The Troll Hunter

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Ein dümmlicher Zauber legt sich auf die Welt

Trolle, das sind für die meisten Mitteleuropäer wohl eher putzige Gestalten, die man aus skandinavischen Büchern oder Filmen kennt – man mag an die putzigen Gestalten aus Ronja Räubertochter denken oder vielleicht an die Mumintrolle aus den Erzählungen der finnischen Schriftstellerin Tove Jansson. Aber solche Vorstellungen sind natürlich schon mehrfach gefilterte Vereinfachungen dessen, was Trolle in den Mythenwelten der skandinavischen Ländern vorkommen können, wo sie Gutenachtgeschichten ebenso bevölkern wie etwas herbere Erzählungen, die sich allenfalls für erwachsene Ohren eignen mögen.
Für seinen vermeintlichen Dokumentarfilm The Troll Hunter (im Original: Trolljegeren) hat sich der junge Regisseur André Øvredal daran gemacht, diese Figuren mit ihren vielen unterschiedlichen Erscheinungsformen filmisch konkret werden zu lassen. Drei junge und offenbar noch etwas unbedarfte norwegische Filmstudenten (Glenn Erland Tosterud, Tomas Alf Larsen und Johanna Mørck) sollen für ihre Hochschule einen kleinen Dokumentarfilm drehen und haben sich vorgenommen, der Frage nachzugehen, wer wohl für die illegal abgeschossenen Bären in ihrer Region verantwortlich sein könnte.

Recht bald fällt ihnen ein Mann mit sehr seltsamen Verhaltensweisen auf, den sie für den Wilderer halten und eine Weile mit ihrer Kameraausrüstung durchs Land verfolgen. Als sich die Studenten nicht abschütteln lassen, lädt Hans (Otto Jespersen) sie schließlich dazu ein, ihn nachts auf die Jagd zu begleiten, damit sie begreifen, worin seine eigentliche Arbeit besteht – und, ehrlich gesagt, kommt ihm das eh’ sehr entgegen, weil die Welt endlich sehen soll, unter welchen unzumutbaren Bedingungen er schuften muss.

Man ahnt da schon: Der Ton dieses Films ist nicht immer ganz ernsthaft, aber The Troll Hunter ist auch keine leichtfüßige Komödie mit sozialkritischen Untertönen. Stattdessen wechselt Øvredal immer mal wieder die Tonlage von ironischem Geplänkel über trockenen Humor zu plötzlich sehr blutigem Ernst. Hans’ Tätigkeit ist nämlich kein Zuckerschlecken: Er ist der einzige offiziell in Norwegen zugelassene (und zugleich von der Regierung stets geleugnete) Trolljäger. Seine Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Trolle in den ihnen zugewiesenen Gebieten im Norden bleiben und vor allem nicht in von Menschen bewohnte Regionen wandern.

Es hat womöglich kein gutes Ende genommen, diese Reise der Filmstudenten in die Welt des Trolljägers – darauf deuten schon die Texttafeln hin, die den Film einleiten. 283 Stunden ungeschnittenes Material seien den Machern zugespielt worden, man habe natürlich die Echtheit geprüft, so gut es ging, und anschließend 90 Minuten Film chronologisch zusammengefügt.

„Found Footage“ ist natürlich spätestens seit Blair Witch Project ein auch im Genrefilm gern verwandter Trick, um der filmischen Fiktion noch mehr Glaubwürdigkeit überzustülpen; in den letzten Jahren haben zudem vor allem der spanische [REC] und Matt Reeves’ Cloverfield auch dazu beigetragen, die technischen Möglichkeiten dieser Form weiter auszudehnen. Vor allem Cloverfield konnte – bei allen Schwächen der Erzählung – vor allem durch die nahtlose Verbindung von aufwendigen Spezialeffekten mit verwackelten Handkameraaufnahmen überzeugen.

Dass The Troll Hunter sich vor allem diesen knapp drei Jahre alten Film zum Vorbild nimmt, scheint zunächst offensichtlich; allerdings hat Øvredal doch eine dramaturgisch völlig andere Struktur im Sinn, bei der insbesondere visuelle und viszerale Sensationen nur eine Nebenrolle spielen. Die Trolle, der zentrale „Spezialeffekt“ des Films, werden schon recht früh auch in großer Ausführlichkeit gezeigt; auch geht es den Filmemachern nicht darum – womit sie natürlich die Entstehungsfiktion des Films verstärken – einen konventionellen Spannungsbogen zu erzeugen, an dessen Ende irgendeine Form von Auflösung wartet.

Stattdessen ist The Troll Hunter – zusammen mit Monsters von Gareth Edwards – der wahrscheinlich subtilste Monsterfilm der vergangenen Jahre, ein geduldiges Portrait einer Alternativrealität, die sich nur langsam und behutsam in unsere gewohnte Weltwahrnehmung schleicht.

Es ist dies der vielleicht aufregendste Zug an Øvredals Film: Ihm dabei zuzusehen, mit wie viel Liebe zum Detail Andeutungen und Veränderungen der realen Welt sich in den Film einschleichen, manchmal nicht näher erklärt, oftmals nicht genauer begründet werden: Offenbar hält Thymian die Trolle fern, die höchst unwirsch auf Christen reagieren (deren Anwesenheit sie erschnüffeln können), insgesamt aber dumm wie Stroh zu sein scheinen. Und die zwei Zusatzköpfe haben sie eigentlich nur, um die weiblichen Trolle zu beeindrucken. Eine romantische Verklärung dieser fantastischen Welt findet nämlich nicht statt: Trolle sind Lebewesen wie andere Tiere auch, mit bestimmten Bedürfnissen und Problemen, vor allem aber deutlich größeren Kräften. Deshalb muss jede Annäherung an die Wesen mit der Professionalität des Jägers vorbereitet werden, und eine kleine Blutabnahme wird leicht zum Horrortrip.

Nicht nur das Fantastische ist banal: Auch die Mitarbeiter der staatlichen Behörde, die die Existenz der Trolle vor der Bevölkerung vertuschen sollen, sind keineswegs coole „Men in Black“. Tote Bären dienen ihnen als Ablenkungsmanöver für die Presse, und als man einmal dabei zusehen kann, wie falsche Bärenfährten fabriziert werden, wird dies in all seiner armseligen Lächerlichkeit nicht einmal weiter kommentiert.

Wie eben überhaupt die trockene Haltung zum Sujet die entscheidende Stärke des Films ist. Die drei Protagonisten (von denen man den Kameramann naturgemäß fast nie zu Gesicht bekommt) blicken mit großem Staunen und gelegentlich fast kindlicher Begeisterung auf die sich erweiternde Welt um sie herum, und wir dürfen dabei zusehen. The Troll Hunter vertritt eine atemberaubend stille Form des Fantasyfilms, und danach sieht man die Welt mit ein wenig verzauberten Augen.

The Troll Hunter

Trolle, das sind für die meisten Mitteleuropäer wohl eher putzige Gestalten, die man aus skandinavischen Büchern oder Filmen kennt – man mag an die putzigen Gestalten aus „Ronja Räubertochter“ denken oder vielleicht an die Mumintrolle aus den Erzählungen der finnischen Schriftstellerin Tove Jansson.
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Meinungen

aserath · 27.08.2011

Ich fand den Film insgesamt klasse. Klar gibts hin und wieder stellen die besser hätten sein können oder in denen manches nicht unbedingt zusammenpasst, aber ist in sogut wie jeden Hollywood Film so. Für mich ist dieser Film der beweis das die Norwegische Filmindustrie ein sehr großes Potential hat, dass es noch zum ausschöpfen gilt. Davon könnte man sich in deutschland und österreich ein stück abschneiden.

Stroifler · 13.04.2011

Tolle Troll-Effekte, aber das wars dann auch, irgendwie fehlt dem Film was, und dann der schluß, mann mann mann, zwar tolle FX aber das Ende total blöd find ich.... aber wie soll eine solche "Fake-Doku" auch anders enden, hmm....

franzien · 08.04.2011

großartiger Film. leider zwischendurch mal ein wenig lang, aber das Ende entschädigt.

FrauFlinkwert · 17.02.2011

oh das liest sich toll, danke für den bericht. freue mich jetzt umso mehr darauf, den film anlässlich der fantasy filmfest nights zu sehen.