The Way Beyond

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein filmischer Laborversuch in steriler Atmosphäre

Der Traum vom ewigen Leben und von einem Dasein ohne Krankheit und Schmerz ist eines der Themen, von denen Filmemacher einfach nicht wegkommen. Ob Jaco van Dormaels Mr. Nobody oder der im März startende Alles was wir geben mussten von Mark Romanek – immer wieder sind Unsterblichkeit und der Preis, den wir dafür zu zahlen bereit sind, die Grundlagen für großes Kino, das mitreißt und berührt. Auch Alex Iordachescu, ein junger Schweizer Regisseur mit rumänischen Wurzeln, widmet sich in seinem Langspielfilmedebüt The Way Beyond / L’enfance d’Icare dem faszinierenden Thema und macht daraus einen unterkühlten Science-Fiction, der kaum etwas mit anderen Filmen dieses Genres gemeinsam hat. Was sich leider auch über die Spannung der Geschichte sagen lässt.
Seit einem Motorradunfall, bei dem Jonathan Vogel (Gulillaume Depardieu) ein Bein verlor, leidet der Mann unter den Folgen. Zuerst wurde er seinen Job los, dann ging seine Frau. Ganz klar, Jonathan ist am Ende. Mit dem Mut der Verzweiflung lässt er sich in der im Wald gelegenen Klink des Gentechnikers Stivlas Karr (Carlo Brandt) behandeln. Dem Wissenschaftler war es vorher gelungen, abgetrennte Gliedmaßen bei Mäusen nachwachsen zu lassen, nun soll die Behandlungsmethode an menschlichen Probanden erprobt werden. Und Jonathan ist eines der Versuchskaninchen. Weil die Behandlung aber heftige Nebenwirkungen zeigt, will Jonathan das Experiment abbrechen. Doch er hat nicht mit den Finanziers der revolutionären Behandlungsmethode gerechnet, für die er durch seinen Widerstand zu einem ernsthaften Risiko wird. Einzig Alice (Alysson Paradis), die Tochter Karrs, die sich in den Patienten ihres Vaters verliebt hat, ist bereit, Jonathan zu helfen…

Auffällig sind vor allem die Parallelen zur ganz persönlichen Geschichte des Schauspielers Guillaume Depardieu: Wie Jonathan erlitt auch er Mitte der 1990er Jahre einen Motorradunfall, der ihn beinahe sein Bein gekostet hätte. Bei dem anschließenden Aufenthalt im Krankenhaus infizierte sich Depardieu mit dem Keim MRSA (Staphyloccocus aureus), was dazu führte, dass der Schauspieler 2003 nach jahrelangen, zum Teil unerträglichen Schmerzen sein Bein doch amputieren lassen musste. Letztlich ist auch dieses Bakterium dafür verantwortlich, dass Depardieu 2008 an den Folgen einer Lungenentzündung im Alter von gerade mal 37 Jahren verstarb. Wenn man all dies weiß, ahnt man schnell, warum Depardieu die Rolle des Jonathan als Herausforderung empfand, warum er diesen Film mit dieser Geschichte unbedingt machen wollte, machen musste.

Umso bedauerlicher, dass Alex Iordachescu bei seinem Regiedebüt trotz guter Ansätze und dem hohen Maß der Identifikation seines Protagonisten mit der Rolle wenig mit dem Stoff anzufangen weiß. Er habe sich, so der Regisseur, „der Elemente eines Genres bedient, ohne dessen Codes zu übernehmen“, notierte Iordachescu. „Ich habe versucht, mich bei der Inszenierung mit minimalem Schnitt einer nahezu klinischen Schlichtheit anzunähern. Wenn eine Szene mit einer bestimmten Einstellung funktionierte, ließ ich sie so lange laufen wie möglich. Dem Zuschauer soll keine Möglichkeit gegeben werden, sich dem Kunstgriff des Kinos zu entziehen.“ Im Falle von The Way Beyond bedeutet das aber leider auch, dass man den langen Einstellungen, den kargen Settings und der nicht immer mitreißenden Story, die nahezu alle Genrekonventionen vermeidet, ohne Filter ausgeliefert ist. Dem Film gereicht das nicht immer zum Vorteil.

Unterkühlt und oftmals ins Dunkel oder in Bilder voller steriler Kälte getaucht wirkt der Film selbst fast schon wie eine Versuchsanordnung, bei der die Emotionen (auch diejenigen des Zuschauers) unter einem dicken Eispanzer begraben sind. Über die Beziehung zwischen Jonathan und Alice und deren Motivation erfährt man fast nichts, über das Seelenleben des Patienten beinahe ebenso wenig. In der rein formalen Perfektion vieler Einstellungen und dem teilweisen hypnotischen Score der Schweizer Industrial-Legenden The Young Gods bleiben die Gefühle, die Liebe und die Verzweiflung stets nur Behauptungen, denen man sich als Zuschauer viel zu selten anschließen mag.

The Way Beyond

Der Traum vom ewigen Leben und von einem Dasein ohne Krankheit und Schmerz ist eines der Themen, von denen Filmemacher einfach nicht wegkommen. Ob Jaco van Dormaels „Mr. Nobody“ oder der im März startende „Alles was wir geben mussten“ von Mark Romanek – immer wieder sind Unsterblichkeit und der Preis, den wir dafür zu zahlen bereit sind, die Grundlagen für großes Kino, das mitreißt und berührt.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen