Zwei Mütter

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Zwei Frauen und (k)ein Baby

Künstliche Befruchtung mit Hilfe einer Samenspende ist bei gleichgeschlechtlichen Paaren in Deutschland eine rechtliche Grauzone. Daher bleibt lesbischen Frauen mit Kinderwunsch, selbst wenn sie in einer stabilen Beziehung oder Ehe leben, der Zugang zu Samenbanken oft verwehrt. Einen Ausweg bietet wie so oft das Internet, wo ein Markt für privaten Spermahandel entstanden ist. Mit Hilfe des gespendeten oder verkauften Spermas können Frauen die Insemination in den eigenen vier Wänden vornehmen, setzen sich jedoch der Gefahr von Infektionskrankheiten wie HIV aus. Als Filmstudentin Anne Zohra Berrached zufällig auf diese Thematik aufmerksam wurde, beschloss sie, darüber einen Spielfilm zu drehen, den sie nun unter dem Titel Zwei Mütter auf der Berlinale 2013 in der Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ vorstellte und damit prompt den „DFJW-Preis Dialogue en perspective“ gewann.
Das lesbische Ehepaar Katja (Sabine Wolf) und Isabella (Karina Plachetka) wünscht sich ein Kind. Nachdem sie endlich eine Samenbank und einen Arzt gefunden haben, der bereit ist, sie zu behandeln, investieren sie ihr gesamtes Erspartes in elf vergebliche Inseminationen. Um sich keine weiteren Schulden aufzuladen, beschließen Katja und Isabella fortan im Internet nach einem Samenspender zu suchen. Doch auch dieser Weg gestaltet sich als problematisch: Einige Männer lehnen eine Becherspende ab und bestehen auf den „natürlichen“ Weg der Befruchtung. Während Isabella, die das Kind austragen möchte, anhaltend für die Idee der Familiengründung brennt, beginnt sich Katja mehr und mehr von ihrer Freundin zu entfremden. Was als gemeinsames Herzensprojekt beginnt, droht später die Liebe der Frauen zu gefährden.

Regisseurin Anne Zohra Berrached legt in ihrer Inszenierung viel Wert auf Authentizität. Abgesehen von den beiden Hauptdarstellerinnen übernehmen hier Laien ihre eigenen Rollen. Egal ob es sich um Ärzte oder Samenspender handelt – fast alle Figuren im Film spielen sich selbst. In Kombination mit der Verwendung natürlichen Lichts wirkt „Zwei Mütter“ daher stellenweise dokumentarisch. Nur das Schauspiel von Karina Plachetka mag manchmal nicht so ganz in dieses Konzept passen. Ihre sehr emotionale Darstellung der Isabella erzeugt zuweilen den Eindruck von Overacting und verleiht ihrer Figur eine unpassende Naivität. So gefährdet sie auch den Respekt des Zuschauers gegenüber Isabellas Kinderwunsch und ihren unermüdlichen Anstrengungen, diesen Traum wahr werden zu lassen.

Zwei Mütter weiht sein Publikum in einen Bereich ein, der für viele Neuland bedeutet. Die Hürden, die gleichgeschlechtliche Paare auf dem Weg zum eigenen Kind überwinden müssen, dürften vielen Zuschauern unbekannt sein. Dann aber wieder sind die Probleme von Katja und Isabella universell. Während Isabella sich mehr und mehr in ihren Kinderwunsch hineinsteigert, verliert ihre Ehefrau den Kontakt zu ihr und den gemeinsamen Plänen. Diese Beziehungsdynamik ist kein Problem homosexueller Paare, sondern tritt in ähnlicher Form ebenfalls in heterosexuellen Partnerschaften auf. Auch dass Katja sich in dem Prozess der Insemination zunehmend als Außenstehende empfindet, weil sie weder die Schwangere noch der Spender ist, stellt ein Problem aller Paare dar, die auf diesem Wege eine Familie gründen wollen. So bietet Anne Zohra Berrached Identifikationsfläche für ein breites Publikum, ohne ihre Thematik aus den Augen zu verlieren. Es ist jedoch ein wenig schade, dass sie den spezifischen Problemen ihrer Protagonistinnen als homosexuelles Paar, wie beispielsweise die Rechtfertigung des Kinderwunsches dem sozialen Umfeld gegenüber, nicht mehr Aufmerksamkeit schenkt. Überhaupt inszeniert sie Katja und Isabella weitgehend ohne soziale Kontakte, so dass weder Freunde, Kollegen noch Verwandte in diesem Kontext eine Rolle spielen.

Ein weiteres Problem von Zwei Mütter ist der Humor. Anne Zohra Berrached verleiht ihrem Film bewusst eine absurde Komik, um die Tragik der Geschichte immer wieder zu durchbrechen. Zwar verhindert sie damit eine zu starke Dramatisierung der Ereignisse, gefährdet jedoch auch ihre Botschaft. Wenn der Zuschauer die Ausreden der Samenbanken oder die Suche nach Samenspendern als „lächerlich“ abtut, droht ihm der Ernst der Sache zu entgehen. Es ist bedauerlich, dass Anne Zohra Berrached hier ihre eigene Botschaft unterwandert.

Vielleicht ist die komödiantische Nuance aber auch der richtige Weg, um ein breiteres Publikum zu erreichen. Zwei Mütter besitzt in jedem Fall das Potential, seine Zuschauer zu berühren und für sein Thema zu sensibilisieren und stellt somit ein gelungenes Kinodebüt der Nachwuchsregisseurin Anne Zohra Berrached dar.

Zwei Mütter

Künstliche Befruchtung mit Hilfe einer Samenspende ist bei gleichgeschlechtlichen Paaren in Deutschland eine rechtliche Grauzone. Daher bleibt lesbischen Frauen mit Kinderwunsch, selbst wenn sie in einer stabilen Beziehung oder Ehe leben, der Zugang zu Samenbanken oft verwehrt. Einen Ausweg bietet wie so oft das Internet, wo ein Markt für privaten Spermahandel entstanden ist.
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Meinungen

eule · 31.05.2013

Ein ausgezeichneter Film über einen sich verselbständigenden Kinderwunsch und seine Auswirkung auf die Paarbeziehung.
Schon im Titel ist das ernüchternde Fazit enthalten: Zwei Mütter und ein Kind, das geht nicht.