The Target (2014)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein asiatischer "Point Blank"

Der junge Arzt Tae-Joon (Lee Jin-Wook) und seine Frau Hee-Joo (Kim Sung-Ryung), die bis zum Mutterschutz im selben Krankenhaus wie ihr Mann als Therapeutin arbeitete, führen eine glückliche Ehe, die sich gerade in der Erwartung des ersten Nachwuchses offensichtlich noch einmal besonders harmonisch gestaltet. Im siebten Monat schwanger nimmt Hee-Joo gerade gemeinsam mit ihrem Mann eine Vorsorgeuntersuchung in der Klinik wahr, als Tae-Joon ein Notruf ereilt: Ein Patient mit einer Schussverletzung, den er zuvor versorgt und ordnungsgemäß bei der Polizei gemeldet hatte, muss nach einem zunächst unerklärlichen Abgleiten der Lebensfunktionen reanimiert werden. Damit beginnt für den Arzt und seine Frau ein gleichermaßen angsterfüllter wie aufreibender Höllentrip, denn sie geraten mitten in die brutalen Auswüchse habgieriger und mörderischer Korruption…

Mit The Target, der im letzten Jahr kurz nach seinem Kinostart in Südkorea bei den Filmfestspielen von Cannes außerhalb des Wettbewerbs im Rahmen der „Midnight Screenings“ aufgeführt wurde, hat der aus der Musikvideoproduktion stammende und nunmehr unter dem Künstlernamen „Chang“ agierende Regisseur Yoon Hong-Seung nach Death Bell – Tödliche Abschlussprüfung! / Gosa (2008) seinen zweiten Spielfilm realisiert. Als einstiger Söldner Yeo-Hoon, der seine kämpferische Profession aufgegeben hat, eigentlich mit seinem mental eingeschränkten jüngeren Bruder ein geregeltes Leben führen wollte und nun als gesuchter Mörder angeschossen auf der Flucht ist, tritt hier der südkoreanische Schauspieler Ryu Seung-Ryong (All About My Wife / Nae anaeui modeun geot) auf, der im Verlauf der aktionsreichen Geschichte mit dem ebenfalls unschuldig involvierten Arzt zu einem tragischen, doch handlungsmächtigen Team verwächst.

Als asiatische Variante des französischen Action-Thrillers Point Blank – Aus kurzer Distanz / À bout portant von Fred Cavayé aus dem Jahre 2010 orientiert sich The Target wohlweislich eng an dem vor allem in den USA recht erfolgreichen europäischen Ursprungsfilm und vermag sowohl die Geschichte als auch ihre Charaktere sowie den Transfer in einen anderen Kulturkreis ansprechend zu präsentieren. In einem düsteren Regenszenario beginnt die Jagd auf den noch ahnungslosen Yeo-Hoon, der von dem Arzt gerettet wird, dessen schwangere Frau bald darauf von seinem verwirrten Bruder entführt wird, der als Sündenbock des korrupten Chefermittlers Song (Yoo Jun-Sang) fungieren sollte – eine anfangs verwickelte, bewusst schleierhafte Dramaturgie, die erst im Verlauf der rasanten, gewaltträchtigen Geschehnisse die Positionen der Protagonisten im alten Spiel von Gut und Böse preisgibt. Mit der engagierten, rechtschaffenen Ermittlerin Young-Yoo (Kim Sung-Ryung) erscheint eine starke, autarke Frauenfigur auf der Bildfläche, die allerdings nur eine allzu kurze Zeit verweilt, doch diese Präsenz wirkungsmächtiger Weiblichkeit markiert Ausprägungen einer erfreulichen Entwicklung im asiatischen Actiongenre, die hier in tendenziellen Ansätzen durchaus zum Tragen kommt.

Am Ende versäumt es Regisseur Chang nicht, seinen Film gleich mit einem doppelten Epilog menschlich wie moralisch milde ausklingen zu lassen, was einerseits die Härte der Handlung kontrastiert und andererseits für einen positiven Abschluss sorgt, der die filigranen persönlichen Beziehungen der Figuren untereinander aufgreift und in eine optimistische Weltsicht münden lässt. Nicht zuletzt dieses Bemühen, der kämpferisch-aktionslastigen Konzentration dieses Films final noch einmal eine erzählerische, emotionale Komponente beizugesellen, das auch innerhalb der Geschichte bei Zeiten dezent durchdringt, verleiht The Target seine ungewöhnliche Atmosphäre zwischen kühler Kalkulation, hartem Heroismus und sanftem, unaufdringlichem Humanismus. Doch auch auf Grund der soliden Inszenierung und der pointiert veranstalteten physischen Rangeleien mag man diesen Chang im Auge behalten – nicht nur als Action-Regisseur.
 

The Target (2014)

Der junge Arzt Tae-Joon (Lee Jin-Wook) und seine Frau Hee-Joo (Kim Sung-Ryung), die bis zum Mutterschutz im selben Krankenhaus wie ihr Mann als Therapeutin arbeitete, führen eine glückliche Ehe, die sich gerade in der Erwartung des ersten Nachwuchses offensichtlich noch einmal besonders harmonisch gestaltet.

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