Gosford Park (2001)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Dienstag, 16. Juli 2013, WDR, 23:25

Während eines Jagdwochenendes der gehobenen Gesellschaft auf dem Landsitz Gosford Park im Jahre 1932 wird der Hausherr Sir William McCordle (Michael Gambon) tot aufgefunden, offensichtlich ermordet. Inspector Thompson (Stephen Fry) und sein Assistent Constable Dexter (Ron Webster) begeben sich daran, die Tat aufzuklären, können jedoch zunächst nur feststellen, dass McCordle vergiftet wurde, trotz der Stichwunde in seiner Brust, die seltsamerweise posthum entstanden ist. Doch Gosford Park von New Hollywood Regisseur Robert Altman aus dem Jahre 2001 stellt weitaus mehr dar als eine protagonistenreiche Kriminalgeschichte in einem bestimmten Milieu mit Ermittlung des Mörders, denn das dargestellte komplizierte Konglomerat von Herrschaften und Dienstboten birgt so manch fürchterliche Verwicklungen und ebensolche Vergehen …

Es war ein wahrer Nominierungs- und Preisregen inklusive einem Oscar für das Beste Drehbuch von Julian Fellowes, der seinerzeit für Gosford Park ausgeschüttet wurde, wobei das illustre, umfangreiche sowie geballt und differenziert aufspielende überwiegend britische Ensemble von Eileen Atkins über Bob Balaban, Stephen Fry und Helen Mirren, Clive Owen und Kristin Scott Thomas bis hin zu Maggie Smith, Emily Watson und James Wilby besondere Berücksichtigung erfuhr. Die enorme Leistung von Robert Altman, diese Schar an Schauspielern souverän und schlüssig durch ihre anspruchsvollen und detailliert ausgearbeiteten Rollen zu manövrieren, spiegelt sich gelungen in der filigranen Gesamtgestaltung des Films wider, der die brisante Thematik von Macht- und Klassenverhältnissen quer durch die Schichten und persönlichen Beziehungen auf beeindruckende Weise zu installieren versteht.

Gosford Park verlangt seinem Publikum immer wieder eine aufmerksame Konzentration ab, um die Komplexität zuvorderst der dialogischen Struktur zu erfassen, die das Motiv der Parallelität auch formal transportiert. Erscheinen während der Mordermittlungen zunächst beinahe alle Figuren verdächtig und verschiebt sich der Fokus zwangsläufig rasant, fördert die Dramaturgie stetig neue Geheimnisse und verborgene Verbindungen zu Tage, und diese Demaskierungen bilden die eigentliche Substanz dieses Dramas. Robert Altmans Tendenzen hin zu Distanz und Zerfall muten wie der Abgesang auf eine korrupte und korrumpierende Gesellschaft an, die sich wie ein zäher, verschworener und doch bröckelnder Moloch aufbäumt, um nach diesem flüchtigen, oppulenten und stilisierten Rausch in die Bedeutungslosigkeit abzugleiten – mit der Moral, dass ebendiese zum Teufel geht.
 

Gosford Park (2001)

Während eines Jagdwochenendes der gehobenen Gesellschaft auf dem Landsitz Gosford Park im Jahre 1932 wird der Hausherr Sir William McCordle (Michael Gambon) tot aufgefunden, offensichtlich ermordet. Inspector Thompson (Stephen Fry) und sein Assistent Constable Dexter (Ron Webster) begeben sich daran, die Tat aufzuklären, können jedoch zunächst nur feststellen, dass McCordle vergiftet wurde, trotz der Stichwunde in seiner Brust, die seltsamerweise posthum entstanden ist.

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Meinungen

Martin Zopick · 28.12.2022

Wenn der Regisseur nicht Großmeister Robert Altman wäre, könnte man diesen Film mit Nichtbeachtung in der Vergessenheit versenken. Doch dann macht zunächst einmal das riesengroße Staraufgebot hellhörig. Andererseits hätte nur ein wirklicher Könner wie er so einen Film machen können. Eine überaus prächtige Ausstattung sorgt für die Atmo im Schloss. Eigentlich passiert fast nichts. 90% sind Small Talk, gemischt mit albernen Gehässigkeiten, blasiertem Snobismus oder arrogantem Standesdünkel. Selbst ein Mord bleibt fragwürdig und die Anwesenden schenken ihm weiter wenig Beachtung. Man ahnt ein Motiv. Es bleibt aber ziemlich vage. Ist es ein Spiegelbild der englischen Gesellschaft vor dem 2. Weltkrieg? Die unheilvolle Aufspaltung in zwei Klassen? Eine dem Untergang geweihte Aristokratie? Von alledem ein bisschen. Mit leichter Hand inszeniert wartet man darauf, dass etwas passiert. Aber je länger das Warten andauert, desto ermüdender wird es.