Im Kopfstand zum Glück

Eine Filmkritik von Paul Collmar

Auf dem Weg zu mehr Gelassenheit

Viele tun es: Der Manager von nebenan, die Studentin, die Hausfrau, Kinder, Jugendliche und Senioren und auch immer mehr Menschen, die mitten im Berufsleben stehen und die nach einem Ausgleich für die Anforderungen des Alltags suchen. Yoga hat sich auch in Deutschland längst befreit vom Ruch des Esoterischen, rund 3 Millionen Menschen praktizieren es hierzulande, wobei der überwiegende Teil, nämlich 80 Prozent, Frauen sind.
In ihrem Film Im Kopfstand zum Glück hat die Berliner Filmemacherin Irene Graef vier Hauptstadtbewohner begleitet, die in einem modernen Studio ihre Ausbildung zum Yogalehrer absolvieren. Bei Spirit Yoga, das im Jahre 2004 von Patricia Thielenmann gegründet wurde, wird Yoga im modernen Power-Vinyassa-Stil vermittelt, der als freigeistig, offen und besonders dynamisch gilt – einen Guru oder Ähnliches sucht man hier vergebens.

Doch es sind nicht allein die zum Teil enorm kompliziert aussehenden Übungen, die der Film zeigt, sondern eben auch den anderen Teil des Yoga, die geistige Arbeit an der eigenen Persönlichkeit, die eine ebenso große geistige wie körperliche Kraftanstrengung, Transparenz und Offenheit verlangt.

Über zwei Jahre, in denen Irene Graef an dem Film arbeitete, sind schließlich 250 Stunden Material herausgekommen, die schließlich auf 90 Minuten komprimiert wurden. Dabei ist sie den Protagonisten nahe gekommen. Till etwa, dem Journalisten, der berufsbedingt unter Schulterverkrampfungen litt und der auf der Suche ist nach einer Perspektive. Auch die Theaterautorin Deborah sitzt viel am Schreibtisch und erlebt durch Yoga immer wieder kurze Glücksmomente, die sie gerne anderen weitervermitteln würde. Oder Alina, die als Flötistin arbeitet und die sich vorstellen könnte, die Musik und das Yoga miteinander zu verbinden. Und schließlich ist da noch Nikolas, der sich seit langem mit Yoga auseinandergesetzt hat, und der sich vorstellen kann, sich so weit wie möglich auf das Vermitteln von Yoga zu konzentrieren.

Der Film begleitet die Schüler bzw. angehenden Lehrer nicht nur bei ihren Übungen im Studio, sondern gibt auch Einblicke in ihre jeweilige Lebens- und Arbeitswelt, lässt sie über ihre Gründe und Motive, wie sie zum Yoga fanden, räsonieren, spürt ihren Ängsten und Hindernissen nach und vermittelt so ein recht umfassendes Bild seiner Protagonisten, in dem man sich durchaus wieder finden kann. Wer sich bereits näher mit Yoga auseinandersetzt oder dies vielleicht vorhat, der dürfte in Im Kopfstand zum Glück zahlreiche Anknüpfungspunkte finden. Die konkrete Einbettung in das reale Leben der angehenden Yogalehrer und das Einbetten in den Kontext der Großstadt Berlin, die Veränderungen geradezu herausfordert, lassen Vorurteilen jedenfalls wenig Platz und zeigen eine sehr weltzugewandte und offene Sicht, von der man sich schon einiges an Gelassenheit abschauen kann.

Im Kopfstand zum Glück

Irene Graefs Dokumentarfilm „Im Kopfstand zum Glück“ begleitet vier Berliner bei ihrer Ausbildung zum Yogalehrer. Sie wollen Yoga lehren, weil der Beruf zu wenig Erfüllung bringt oder weil sie einen seelischen Anker im Hochleistungsbetrieb benötigen, sie suchen einen Ausgleich zum einsamen Schreibtischjob oder wollen einfach tiefer in die Gedanken- und Lebenswelt der verschiedenen Yogalehren einsteigen.
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