Im Falle von Simon (Bill Skarsgård), einem 18 Jahre alten Jungen, der unter dem Asperger-Syndrom (einer Form von Autismus) leidet, stimmt dieses gut gemeinte Motto nicht ganz. Für ihn ist Ordnung das ganze Leben. Um mit seiner Krankheit und den daraus resultierenden Symptomen umzugehen, ist sein Tagesablauf nach einem strengen System geregelt, das keinerlei Abweichung duldet. An jedem Wochentag gibt es stets das gleiche Essen, das zudem ausschließlich in der von Simon geduldeten Kreisform serviert werden darf. Überhaupt lebt Simon in seiner ganz eigenen Welt, die keinerlei Berührung oder sonstige Zeichen der Zuneigung duldet. Und sobald es einmal schwierig wird im Zusammenleben, flüchtet er sich in einen überdimensionierten Suppentopf, denn das ist Simons Raumkapsel, in der er sich sicher und geborgen fühlt: „Im Weltraum gibt es keine Gefühle“, das glaubt zumindest Simon. Dumm nur, dass der Planet Erde umso mehr an Emotionen bietet. Und die machen nicht nur Simon zu schaffen.
Nach einem Streit mit den Eltern nimmt Simons älterer Bruder Sam (Martin Wallström) den Kranken bei sich und seiner Freundin Frida (Sofie Hamilton) auf, Dann aber ist es mit der von Simon so sehnlichst erwünschten Ordnung schnell vorbei, denn aufgrund ihrer Eifersucht auf Simon und dessen rigider Einhaltung seiner Prinzipien trennt sich Frida von Sam, womit das sorgfältig konstruierte Regelwerk wie ein Kartenhaus in sich zusammenbricht. Um Sam eine neue Freundin zu besorgen und damit die vertraute Ordnung wiederherzustellen, macht sich Simon mit seinen recht eigenwilligen, aber immerhin (wie er selbst findet) „wissenschaftlichen“ Methoden auf die Suche nach einer neuen Freundin für seinen Bruder. Da seine Vorstellungen von der zukünftigen Mitbewohnerin aber sehr speziell sind, muss ausgerechnet der Zufall dem Liebes- und Lebensglück der beiden Brüder auf die Sprünge helfen.

Gerade mal 25 Jahre alt ist Andreas Öhman, der Regisseur von Im Weltraum gibt es keine Gefühle. Doch das beinahe noch jugendliche Alter merkt man ihm nicht an. Routiniert und mit großer Lässigkeit spielt der Filmemacher auf der Klaviatur skandinavischer Feelgood-Komödien wie Elling und formt einen Mix aus schrägen Charakteren, einer Liebesgeschichte mit Hindernissen und ein Feuerwerk an Situationskomik, die nur gelegentlich die feine Trennlinie zwischen augenzwinkerndem und eher krachledernem Humor verfehlt. Wenn aber Simon und seine ebenfalls gehandicapten Kollegen von der Stadtreinigung den widerspenstigen Sam kurzerhand in einem Sack zum Rendezvous mit Simons Zufallsbekanntschaft Jennifer (Cecilia Forss) verfrachten, dann bleibt im Kino kein Auge trocken.

Überhaupt ist ist lebensfrohe und leicht chaotische Jennifer, die in so ziemlich allem das genaue Gegenteil von Simon ist, der Katalysator für Simons Entwicklung, die im Weltraum beginnt und bei der Erkenntnis endet, dass es neben Sam vielleicht doch jemanden geben könnte, dem er vertrauen kann. Mit herrlicher Selbstverständlichkeit und oft aus reiner Gedankenlosigkeit ignoriert Jennifer Simons Marotten, berührt ihn immer wieder, was meist damit endet, dass dieser sie daraufhin aus reinem Abwehrreflex zu Boden stößt. Dem Charme Jennifers und ihrer Natürlichkeit und Unverkrampftheit kann sich aber schlussendlich auch Simon nicht entziehen. Die imaginäre Umlaufbahn um die Erde, auf der Simon seine Kreise zog, ist instabil geworden, das Raumschiff setzt zur Landung an.

Ob Öhmans Schilderung der Asperger-Symptomatik allen psychologischen Untersuchungen in jedem Punkt standhält, steht freilich auf einem anderen Blatt und dürfte das Publikum, das bei diesem Film viel Spaß haben dürfte, weniger interessieren. Zumal gerade die Darstellung der Vorstellungswelt Simons überaus witzig und charmant geraten ist. Mittels eingefügter grafischer Elemente und computeranimierter Weltraumszenen gelingt der Sprung von der realen Welt in den gedanklichen Kosmos Simons ebenso plausibel wie nachvollziehbar.

Insgesamt ist Im Weltraum gibt es keine Gefühle eine überaus unterhaltsame, mal solide, dann wieder pfiffig inszenierte und streckenweise wirklich witzige Komödie, wie sie seit einigen Jahren in dieser Ausprägung vor allem aus Skandinavien auf die deutschen Kinoleinwände kommen. Eine runde Sache also – und damit durchaus in Simons Sinn – auch wenn der sich ausschließlich Science Fiction Filme anschaut.

Dass Im Weltraum gibt es keine Gefühle manchmal sogar fast ein wenig an jene „romantic comedies“ erinnert, die Simon verabscheut wie die Pest, fällt als „Verrat“ an der Figur kaum ins Gewicht und kann entweder als ironische Finesse oder als Zugeständnis an den etwas breiteren Publikumsgeschmack aufgefasst werden. Denn so ganz ohne Gefühle geht es eben doch nicht. Und das gilt nicht nur für Simons selbsterschaffenen Weltraumkosmos, sondern auch und erst recht für die Erde.

Im Weltraum gibt es keine Gefühle

Ordnung ist das halbe Leben, besagt ein Sprichwort, das vor allem dem umordentlichen Teil der Menschheit mit auf den Weg gegeben wird. Im Falle von Simon (Bill Skarsgård), einem 18 Jahre alten Jungen, der unter dem Asperger-Syndrom (einer Form von Autismus) leidet, stimmt dieses gut gemeinte Motto nicht ganz.
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