Weltrevolution - Drahdiwaberl

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die wildeste, obszönste und anarchistischste Rock-Band der Welt - oder zumindest von Österreich

Wer in Österreich geboren und aufgewachsen ist, dem ist Drahdiwaberl sicher schon einmal begegnet. 1969 in Wien von Stefan Weber als Band gegründet, zählt die lose Formation, bei der der Frontmann fast die einzige Konstante darstellt, zu den heimlichen Institutionen einer Musikszene, die man sonst eher mit Volkstümelnd-Seichtem gleichsetzt. Und von Anfang an war Drahdiwaberl (der Name entstammt dem wienerischen Wort für „Kreisel“) auch stets ein Ärgernis, neben dem sich selbst Bürgerschrecke wie Hermann Nitsch und andere fast schon wie Chorknaben ausnahmen. Klaus Hundsbichlers Dokumentarfilm Weltrevolution – Drahdiwaberl hat die krude Combo und ihren genial-dilettantischen Frontmann Stefan Weber über viele Jahre mit der Kamera begleitet und versucht sich nun an einer Art Werkschau eines höchst disparaten, aber enorm unterhaltsamen Künstlerkollektivs, das statt auf Subtilität viel lieber auf Radau und handfeste Provokationen setzte. Es sei sein Ziel, so Weber einmal, „die wildeste, obszönste und anarchistischste Rock-Band der Welt“ zu gründen. Keine Ahnung, wie sich Drahdiwaberl im weltweiten Vergleich so halten; im an musikalischen Skurrilitäten jedweder Art nicht gerade armen Österreich sind die Mannen und Frauen um Weber schon seit gefühlten Ewigkeiten absolute Spitzenklasse.
The Mothers of Convention, The Tubes, Rammstein, Knorkator und andere Bands der Neuen Deutschen Härte sind die musikalischen Bezugsgrößen von Drahdiwaberl. Wobei es sich oft genug auch andersherum verhielt, dass die Österreicher einen nicht unerheblichen Einfluss auf Formationen wie die genannten hatten. Aber so wirklich einordnen konnte man Drahdiwaberl noch nie – außer vielleicht, dass es immer laut war und lustig, knallbunt und vor allem stets ein bisserl pervers, ziemlich schräg und absolut verrückt. Außerdem verdienten sich österreichische und internationale Stars wie Hans Hölzl (alias Falco) und die Jazz Gitti hier ihre ersten Meriten auf der Bühne. Doch das Bandkollektiv um Stefan Weber war nie nur eine Band, sondern stets viel mehr als das. Aus dem Dunstfeld des Wiener Aktionismus kommend, ging es auch um das Aufbrechen und Überschreiten von Grenzen und Beschränkungen, um Provokation und bewussten Tabubruch, um raubeinige Anklage der herrschenden Zustände und schließlich gar um die Titel gebende Weltrevolution. Klar, dass Drahdiwaberl mit ihren Aktionen (zum Beispiel die legendären „Mulatschaks“, also reale Gangbangs auf offener Bühne, bei denen die Akteure gerne mal die Masken bekannter Politiker trugen) häufig mit mindestens einem Bein im Knast standen. Doch auf der anderen Seite gab es auch mit Lonely zusammen mit Lukas „Kottan“ Resetarits einen echten Nummer 1-Hit, der die Band beinahe auseinander dividiert hätte. Denn zu viel Erfolg, das passt nicht so recht ins Weltbild des bekennenden Kommunisten Stefan Weber. Dann schon viel lieber hungrig bleiben und aufmerksam gegenüber all dem Mist, der in der Gesellschaft — zumal in der österreichischen — so vor sich geht.

Amüsieren kann man sich schon bei diesem Film, wirklich verstehen wird man ihn als Piefke aber eher nicht oder nur teilweise. Und das liegt nicht allein am Wiener Schmäh, sondern auch daran, dass in „Felix Austria“ die Uhren doch immer noch ein wenig anders ticken, die Kirche noch mehr Macht hat als hierzulande, die Politik noch ein Itzelchen schmieriger ist, die Seilschaften noch ein wenig undurchschaubarer. Genau das hat übrigens vermutlich dafür gesorgt, dass sich Drahdiwaberl trotz unzähliger Ankündigungen und der angeschlagenen Gesundheit Webers („I will a Dauererektion – I scheiß auf meinen Parkinson“, singt er einmal) immer noch wacker halten und wahrscheinlich bis in alle Ewigkeiten weitermachen werden —  oder zumindest bis zur versprochenen Weltrevolution. Wer sonst, so fragt man sich spätestens nach dieser sehr schrägen und höchst amüsanten Musikdokumentation, sollte die Fackel der Anarchie in Zukunft hochhalten und damit der Stachel im Fleisch der österreichischen Gesellschaft sein? Schade nur, dass es hierzulande nichts auch nur annähernd Vergleichbares gibt.

Weltrevolution - Drahdiwaberl

Wer in Österreich geboren und aufgewachsen ist, dem ist „Drahdiwaberl“ sicher schon einmal begegnet. 1969 in Wien von Stefan Weber als Band gegründet, zählt die lose Formation, bei der der Frontmann fast die einzige Konstante darstellt, zu den heimlichen Institutionen einer Musikszene, die man sonst eher mit Volkstümelnd-Seichtem gleichsetzt. Und von Anfang an war „Drahdiwaberl“ (der Name entstammt dem wienerischen Wort für „Kreisel“) auch stets ein Ärgernis, neben dem sich selbst Bürgerschrecke wie Hermann Nitsch und andere fast schon wie Chorknaben ausnahmen.
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