Zorniges Land

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Gefangen in der Provinz

Filme wie Winter’s Bone oder Joe – Die Rache ist sein sind Beispiele für einen nach wie vor anhaltenden Trend im amerikanischen Independent-Kino, der seinen Blick auf abgeschiedene Landstriche und deren hartgesottene Bewohner lenkt. In diese Kerbe schlägt auch der Spielfilmdebütant David Burris mit seinem country noir Zorniges Land, einer Adaption des Ron-Rash-Romans The World Made Straight. Gute Ansätze sind dabei nicht zu leugnen. Wirklich zurande kommt der Regisseur mit seinem komplexen Material aber nicht.
Die Appalachen in North Carolina während der 1970er Jahre: Die Schule hat er abgebrochen, mit seinem Vater gibt es ständig Streit, und das eintönige Provinzleben kotzt ihn zunehmend an. Eigentlich sollte der Teenager Travis Shelton (Jeremy Irvine) das Weite suchen, doch dem jungen Mann fehlt schlichtweg eine aussichtsreiche Perspektive. Als er eines Tages beim Angeln über eine Marihuana-Plantage stolpert, kommt zumindest etwas Schwung in sein eintöniges Dasein. Auf Anraten seines Rumtreiber-Kumpels Shank (The Sixt Sense-Star Haley Joel Osment) verkauft er einen geklauten Strauch an den früheren Lehrer Leonard Shuler (Noah Wyle), der gemeinsam mit seiner Freundin Dena (Minka Kelly) in einem einfachen Wohnwagen haust und sich mit kleinen Drogengeschäften über Wasser hält.

Travis will aus seiner Entdeckung weiteren Profit schlagen und macht sich daher erneut an der Anpflanzung zu schaffen, tritt dieses Mal allerdings in eine Bärenfalle und wird vom skrupellosen Plantagenbesitzer Carlton Toomey (Steve Earle) aufgegriffen. Statt ihn zu töten, schärft der Drogenhändler dem Jugendlichen ein, zu schweigen, und setzt ihn schließlich vor dem örtlichen Krankenhaus ab, wo Travis während seiner Genesung der schüchternen Krankenschwester Lori (Adelaide Clemens) näherkommt. Da ihn sein Vater nach der Entlassung erst einmal nicht zu Hause sehen will, versucht der Teenager bei Leonard sein Glück und bittet ihn um eine vorübergehende Bleibe. Der ehemalige Lehrer willigt ein, baut schon bald ein vertrauensvolles Verhältnis zu seinem neuen Mitbewohner auf und bringt ihm die grausame Bürgerkriegsgeschichte der Region näher, bei der auch Travis‘ Familie eine entscheidende Rolle spielte. Dena fühlt sich unterdessen vernachlässigt und gibt sich dummerweise mit dem unberechenbaren Carlton ab.

Über den ersten Bildern der Romanadaption liegt ein schwermütiger, nachdenklicher Voice-Over-Kommentar, der auf das beschwerliche Leben in den Appalachen verweist und den Erzählrhythmus des Films vorwegnimmt. Burris und Drehbuchautor Shane Danielsen entfalten die Geschichte langsam und unaufgeregt und sind um eine unterschwellig brodelnde Stimmung bemüht. Das 1970er-Jahre-Setting wirkt authentisch. Und die Figuren erscheinen durchaus reizvoll. Richtig fesseln können sie jedoch nicht, da die Verknüpfung der unterschiedlichen Handlungsstränge zu selten gelingen will.

Auch wenn sich die Beziehung zwischen Travis und seinem Mentor Leonard halbwegs glaubhaft entspinnt, fehlt es den Exkursen in die Zeit des US-amerikanischen Bürgerkriegs an Überzeugungskraft. Immer wieder wird im Dialog darauf hingewiesen, dass sich die beiden Männer geradezu obsessiv in die blutige Geschichte der Gegend vertiefen. Warum genau sich der Teenager plötzlich für das Schicksal früherer Familienmitglieder interessiert, lässt sich aus dem Gezeigten aber nur bedingt ableiten. Während die langsam aufkeimende Liebe zwischen Travis und Lori für einige feinfühlige Szenen sorgt, binden die Macher Leonards tragische backstory reichlich holprig in das übrige Geschehen ein. Verschenktes Potenzial offenbart auch die absehbare Konfrontation mit dem lokalen Drogenbaron Carlton, die trotz einer charismatischen Darbietung von Country-Sänger Steve Earle eher unmotiviert und wenig mitreißend daherkommt. Abgerundet wird das durchwachsene Gesamtbild von einem überpräsenten Musikeinsatz, der einer intensiven Atmosphäre spürbar im Wege steht. Wer ein wirklich beklemmendes und packendes Hinterland-Drama bevorzugt, sollte lieber auf den eingangs erwähnten Winter’s Bone von Debra Granik zurückgreifen, mit dem Shootingstar Jennifer Lawrence 2010 der große Durchbruch gelang.

Zorniges Land

Filme wie „Winter’s Bone“ oder „Joe – Die Rache ist sein“ sind Beispiele für einen nach wie vor anhaltenden Trend im amerikanischen Independent-Kino, der seinen Blick auf abgeschiedene Landstriche und deren hartgesottene Bewohner lenkt. In diese Kerbe schlägt auch der Spielfilmdebütant David Burris mit seinem country noir „Zorniges Land“, einer Adaption des Ron-Rash-Romans „The World Made Straight“.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen