The Other Chelsea

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Der Fußball und die Milliardäre

Die Ukraine, ein Land in der Zerreißprobe? Gespalten in einen „guten“ Westteil, der der „Orangenen Revolution“ zum Sieg verhalf, und einen bösen Osten, wo die Ewiggestrigen der alten Sowjetunion nachweinen? So könnte man denken, wenn man die politischen Ereignisse der jüngsten Zeit verfolgt. Aber wie so oft ist die Wirklichkeit vielschichtiger, wie Dokumentarfilmer Jakob Preuss in seinem beeindruckenden The other Chelsea beweist, der beim Max-Ophüls-Preis in Saarbrücken zu Recht den Dokumentarwettbewerb gewann.
Jakob Preuss gelingt das Kunststück, den Zuschauer für eine Region zu interessieren, über die sich kaum etwas Spannendes erzählen lässt. Die Zechen der Millionenstadt Donezk sind zum Teil in einem katastrophalen Zustand, die Menschen fühlen sich zu Russland mehr hingezogen als zum Westen, in der Politik haben Apparatschiks das sagen und die eigentliche Macht liegt bei Oligarchen wie Rinat Achmetov, der sich ähnlich wie andere Milliardäre seinen eigenen Fußballklub leistet. Und das mit Erfolg. „Schachtjor Donezk“ gewann mit Achmetovs Geld und teuren brasilianischen Spielern 2009 den UEFA-Cup. Donezk hat also etwas mit anderen Kohleregionen gemein. Es ist so fußballverrückt wie Schalke oder Chelsea (daher der Titel).

In kluger Beschränkung konzentriert sich Jakob Preuss auf wenige Protagonisten. Da sind zum einen der 55-Jährige Kohlekumpel Sasha und seine lebenslustige Kollegin. Beide fahren immer noch zur heruntergekommenen Zeche Putislovskaya, obwohl es dort kaum etwas zu tun gibt. Der abgewirtschaftete Schacht bräuchte dringend eine Finanzspritze, denn es gibt noch genügend Kohle, die man abbauen könnte, wenn man in die Technik und die Sicherheit investieren würde. Die Hoffnungen ruhen auf dem Milliardär Achmetov. Würde der den staatlichen Schacht kaufen, ginge es aufwärts. Aber der heimatpatriotische Mäzen kümmert sich vor allem um seinen Fußballklub, durch den er die Region in der ganzen Welt bekannt machen will. Was soll ein leidenschaftlicher Fußballfan wie Sasha dagegen sagen?

Im Gegensatz zu den Kohlekumpels zählt Kolja zu den Gewinnern der postsozialistischen Ära. Der knapp 30-Jährige, ein Günstling Achmetovs, steht am Anfang einer Erfolg versprechenden Karriere. Der Jungspund weiß, wie man Strippen zieht in einer Region, in der man vor allem mit Sprüchen gegen die „Orangenen“ punkten kann. Kolja hat kaum eine Ahnung vom Fußball, lässt sich aber die VIP-Tribüne nicht entgehen.

Obwohl man vermuten kann, welcher Seite die Sympathien des Filmemachers gelten, zeichnet Jakob Preuss ein erfreulich differenziertes Bild. Ihm geht es spürbar nicht um eine Einteilung in Gut und Böse, sondern darum, Informationen zu liefern über eine Region, die im Westen kaum bekannt ist. Und die historischen und kulturellen Hintergründe zu beleuchten, die für die Vorbehalte gegenüber der Orangenen Revolution verantwortlich sind. Das gelingt ihm auf eine erfrischend unterhaltsame Art. Mit liebevoll eingestreuten Animationen macht er die Verhältnisse anschaulich, ohne sie unzulässig zu vereinfachen. Und mit der Chronologie der UEFA-Cup-Spiele von Donezk spinnt er einen Handlungsfaden, an dem sich die politische Analyse spannend aufreihen lässt. Dass der Fußball soziale Gegensätze verschleiert und die Menschen in ein vermeintlich gemeinsames Boot holt, sollte kein Anlass zu westlichem Hochmut sein. Offenbar ticken die Menschen überall ähnlich.

The Other Chelsea

Die Ukraine, ein Land in der Zerreißprobe? Gespalten in einen „guten“ Westteil, der der „Orangenen Revolution“ zum Sieg verhalf, und einen bösen Osten, wo die Ewiggestrigen der alten Sowjetunion nachweinen? So könnte man denken, wenn man die politischen Ereignisse der jüngsten Zeit verfolgt.
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Jakob Preuss · 14.12.2011

Die DVD ist da - pünktlich zu Weihnachten - siehe Homepage!