Vijay und ich - Meine Frau geht fremd mit mir

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Jenseits der Löffelchenstellung

Moritz Bleibtreu schlüpft gerne in die Rollen anderer Landsmänner. Dabei sind der Grieche Illias Kazantsakis in Soul Kitchen und der Italiener Giancarlo in Solino nur zwei von zahlreichen Beispielen. Es ist erstaunlich wie viele Nationalitäten sich problemlos auf Bleibtreus Gesicht projizieren lassen. Ist er selbst vielleicht profillos, eine weiße Wand und perfekte Projektionsfläche? Oder vielleicht im Gegenteil in seinem Schauspiel besonders vielseitig? Was auch immer der Grund sein mag, es überrascht uns weder, dass sich der deutsche Schauspieler in seinem neuesten Film als Inder ausgibt, noch, dass ihn der Turban ausgesprochen vorteilhaft kleidet.
In Vijay & Ich – Meine Frau geht fremd mit mir spielt Bleibtreu einen in New York lebenden deutschen Schauspieler, der seinen eigenen Tod vortäuscht, um in der Gestalt des Inders Vijay zu seiner Familie zurückzukehren und eine Affäre mit der eigenen Frau (Patricia Arquette als Julia) zu beginnen. Leider gestaltet sich bereits diese Prämisse als hoch problematisch, da auch Perücke und Selbstbräuner wohl kaum die Augen jener Dame täuschen können, die immerhin seit zwanzig Jahren mit Hauptfigur Will das Bett teilt. Regisseur Sam Gabarski versucht dieser Farce verzweifelt Glaubwürdigkeit zu verleihen. So haben Julia und Vijay beispielsweise nur im Dunkeln und in der Löffelchenstellung Geschlechtsverkehr, weil Frau auf diese Weise – so will der Film uns glauben machen — ihren langjährigen Liebhaber als solchen nicht erkennen kann. Aber so sehr sich Gabarski auch bemüht, zu keinem Zeitpunkt können wir wahrhaft glauben, dass Will mit seinen Verkleidungskünsten Ehefrau, Kinder, Kollegen und die eigenen Eltern hinters Licht führt.

Wenn man also schon die Voraussetzung für alle weiteren Handlungsabläufe nur schwer akzeptieren kann, dann gibt es kaum noch eine Chance, sich von der Geschichte mitreißen zu lassen. In der Folge wird Vijay& Ich – Meine Frau geht fremd mit mir zu einer langatmigen Geduldsprobe. Auch der Humor mag nicht so recht zünden, da Will mit dem Vortäuschen des eigenen Todes seiner Familie bewusst große Schmerzen zufügt. Wenn er auf seiner eigenen Beerdigung den Reden über sich selbst lauscht, kommt man nicht umhin, dies als im höchsten Maße unmoralisch und gar grausam zu empfinden. Es fällt schwer, mit jemandem zu sympathisieren, der ohne sichtbare Gewissensbisse nahestehende Menschen Schmerz und Trauer aussetzt.

Wills Entschluss, von seinem bisherigen Leben und den damit verbundenen Menschen Abschied zu nehmen, ist nur ansatzweise nachzuvollziehen. Zu kurz ist der Einblick, den Sam Gabarski uns in den Alltag seines Protagonisten erlaubt. Will ist beruflich und privat frustriert.. Der Irrglaube ausgerechnet an seinem 40. Geburtstag von allen vergessen worden zu sein, stürzt den Helden in eine tiefe Krise und setzt glaubwürdig gewisse Aggressionen frei, doch deren Ausmaß mag einfach nicht einleuchten. Warum hasst Will seine Frau und Tochter so sehr, dass er ihnen den Verlust eines geliebten Menschen zumutet? Warum bleibt er selbst im Angesicht ihrer Trauer weitgehend ungerührt? Und warum entscheidet sich Will trotz dieser Gefühlskälte, mit Julia eine Affäre zu beginnen? Auch die Läuterung des Helden wirkt konstruiert statt sich logisch aus den Ereignissen des Films zu ergeben. Von seinem Umfeld wird Will in ehrlichen Momenten als Egomane beschrieben, doch der kurze Blick, den man zu Beginn des Films auf seinen Alltag werfen kann, stellt vielmehr Julia als eine von ihrer Ehe distanzierte Karrierefrau dar. So überrascht es, dass der gesamte Filme auf die Läuterung der männlichen Hauptfigur ausgerichtet ist, während Julias Verhalten zu keinem Zeitpunkt kritisch hinterfragt wird.

Wieso eigentlich? Wieso ist es kein Skandal, dass Julia kurz nach dem Tod ihres Mannes schon eine Affäre beginnt? Wieso wird ihr Desinteresse am eigenen Ehemann, das den eigentlichen Grund für die Eskalation der Ereignisse liefert, weder thematisiert noch durch den Verlauf der Geschichte geahndet? Und wieso setzt die Zusammenführung der Ehepartner nicht auch eine Veränderung ihrer Person voraus?

Diese Fragen wiegen ebenso schwer wie die, warum Sam Gabarski, der Mann, der uns Irina Palm geschenkt hat, nun eine derart seichte Komödie präsentiert. Als Ganzes betrachtet könnte die Lösung in einem Perspektivwechsel zu finden sein. Vielleicht geht es in Vijay & ich – Meine Frau geht fremd mit mir gar nicht um den männlichen Helden, sondern um die weibliche Hauptfigur. Julia mag vorübergehend die Gehörnte sein, doch ihrer Trauer über den vermeintlichen Tod des Ehemanns gibt Sam Gabarski nur wenig Raum. Deutlich stärker konzentriert er sich auf ihre Entwicklung durch die sexuelle Beziehung zu Vijay. Die Frau, die zu Beginn vom Leben gestresst und in gewisser Weise gleichgültig wirkte, entwickelt wieder Leidenschaft – nicht nur für ihren Liebhaber, sondern durchaus auch für ihren Beruf. Das Ende des Films schließlich legt nahe, dass es bei Wills Verwandlung in den indischen Vijay gar nicht um die Abkehr von seinem früheren Leben geht, sondern viel mehr um die Bedürfnisbefriedigung seiner Frau. Will ist Vijay nicht um seiner selbst willen, sondern für Julia. In dieser Umkehrung traditioneller Rollenklischees liegt dann schließlich doch ein Fünkchen funktionaler Humor.

Ganz zum Ende des 90 minütigen Films kommt diese erfrischende Erkenntnis jedoch deutlich zu spät und kann nicht für die wenig unterhaltsame und unglaubwürdige Geschichte entschädigen, die der Kinozuschauer bis hierhin durchleiden musste.

Vijay und ich - Meine Frau geht fremd mit mir

Moritz Bleibtreu schlüpft gerne in die Rollen anderer Landsmänner. Dabei sind der Grieche Illias Kazantsakis in „Soul Kitchen“ und der Italiener Giancarlo in „Solino“ nur zwei von zahlreichen Beispielen. Es ist erstaunlich wie viele Nationalitäten sich problemlos auf Bleibtreus Gesicht projizieren lassen. Ist er selbst vielleicht profillos, eine weiße Wand und perfekte Projektionsfläche? Oder vielleicht im Gegenteil in seinem Schauspiel besonders vielseitig?
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