Whatever Happens (2017)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Vom Verlieren und Finden der Liebe

Die Wohnung ist leergeräumt, Umzugskartons müssen gepackt werden, die Wände warten auf die Farbe. Hannah sitzt vor ihrem Krempel und weiß nicht, was sie wegwerfen soll. Hier geht etwas in die Brüche, etwas Wichtiges. Gehört die Leonard-Cohen-Platte (und der Plattenspieler) ihr oder ihm? Whatever Happens ist ein Beziehungskammerspiel, in dem Niels Laupert zusammen mit seinen Figuren Hannah (Sylvia Hoeks) und Julian (Fahri Yardim) die gemeinsame Wohnung nicht wirklich verlässt.

Denn mit dieser Wohnung hatte alles angefangen, sieben Jahre vorher: Überfüllter Besichtigungstermin, Julian wollte eigentlich die Wohnung als WG mit seinen Kumpels. Der Vermieter sieht ihn mit Hannah, kleines Missverständnis – und schon haben die beiden als vermeintliches Paar den Zuschlag. Eine ungewollte Wohnungsgemeinschaft, zunächst stehen sich beide im Weg, gehen sich gehörig auf die Nerven. Doch wie es so ist: Mit der räumlichen Annäherung geht auch eine körperliche Annäherung einher und sie werden glücklich als Paar. Ja, sie stiften auch anderen Glück, wenn sich Julians Kumpel auf einer Party in eine fußballverrückte Nora verguckt … Alles könnte schön sein, ein Kind ist unterwegs, und auch der Film könnte richtig glücken, dynamisch schneidet Laupert vom Finden der Liebe zur Trennung, zum Auszug.

Doch dabei hapert es dann. Allmählich kommt heraus, dass der Abschied von der leeren Wohnung der Gegenwart ausgerechnet an Silvester stattfindet, und das ist nun wirklich unplausibel: Wohnungsübergabe am letzten Tag des Jahres, an dem eigentlich auch noch die Maler hätten kommen sollen; zudem ist die Tochter auf einem Kindergeburtstag und Georg und Nora feiern Polterabend. Hier wird die Glaubwürdigkeit der filmischen Konstruktion mehr als gedehnt, sie kriegt Risse, sie bricht … Zumal auch mehr und mehr der Aufbau der Beziehung in der Vergangenheit seinen ästhetischen Nervfaktor bekommt: Kameraeinstellungen wie aus dem Werbeprospekt, Schönheit im Gegenlicht, sogar der Liebesakt im engen Badezimmer bekommt durch das kleine Fenster eine David-Hamilton-Gedenk-Lichtsetzung.

Und je länger die Beziehung fortschreitet, desto mehr leben sich Hannah und Julian auseinander, und zwar deshalb, weil er als freischaffender Fotograf zuhause bei der Tochter bleibt und sie als Business-Beraterin Karriere macht, immer wieder nach Frankfurt pendeln muss und ihre Tochter kaum kennt. (Als Consulterin gehört sie übrigens zu den Guten, weil sie sich um Nachhaltigkeit und Umwelt kümmert!) Die große Frage ist: Wäre diese Geschichte erzählenswert mit umgekehrter Geschlechterverteilung? Wenn sie zuhause bliebe, glücklich mit der Tochter den Alltag durchmachte und nur ab und zu einem verpassten Fotoauftrag nachtrauerte – wer würde nicht gerne mal die Rolling Stones ablichten? Und wenn er dafür seinem Beruf nachginge, tagelang wegbliebe wegen seiner Karriere, sich von Tochter und Partner entfremdete?

Ein latentes Unbehagen schleicht sich bei Lauperts Figurenkonstellation ein, er zeichnet die Frau als Zerrissene zwischen Karriere und Kind, die an ihren eigenen Ansprüchen scheitert. Und letztendlich ist sie halt irgendwie selber schuld, wenn sie alles zugleich und zu 100 Prozent will! Während Julian mit leichtem Schritt durchs Leben läuft und stets ein Lächeln zwischen Charme und Flirt auf den Lippen trägt … Dass die Beziehung auf diese Weise schiefgehen muss, liegt auf der Hand, ist deshalb wenig überraschend oder spannend. Ärgerlich dann, wenn am Ende ein Happy End angedeutet wird.

Mit seinem Debütfilm Sieben Tage Sonntag hatte Laupert 2007 bewiesen, dass er Thema, Emotion und Spannung halten kann, ein Film über zwei verlorene Gestalten inmitten unwirtlicher Wohnlandschaften, die nichts zu tun haben und darum genau das Falsche tun. Seine inszenatorische Energie verpufft nun in Whatever Happens; das Positivste im Film ist, dass Fahri Yardim nicht als Türke besetzt ist: Eine Seltenheit im Film, der oft genug eben doch nach Herkunft und damit nach Klischee besetzt.
 

Whatever Happens (2017)

Die Wohnung ist leergeräumt, Umzugskartons müssen gepackt werden, die Wände warten auf die Farbe. Hannah sitzt vor ihrem Krempel und weiß nicht, was sie wegwerfen soll. Hier geht etwas in die Brüche, etwas Wichtiges. Gehört die Leonard-Cohen-Platte (und der Plattenspieler) ihr oder ihm?

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