Gefährten

Eine Filmkritik von Florian Koch

Tierische Liebe

Über die Gräuel des Krieges scheint filmisch bereits alles gesagt. Aber das hat Steven Spielberg nicht davon abgehalten mit Gefährten eine neue Herangehensweise an das Thema zu suchen. Der Starregisseur wählt für die schrecklichen Ereignisse des Ersten Weltkriegs in gewisser Weise einen „neutralen“ Standpunkt: Aus der Perspektive eines Pferdes, dem „War Horse“ Joey erzählt Spielberg episodenhaft, wie man sich auch in dieser dunklen Zeit einen Hauch von Humanität bewahren kann. Das Plädoyer für Menschlichkeit über Feindesgrenzen hinweg passt bestens in das Oeuvre des zweifachen Oscarpreisträgers. Ob die schamlose, sehr amerikanische, Emotionalisierung des spannenden Sujets nicht doch problematisch ist, steht auf einem anderen Blatt.

Ein kleines Kaff in der Einöde. Die Narracotts schuften hart, um auf ihrer Farm anständig leben zu können. Unglücklicherweise hat sich das engstirnige Familienoberhaupt Ted (Peter Mullan) mal wieder dazu hinreißen lassen, auf einer Auktion aufs Ganze zu gehen und ein Pferd für eine völlig überzogene Summe zu ersteigern. Nur sein Erzfeind Lyons (David Thewlis) kann über diese Aktion lachen. Denn wenn es Ted nicht bald gelingt aus dem Schuldenberg herauszukommen, kann er sich die Farm und das Grundstück der Narracotts unter den Nagel reißen. Nur einer glaubt an ein Wunder, Teds Sohn Albert (Jeremy Irvine), der sich liebevoll um den Sündenbock Joey kümmert. Ihre Tier/Mensch-Beziehung geht weit über das Normalmaß hinaus. Deswegen wiegt die Entscheidung auch umso schwerer, dass Ted trotz aller Teilerfolge des Sohnes, Joey zu Beginn des Ersten Weltkriegs an Captain Nicholls (Tom Hiddleston) verkauft. Während der Hengst in den Kriegswirren eine erstaunliche Odyssee durchläuft, macht sich Albert gegen den Willen des gebrochenen Vaters auf, das Pferd, seinen Freund, wiederzufinden.

Man traut seinen Augen kaum, wie Spielberg die Exposition von Gefährten erzählt. Wie in einem verkitschten Melodram aus den 1950er Jahren konstruiert er einen schablonenhaften Familienkonflikt, schwelgt in epischen Totalen und gibt John Williams ausreichend Gelegenheit mit süßlichen Streichern die Szenen zuzukleistern.

Mit der Sprache der Bilder, nicht der Worte will Spielberg hier davon erzählen wie der abgelehnte Junge Zugang und Zuflucht beim Tier findet. Doch die Mensch/Pferd Annäherungs-Szenen wirken so überzogen-bemüht, dass einem die Spucke wegbleibt. Der hölzerne Irvine hat dabei die undankbare Aufgabe, mit verzücktem Blick zu beobachten, wie sehr sich sein Joey Stück für Stück entwickelt und endlich an Bockigkeit einbüßt. Bei so viel aufgebauschter Pferdeflüsterer-Gefühlsduselei können nicht einmal die britischen Charakterdarsteller Peter Mullan und Emily Watson als besorgt-bemühte Ehefrau Akzente setzen.

Ausgerechnet der Kriegsausbruch führt dazu, dass Spielbergs Drama endlich an Fahrt und Klasse gewinnt. Joeys Episoden sind von unterschiedlicher Qualität, geben aber dennoch einen Eindruck darüber wie rücksichtslos Pferde in dieser (Un)Zeit zu fragwürdigen Zwecken verheizt wurden. Diese Tierquälerei, an der sich alle Kriegsparteien schuldig machten, veranschaulicht Spielberg glaubwürdig in einer Sequenz, als die Hengste an einem Waffentransport über einen Hügel hinweg fast zusammenbrechen. Hier gewinnt der Film eine realistische Härte, eine Klarheit in der Aussage, die man sonst vermisst.

In den einzelnen Episoden der für sechs Oscars, darunter den für den Besten Film, nominierten Produktion schlagen sich auch die deutschen Darsteller achtbar, auch wenn es unverständlich bleibt, warum die Befehle in der Originalversion in deutscher Sprache ertönen, während sich bei ruhigen Gesprächen die Soldaten auf Englisch unterhalten. Besonders David Kross ist hervorzuheben, der schon in Der Vorleser Eindruck in einer internationalen Produktion hinterlassen hat. Hier spielt er einen jungen Mann, der mit Hilfe von Joey seinen Bruder vor dem sicheren Tod im Grabenkampf retten will und bald als Deserteur gesucht wird.

Im Grabenkampf gelingt Spielberg dann auch die beeindruckendste Szene seines mit viel zuviel Pathos aufgeladenen Films. Da gibt es nicht nur eine wunderbare Referenz an Stanley Kubricks Wege zum Ruhm, sondern auch eine wirklich bewegend-intime Sequenz wie man sie so nicht einmal bei Der Soldat James Ryan gesehen hat. Joey tobt durch die Schützengräben und versucht vor dem Waffenlärm davonzugaloppieren, dabei verhakt er sich leider im Stacheldraht, so wie es vielen Pferden im Ersten Weltkrieg ergangen ist. Und plötzlich gibt es zwischen den Fronten einen kurzen Waffenstillstand, damit der Hengst von einem deutschen und einem englischen Soldaten von dem schmerzhaften Draht befreit werden kann. Es ist ein Moment der Stille, des Innehaltens und der Erkenntnis wie sinnlos der verlustreiche Kampf doch ist.

Gefährten basiert auf dem gleichnamigen, mit mehreren Tony Awards prämierten Theaterstück, in dem die Pferde noch als Puppenfiguren dargestellt wurden. Spielberg setzt in seinem aufwendigen Gefühlsfilm auf echte Pferde, die von zahlreichen Tiertrainern betreut wurden. Dennoch gelingt es ihm erst nach langem Anlauf auch echte Gefühle zu erzeugen. Zu plakativ ist die Figurenzeichnung, zu schwerfällig die Dramaturgie. Dennoch bleibt es bemerkenswert, dass man in der heutigen Zeit ein so hemmungslos altmodisches, fast naives Filmwagnis eingeht.
 

Gefährten

Über die Gräuel des Krieges scheint filmisch bereits alles gesagt. Aber das hat Steven Spielberg nicht davon abgehalten mit „Gefährten“ eine neue Herangehensweise an das Thema zu suchen. Der Starregisseur wählt für die schrecklichen Ereignisse des Ersten Weltkriegs in gewisser Weise einen „neutralen“ Standpunkt: Aus der Perspektive eines Pferdes, dem „War Horse“ Joey erzählt Spielberg episodenhaft, wie man sich auch in dieser dunklen Zeit einen Hauch von Humanität bewahren kann.

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Meinungen

Sandra · 24.02.2012

Was mich ärgert, dass dieser Film nicht in den Kinos läuft und wenn was läuft, dann sehr spät in Würzburg... Da kann man nicht mehr nach Hause mit dem Zug bzw. Bus fahren....