Uns geht es gut

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Die Müßiggänger

Fünf junge Leute, die wenig mit sich anzufangen wissen: Uns geht es gut erzählt von ihnen, und es ist programmatisch, dass sich keine durchgehende Handlung ergibt. Wenn sich nichts entwickelt, wenn sich kein Ziel ergibt, dann muss, dann darf man dramaturgisch auch nichts erzwingen. Es gibt kein Davor und kein Danach: Die Fünfer-Gruppe ist. Mehr nicht. Debüt-Regisseur Henri Steinmetz gelingt es dabei, die Spannungen innerhalb der Gruppe ebenso scharf zu zeichnen, wie er das Absurde ihrer Existenz schildert.
Nach einem kurzen Vorspiel – eine junge Frau und vier junge Männer ziellos im Wald, sie in altmodischem Miederkleid, die Jungs in schwarzen Anzügen, zu denen die kurzen Hosen so überhaupt nicht passen wollen – wird eine Kapitelüberschrift eingeblendet: „Tubbie bringt Marie zum Lachen, sucht sein Geld und gibt eine Bestellung auf.“ Genau das geschieht in den nächsten zehn Minuten. Wobei selbst diese angedeutete Handlung im Film noch reduziert wird, sie wird abgebogen und gegen den Strich gebürstet. Zumal wir zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen, wer Tubbie und Marie sind. Jedenfalls sitzt Franz Rogowski (seit Love Steaks und Victoria so etwas wie ein Star des jungen wilden Kinos in Deutschland) auf dem Bett und starrt brütend vor sich hin; vielleicht auch resigniert, vielleicht desillusioniert, vielleicht nur gelangweilt. Marie – das Mädchen der Truppe – setzt sich ihm gegenüber und muss lachen. Ohne aktive Mithilfe von Rogowskis Tubbie. Sein Geld wurde ihm von einem seiner Droogs geklaut, den macht er fertig auf vordergründig freundliche, aber vor allem bedrohliche Alphatier-Art. Dann machen sich die Fünf auf in ein Restaurant, wo sich ein absurder Dialog um die Speisekarte entspinnt und wo einer viel zu große Hemmungen hat, vor aller Augen ein Glas Wasser auszutrinken.

In dieser Art geht es weiter. Und es ist wunderbar. Denn hier werden die Pflicht zur Handlung, der Drang zur Psychologisierung, die Norm der Erwartung lustvoll zertrümmert, und etwas Neues, etwas Originelles und Unverhofftes entsteht: Ein Film, der irgendwo neben dem Üblichen steht und sich dabei in die Gehirnwindungen einschleicht. Weil auf reduzierte, auf stilisierte Art erzählt wird von großen Themen wie Freundschaft, Eifersucht und Verrat, von der Notwendigkeit des Geldes und dem schweren Weg dahin, vom Zerbrechen von Bindungen, von Jugend und vom Alleinsein in der Gruppe.

Alan Smithee wird als Drehbuchautor angegeben – normalerweise das Pseudonym dessen, der nicht genannt werden will, dessen Vorlage von Produktion und Regie ins Unkenntliche zerschlagen wurde. Nun liegen zwar die Produktionshintergründe dieses Filmes nicht offen – doch „Alan Smithee“ kann in diesem Film auch absichtsvoll das Verlassen der üblichen Drehbuchpfade andeuten, den Film als work in progress darstellen, das Überwinden von Vorgefertigtem zugunsten eines Endproduktes, das auch ganz anders hätte ausfallen können, das Ergebnis von Dynamiken ist, die weit über bloßes Verfilmen hinausgehen.

„Tubbie wird losgeschickt, liefert einen Koffer ab und macht eine Beobachtung“, so heißt das zweite Kapitel, und wir sehen seine vier Kumpel, die sich mit Maries hochhackigen Schuhen beschäftigen. Wenn einer dem anderen eine Zigarette anzündet, dann fliegen auch (wieder) die kleinen gefährlichen Funken zwischen den Figuren, die sich hier zusammengefunden haben, ohne wirklich im Inneren zusammenzugehören. Und aus den Rauchringen entwickeln sich Tanzbewegungen – denn den Filmfiguren ist alles gleich, sie hören auf kein tieferes Prinzip, sie folgen der Lust und der Laune. Irgendwann spritzt eine Ärztin (Angela Winkler) zwei jungen Zwillingsschwestern Botox, „Man sagt, Botox bringt ein kleines bisschen Glück“; zuvor hatte Tubbie durch einen einseitig durchsichtigen Spiegel, der wie in Traumlandschaften urplötzlich um die Ecke dastand, beobachtet, wie Kumpel Tim und Freundin Marie sich einander annähern – die daraus resultierende Rivalität ist so ungefähr der einzige durchgängige Handlungsfaden, an dem sich der Film entlanghangelt. Später wiederum wird Marie der Ärztin vom Kinderwunsch erzählen, von der Sehnsucht nach einer Heile-Welt-Familie – einer der raren Einblicke ins Seelenleben, der bezeichnenderweise auf eine Poolszene folgt, in der Marie peinlicherweise aus ihrem Slip blutet. „So einen Scheiß-Pool zu reinigen dauert einen Tag oder mehr!“, flippt einer der Jungs aus.

Zuvor sind sie im Wasser umhergetollt zu klassischer Tanzmusik – in solchen Momenten offenbaren sich die Leitlinien des Films: Oh Boy im Clockwork-Orange-Modus.

Uns geht es gut

Fünf junge Leute, die wenig mit sich anzufangen wissen: „Uns geht es gut“ erzählt von ihnen, und es ist programmatisch, dass sich keine durchgehende Handlung ergibt. Wenn sich nichts entwickelt, wenn sich kein Ziel ergibt, dann muss, dann darf man dramaturgisch auch nichts erzwingen.
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Meinungen

Herbert Schmidt · 03.02.2016

aufgrund der vorliegenden Besprechung habe ich mir gestern den Film angesehen, und kann nachvollziehen warum ein Pseudonym als Drehbuchautor angegeben wird...wer auch immer das Original Drehbuch geschrieben hat wollte wohl mit dem fertigen Produkt nicht in Verbindung gebracht werden...Der Film verbeugt sich vor einigen großen Meistern u.a. Stanley Kubrick etwas Fellini dem deutschen Autoren Kino der siebziger und ein wenig Jim Jarmusch.
Aber das zusammengewürfelte Ergebnis mag nicht zu überzeugen, ich dachte in fast jeder Szene das kenne ich schon und vor allem besser! Einzig die Schlussszene war herrlich gefilmt...schade drum...