Green Zone

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Ein Land im Taumel

Wie war das noch mal mit den Massenvernichtungswaffen im Irak? Irgendwie Fehlanzeige, obwohl die angeblich akute Bedrohung als Begründung für den Krieg herhalten musste. Wer da wen getäuscht hat, wird man in Wirklichkeit vielleicht nie erfahren. Aber wie es gewesen sein könnte, davon erzählt Regisseur Paul Greengrass (Die Bourne Verschwörung, Das Bourne Ultimatum) in einer ebenso spannenden wie authentischen Weise. Auch wenn der spezielle Mix aus Fiktion und Realität diesmal weniger überzeugt als in Flug 93.
Bagdad im Jahr 2003, vier Wochen nach der Bombardierung und dem Einmarsch der Amerikaner. US-Offizier Roy Miller (Matt Damon) sucht mit seinem Trupp von Elitesoldaten nach den geheimen Waffenarsenalen des gestürzten Diktators Saddam Hussein. Die Soldaten haben vom Pentagon präzise Lagepläne der Todesfallen bekommen, gestützt auf einen mysteriösen Informanten. Das Problem ist nur: Statt chemischer Keulen finden Miller und seine Leute eine Toilettenfabrik. Bei der dritten Fehlanzeige platzt dem eigentlich regierungstreuen Kämpfer der Kragen. Er stellt kritische Fragen. Mehr noch: Er sucht auf eigene Faust nach dem Grund für die falschen Infos. Spätestens jetzt ist Matt Damon in seiner unnachahmlichen Kombination von Naivität und Draufgängertum da, wo ihn jeder Thriller-Regisseur haben will: zwischen allen Stühlen, vom Feind genauso gejagt wie von den eigenen Leuten.

Der Action-Thrill funktioniert also, nicht nur dank einem starken Hauptdarsteller, sondern auch dank dem höllischen Tempo, mit dem Greengrass den Zuschauer gleich in der ersten Minute in den Taumel einer Stadt zieht, in der das pure Chaos herrscht. Überall nur Gefahr, Bedrohung, Heckenschützen, ein atemloses Gerenne ums nackte Leben.

Damit das alles tatsächlich so aussieht wie damals in Bagdad, hat sich Greengrass auf das Sachbuch des renommierten Washington-Post-Korrespondenten Rajiv Chandrasekaran gestützt. In „Imperial Life in the Emerald City schildert der Autor detailliert die Zustände in dem besetzten Land. Weitere Zeitzeugen waren Kriegsveteranen, mit denen die Nebenrollen besetzt wurden. Hinzu kamen Berater, die damals tatsächlich als Spezialisten für Massenvernichtungswaffen im Einsatz waren. Das alles verleiht den in Spanien, Marokko und England gedrehten Schauplätzen eine große Realitätsnähe. Ähnlich wie in Flug 93, wo er den Absturz der vierten Maschine vom 11. September rekonstruiert, hat Greengrass alles dafür getan, die fiktive Fantasie, wie es sich abgespielt haben könnte, so real wie möglich erscheinen zu lassen.

Allerdings unterscheidet sich Green Zone in einem wichtigen Punkt von der 9/11-Aufarbeitung. Bei Flug 93 resultiert der Thrill sozusagen automatisch aus der realen Situation, also daraus, dass damals Passagiere Widerstand leisteten gegen die Terroristen und damit zumindest verhinderten, dass die entführte Maschine in ein weiteres Gebäude flog. In Green Zone dagegen werden Handlungsstränge eingeführt, von denen man nicht genau weiß, ob sie nun den Erfordernissen des Genres geschuldet sind oder einen realen Hintergrund haben. Greengrass sagt, er habe keinen Film über den Irakkrieg machen wollen, sondern einen Thriller, der im Irak spielt. Aber die Geschichte ist so nah an der Realität, dass das nur gute Kenner der Kriegshistorie auseinanderhalten können. Somit sorgen die Stärken des Films auch für eine gewisse Irritation.

Green Zone

Wie war das noch mal mit den Massenvernichtungswaffen im Irak? Irgendwie Fehlanzeige, obwohl die angeblich akute Bedrohung als Begründung für den Krieg herhalten musste. Wer da wen getäuscht hat, wird man in Wirklichkeit vielleicht nie erfahren.
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