What happened to Monday? (2017)

Eine Filmkritik von Lucas Barwenczik

Zukunft ohne Vision

Geschichten von totalitären Systemen sind Geschichten von zersplitternden Menschen. Wem Meinung, Zugehörigkeit oder die reine Existenz zur Gefahr werden, der zerfällt, mindestens in einen privaten und einen öffentlichen Teil. Karen Settman bricht, sobald sie sich vor der Welt in das Refugium der eigenen vier Wände gerettet hat, in gleich sieben Fragmente. Oder genauer: Die sieben Settman-Schwestern (alle gespielt von Noomi Rapace) – jede benannt nach dem Wochentag, an welchem sie das Haus verlassen darf – bilden gemeinsam eine einzige öffentliche Person. Eine fleißige, angepasste und funktionierende Bankangestellte. Einen Kollektivmenschen, der jede Erfahrung mit dem Rest von sich selbst teilen muss, um glaubwürdig als Ganzes auftreten zu können.

In Tommy Wirkolas Science-Fiction-Thriller What Happend to Monday haben genetisch veränderte Lebensmittel den Menschen hyperfertil und Mehrlinge zur Regel gemacht. Die Kunstfigur Karen ist eine Erfindung von Vater Terrence Settman (fast nur ein Gastauftritt: Willem Dafoe). Der möchte seine Töchter vor der mitleidlosen Ein-Kind-Politik schützen, mit der die Regierung auf die dramatische Überbevölkerung reagiert. Über drei Jahrzehnte lang glückt das Versteckspiel, bis eines Tages Monday verschwindet und dadurch rückwirkend auch das System „Karen“ mit all seinen Zwängen in Frage stellt. Regierungstruppen des „Child Allocation Bureau“ jagen die sechs verbleibenden Schwestern. Sofort steht die Frage im Raum, ob die Abhandengekommene den Schergen der CAB-Vorsitzenden Nicolette Cayman (Glenn Close) in die Hände gefallen ist – oder sie ihre Schwestern an ebendiese verraten hat, um als einzig verbleibende Karen leben zu können.

In den wenigen interessanten Momenten des Films bekommt man den Eindruck, einen inneren Konflikt externalisiert vor sich zu sehen. Karen trägt Subversive und Kollaborateurin, Denkerin und Kämpferin in sich, doch unter den gegebenen Bedingungen kann nur eine Version ihrer Selbst überleben. Noomi Rapace arbeitet mit Perücken, Kostümen und Rollenbildern wie „Hacker“ oder „Kampfsportlerin“, um allen Schwestern eine Identität zu verleihen, die sich in jeder Lebenssituation, vom Dialog bis hin zum Faustkampf, offenbart. Das gelingt in Teilen. Es liegt durchaus ein Reiz in der Erfahrung, eine Darstellerin auf sich selbst reagieren zu sehen. Durch die Nebeneinanderstellung wird deutlich, wie Rapace bestimmte Rollen anlegt, wie sie ihre Körperhaltung und Gesichtszüge anpasst, um unterschiedlichen Lebensentwürfen Ausdruck zu verleihen. Natürlich bleibt das Gefühl, einem Schauspiel-Stunt beizuwohnen, einer den neuen technischen Möglichkeiten entwachsenen Kuriosität auf dem Level von Orphan Black oder Eddie Murphys Der verrückte Professor.

Das liegt auch daran, dass die gesamte Prämisse dem Regisseur von Hänsel und Gretel: Hexenjäger und dem Nazi-Zombie-Streifen Dead Snow lediglich als Hintergrund dient, um einen handelsüblichen Thriller zu erzählen. Wirkola findet keine Bildsprache für die überbevölkerte Zukunft, es ist ein trüber Blick nach vorne ohne Vision. Wie aus dem Dystopie-Baukasten reiht er übermäßig vertraute Bildelemente aneinander, die entweder aus Vorbildern wie Minority Report und Blade Runner übernommen oder sehr hässlich sind. Formlos gleitet seine Kamera durch Budapester Straßen, die dank Computerbearbeitung aussehen wie computerbearbeitete Budapester Straßen. Die Implikationen der inversen Children-of-Men-Zukunft werden achtlos beiseite geworfen, während die Wochentage von gesichtslosen Polizisten durch mäßig spannende Schusswechsel und Schlägereien gejagt werden. Videospielartig mutet es an, wie stets eine der Schwestern zum Avatar der anderen wird, von ihnen mithilfe von Kameras und Übersichtskarten durch die Welt gelenkt wird, nur um im Todesfall wie das Extraleben einer Spielfigur verloren zu gehen. Nach dem Prinzip eines Agatha-Christie-Romans reiht sich Ableben an Ableben. In diesen oft schief in den Film ragenden Gewaltspitzen erkennt man die Trash-Vergangenheit des Regisseurs, ebenso wie an den gelegentlich etwas bemüht provokanten Wendungen der Handlung.

Genau wie die Hauptfigur zerfällt der Gesamtfilm in solchen Momenten in einzelne Splitter, die sich nicht fügen wollen. Totalitäre Glattheit und Pulp-Ästhetik stehen da wie die Ausgangsstoffe einer chemischen Reaktion, die niemals ausgelöst wird; ein Hauch schwarzer Humor liegt in der Luft, überlagert von süßlichen Schwaden aus Pathos. Auch Nebenstränge wie Mondays Beziehung zu dem CAB-Mitarbeiter Adrian (Marwan Kenzari) schlagen keine Funken. Die psychologische Ausleuchtung einer repressiven Familiensituation, die erdrückend umarmt, geht im Lärm der Feuergefechte unter. Der Schrecken einer inneren Diktatur, die Schutz vor der äußeren gewähren soll, gespiegelt auch in Nicolette Caymans autokratischer Bemutterungspolitik, wird nicht einmal indirekt verhandelt. Glenn Close spielt sie als eine etwas sedierte, farblosere Version ihrer Cruella De Vil.

Infolge dessen bleibt auch das Regime insgesamt beliebig. Der aufschlussreichste Moment jeder gelungenen Dystopie ist ihre Rechtfertigung durch einen Vertreter der Macht: Die Konfrontation mit dem hochintelligenten Mustapha Mond in Huxleys Schöne neue Welt, die pragmatische Grausamkeit von Parteimitglied O’Brien aus Orwells 1984. Sie stehen erschreckend monolithisch vor ihren zersplitterten Opfern. In ihrer Eloquenz betonen sie die Verführungskraft der Strukturen, die sie vertreten. Erst wenn Zweck und Mittel verständlich und sogar – am Rande der eigenen Weltanschauung — erstrebenswert erscheinen, kann auch der wahre Terror ihrer Ideologie begriffen werden.
 

What happened to Monday? (2017)

Geschichten von totalitären Systemen sind Geschichten von zersplitternden Menschen. Wem Meinung, Zugehörigkeit oder die reine Existenz zur Gefahr werden, der zerfällt, mindestens in einen privaten und einen öffentlichen Teil. Karen Settman bricht, sobald sie sich vor der Welt in das Refugium der eigenen vier Wände gerettet hat, in gleich sieben Fragmente.

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