True Story - Spiel um Macht

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Der Journalist und der Mörder

Eleganter wurde eine Scheußlichkeit selten gezeigt: True Story beginnt mit der Großaufnahme eines hellen Teddybären, der langsam nach unten fällt, wodurch der Hintergrund immer deutlicher zu erkennen ist. Er landet in einem Koffer, in dem ein dreijähriges Kind in seinem Schlafanzug liegt. Es folgt ein Schnitt. Im nächsten Bild ist dieser Koffer zu sehen, der ins Wasser geworfen wird. Schnitt. Der durchtränkte, nahezu aufgeweichte Koffer wird auf einem Metallwagen in einen Raum geführt, ein mit Kittel bekleideter Mann öffnet ihn – und damit ist klar, dass dieses Kind getötet wurde.
Es ist ein ökonomischer und poetischer Einstieg in Rupert Goolds Adaption des Buchs True Story, in dessen Verlauf sich immer wieder starke Bilder und gute Momente finden lassen. Erzählt wird die Geschichte der ungewöhnlichen Zusammenarbeit zwischen dem Journalisten Michael Finkel (Jonah Hill) und dem des Mordes an seiner Familie Verdächtigten Christian Longo (James Franco). Finkel hat gerade seinen Job bei der New York Times verloren, weil er in einer großen Geschichte unsauber gearbeitet hat und ist in seine Heimat zurückgekehrt, als er von einem Provinzreporter erfährt, dass sich Christian Longo bei seiner Verhaftung als New–York-Times-Reporter Mike Finkel ausgegeben hatte. Finkels Neugier und journalistischer Instinkt sind geweckt, er sucht Christian Longo im Gefängnis auf und sie beschließen, Longos Geschichte aufzuschreiben. Dieses Buch könnte für Finkel eine zweite Chance sein, Longo gibt vor, dass er von Finkel schreiben lernen möchte.

In der Folge entspinnt sich ein Spiel über die Wahrheit, über Geschichten und Glaubwürdigkeiten, in dem eine Vielzahl von Perspektiven stecken: die des Journalisten, der mit Wahrheit bisher wenigstens einmal fahrlässig umgegangen ist und nun einer Identitätskrise steckt; die des wegen Mordes Angeklagten, der mit einer guten Geschichte der Todesstrafe entgehen könnte; die des Mordes und seiner Hintergründe; die der Beziehung zwischen Journalist und Mörder und nicht zuletzt die von zwei Männern, die vorgeben, dass es ihnen um die Wahrheit geht.

Leider entscheidet sich Rupert Goold für keine diese Perspektiven und schwächt damit seinen Film: Indem er Finkels subjektive Sicht immer wieder durchbricht, verfällt der Zuschauer nicht dem Charisma des Psychopathen und vollzieht Finkels Verhalten nach, sondern zweifelt Longos Schuld zu keiner Zeit an. Dadurch steht außer Frage, dass Longo den Journalisten manipuliert, seine Beweggründe sowohl für sein Interesse an Finkel als auch für den Mord bleiben aber abgesehen von einer anzunehmenden Eitelkeit weitgehend offen. Darüber hinaus wird auch nur angedeutet, welche Folgen die Beziehung zwischen ihnen hat, obwohl sie sich Finkels Buch lebenslang miteinander in Verbindung gebracht werden. Zwar verdient Finkel mit seinem Buch Geld und macht sich einen Namen, aber er verhilft auch einem Mörder zur Berühmtheit. Über diesen Konflikt gibt es spannende, gute Filme (und Bücher), trotz einiger guter Bilder wird True Story aber niemals der Komplexität ähnlicher Filme wie bspw. Capote gerecht. Vielmehr werden die vielen moralischen und ethischen Fragen nur angedeutet.

Deshalb suggeriert True Story durch Kamera und Musik Spannung, die letztlich nicht entsteht, gelingt es auch den Hauptdarstellern Jonah Hill und James Franco nicht, Einblicke in ihre Figuren zu vermitteln, die über Selbstgerechtigkeit und Arroganz hinausgehen. Und auch die Funktion des kleinen Strangs mit Finkels Freundin Jill reduziert sich in einem emotionalen Moment. Somit bleibt True Story ein Thriller, der das Versprechen seines starken Einstiegs nicht einlöst.

True Story - Spiel um Macht

Eleganter wurde eine Scheußlichkeit selten gezeigt: „True Story“ beginnt mit der Großaufnahme eines hellen Teddybären, der langsam nach unten fällt, wodurch der Hintergrund immer deutlicher zu erkennen ist. Er landet in einem Koffer, in dem ein dreijähriges Kind in seinem Schlafanzug liegt.
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