Havanna – Die neue Kunst, Ruinen zu bauen

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Geschichten vom Zerfallen und Überleben

Kuba, das sind heute vor allem medial tausendfach wiederholte Kitsch-Klischees von Rum, Zigarren, marodem Charme, amerikanischen Straßenkreuzern und alten Herren, die ungeachtet ihrer Gebrechlichkeit immer noch den Rhythmus im Blut haben. Der Regisseur Florian Borchmeyer, der selbst jahrelang in Havanna lebte und dort studierte, hat in seiner Dokumentation Havanna – Die neue Kunst, Ruinen zu bauen / Habana — Arte nuevo de hacer ruinas die Kehrseite des morbiden Charmes der kubanischen Hauptstadt beleuchtet, und das so treffend, dass das Filmfestival von Havanna Borchmeyers kritische Bestandsaufnahme gar nicht erst zeigen wollte. Allein die Dreharbeiten waren bereits ein regelrechtes Abenteuer, und das nicht nur wegen der Einsturzgefahr, der sich die Filmemacher ebenso aussetzten wie die Bewohner der porträtierten Ruinen. Darüber hinaus waren etliche Tricks und Kniffe gefragt, um der Aufsicht der staatlichen Behörden zu entgehen und sich immer wieder Ausreden einfallen zu lassen, warum man gerade an dieser Stelle drehen müsse.
Mit malerischen Bildern vom langsamen Zerfall der einstmals prächtigen Metropole und elegischer Filmmusik erforscht Borchmeyer den wahren Zustand der Stadt und stößt dabei immer wieder auf Bewohner von Ruinen, die auf manchmal poetische, manchmal drastische Weise ihrer Meinung über den Zustand Havannas Ausdruck geben. Da ist etwa der einstige Großgrundbesitzer und spätere Anhänger Castros Nicanor, der mit allen bescheidenen Mitteln versucht, den Einsturz des ehemaligen Herrenhauses aufzuhalten. Oder der verfemte Schriftsteller Ponte, der in eindringlichen Worten die Schönheit der Ruinen und ihre kulturellen Spuren in Geschichte, Literatur und Philosophie beschreibt. Egal, aus welcher Schicht die Interviewten stammen und welcher politischen Richtung sie angehören, eines wird deutlich aus ihren Aussagen, die frei von jeglicher Larmoyanz sind: Es sind nicht allein die Häuser, die baufällig und marode sind, es ist der ganze Staat Kuba, der einer einzigen Ruine gleicht – ein Land kurz vor dem endgültigen Kollaps. Dies alles wird niemals anklagend und niemals verharmlosend geschildert und mit eindrucksvollen Bildern untermalt, so dass die Folgerungen aus dem Gesagten und Gezeigten stets beim Zuschauer liegen – statt auf billige Polemik setzen die Macher lieber auf die Poesie des Zerfalls, die selten so beeindruckend zu sehen war wie hier.

Trotz aller Tristesse aber verfällt der Filme ebenso wenig in Resignation wie die tapferen Bewohner der baufälligen Häuser. Und vielleicht haben sie ja Recht mit ihrer Einschätzung, und das prächtige Havanna von einst wird in einigen Jahren oder Jahrzehnten in neuem Glanz erblühen. Man soll die Hoffnung bekanntlich niemals aufgeben.

Havanna – Die neue Kunst, Ruinen zu bauen

Kuba, das sind heute vor allem medial tausendfach wiederholte Kitsch-Klischees von Rum, Zigarren, marodem Charme, amerikanischen Straßenkreuzern und alten Herren, die ungeachtet ihrer Gebrechlichkeit immer noch den Rhythmus im Blut haben.
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Meinungen

· 29.03.2007

eine völlig neue sicht auf cuba!