Im Namen meiner Tochter - Der Fall Kalinka (2016)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die Mühlen der Justiz

Dass die Mühlen der Justiz langsam mahlen und manchmal auch fehlerhaft, davon erzählen zahlreiche Filme wie etwa unlängst Das Versprechen von Karin Steinberger und Marcus Vetter. Auch Vincent Garenqs Spielfilm Im Namen meiner Tochter — Der Fall Kalinka handelt von einem wahren Fall, der vor einigen Jahren immer wieder in den Zeitungen auftauchte und für einiges Aufsehen sorgte. Es ist die Geschichte eines ungesühnten Mordes und einer Rache, die 30 Jahre später endlich auf spektakuläre Weise gerichtlich aufgearbeitet werden konnte.

Genau mit diesem Zeitpunkt, als das Drama nach vielen Jahren fast seinen Höhepunkt erreichte, setzt der Film ein: In einem Hotelzimmer im elsässischen Mulhouse wird André Bamberski (Daniel Auteuil) festgenommen. Der Vorwurf der Justizbehörden lautet Entführung und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Dann springt die Handlung zurück ins Jahr 1974, als die Tragödie ihren Anfang nimmt: Zu dieser Zeit lebt Bamberski mit seiner Frau Dany (Marie-Josée Croze) und den beiden Kindern in Marokko, wo er als Finanzfachmann arbeitet. Dort trifft die Familie auf den deutschen Arzt Dr. Dieter Krombach (Sebastian Koch), mit dem Dany eine Affäre beginnt, die schließlich zur Scheidung des Paares führt. Acht Jahre später kommt es während eines Ferienaufenthaltes des mittlerweile geschiedenen Paares zu dem Unglück, das alles in Bewegung setzen wird. Kalinka (Emma Besson), die damals 14 Jahre alte Tochter der Bamberskis, liegt morgens tot in ihrem Bett — trotz der Wiederbelebungsversuche Krombachs. Schließlich wird wegen der rätselhaften Umstände eine Obduktion in Deutschland angeordnet, die einige Widersprüche, Merkwürdigkeiten und Unterlassungen zutage fördert. Doch außer André Bamberski scheint niemand Interesse an der Aufklärung des tragischen Todesfalls zu haben. Und so beginnt der unermüdliche Kampf Bamberskis gegen die Mühlen der Justiz und der Diplomatie. Er erreicht immer wieder kleine Etappenerfolge, die dann aufgrund von Inkonsequenzen von Rückschlägen abgelöst werden, so dass der trauernde Vater schließlich kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist zum letzten Mittel greifen muss …

Im Namen meiner Tochter — Der Fall Kalinka ist nicht nur ein Justizdrama, sondern auch das Psychogramm eines Vaters, der vom Opfer selbst zum Täter wird. Es ist die Geschichte eines Traumas, das ein bisher wohlgeordnetes Leben so sehr auf den Kopf stellt, dass man sich fast schon an Michael Kohlhaas‘ verzweifelten Kampf und Gerechtigkeit erinnert fühlt — mit dem Unterschied, dass André Bamberskis Geschichte sich wirklich ereignet hat. Und dass sie zeigt, dass sich in manchen Fällen die Effizienz und Wirkung unseres modernen Justizsystems im Vergleich zum absolutistischen Recht vergangener Jahrhunderte nicht wesentlich verbessert hat.

Dank Daniel Auteuils engagiertem Spiel und Garenqs feinfühliger Inszenierungsweise versteht es der Film durchaus, über weite Strecken zu fesseln und sich mit seinem Protagonisten zu identifizieren, dessen Kummer, Gram und Wut sich immer tief in die Furchen und Falten seines Gesichts einzuschreiben scheint. Nur an einer Stelle, als Bamberski in späteren Jahren urplötzlich und ohne vorherige Anzeichen doch deutliche Symptome paranoiden Wahns zeigt, gerät die feine Balance, die der Regisseur und sein Hauptdarsteller zuvor bravourös durchgezogen haben, aus dem Lot. Dies und der immer wieder zu stark akzentuierte und emotionalisierende Soundtrack sind allerdings die einzigen wirklichen Schwachpunkte des pointierten Justizdramas, das im Oktober 2016 in den deutschen Kinos anlaufen wird. Und vielleicht liegt darin ja auch eine weitere Genugtuung für André Bamberski, auf dessen Autobiographie der Film beruht: Dass seine Geschichte nun von noch mehr Menschen wahrgenommen werden kann. Und dass sie womöglich daraus lernen, dass man die Ungerechtigkeiten, die einem widerfahren, nicht hinnehmen muss, sondern etwas gegen sie tun kann.
 

Im Namen meiner Tochter - Der Fall Kalinka (2016)

Dass die Mühlen der Justiz langsam mahlen und manchmal auch fehlerhaft, davon erzählen zahlreiche Filme wie etwa unlängst „Das Versprechen“ von Karin Steinberger und Marcus Vetter. Auch Vincent Garenqs Spielfilm „Im Namen meiner Tochter — Der Fall Kalinka“ handelt von einem wahren Fall, der vor einigen Jahren immer wieder in den Zeitungen auftauchte und für einiges Aufsehen sorgte. Es ist die Geschichte eines ungesühnten Mordes und einer Rache, die 30 Jahre später endlich auf spektakuläre Weise gerichtlich aufgearbeitet werden konnte.

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