The Japanese Dog

Eine Filmkritik von Lutz Granert

Von der Armut auf dem Land

Keine Elektrizität, kein Telefon und ein marodes Haus, in das es hineinregnet: Betrachtet man das Leben von Costache (Victor Rebengiuc, auch im diesjährigen Berlinale-Wettbewerbsbeitrag Aferim! zu sehen) aus dem Blickwinkel einer wohlhabenden Industrienation, so führt der gebrechliche alte Mann ein entbehrungsreiches Leben wie in einer alten, vorindustriell anmutenden Zeit. Einkäufe erledigt er mit dem Handwagen in seinem kleinen rumänischen Dorf und nach dem Tod seiner Frau und einem Hochwasser, für das der Staat immer noch keine finanzielle Unterstützung zum Wiederaufbau an die Opfer gezahlt hat, überlegt er, ein Großteil seines Grundstückes zu verkaufen.
Sehnlich erwartet er die Rückkehr seines Sohnes Ticu (Serban Pavlu), auf den auch eine Lehrerin in der Nachbarschaft ein Auge geworfen hatte. Doch anstatt seinem Vater nach all den Jahren im Ausland bei der Gartenarbeit zu unterstützen und wieder bei ihm einzuziehen, bringt er seine japanische Frau Hiroko und Sohn Koji mit – für einen kurzen Urlaub. Denn Ticu will seinen Vater mitnehmen zu sich, will ihn dazu überreden, seine Heimat und sein altes Leben hinter sich zu lassen.

Bedächtig erzählt The Japanese Dog vom Alltag in einem kleinen Dorf in Rumänien, vom Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft, von Vergangenheitsbewältigung und von Familie. Regisseur Tudor Cristian Jurgiu offenbart sich in seinem Langfilmdebüt als Meister des Minimalismus, stellt bei seiner zurückhaltenden Inszenierung mit einem Minimum an künstlichem Licht und nahezu ohne Musikuntermalung das Vergehen der Zeit in den langen Einstellungen förmlich aus. Der lärmende und tänzelnde titelgebende Roboterhund, den Koji seinem Großvater schenkt und der sich als irritierendes Moment nicht so recht in das vorherrschende Realismus-Konzept fügen will, spiegelt dabei sowohl den Konflikt zwischen dem lauten und bewegten städtischen Leben und dem von Armut geprägten auf dem Land als auch den zwischen den Generationen. Damit offenbart The Japanese Dog seine Brisanz am Puls Zeit: die anhaltende Urbanisierung ist verbunden mit der Verheißung eines besseren, von moderner Technik durchzogenem Leben.

Warum der sehr menschliche und authentische Film auf dem diesjährigen Filmwochenende Würzburg außerhalb des Wettbewerbs lief, bleibt ein ungelöstes Rätsel, wäre ihm doch die Gunst des Publikums gewiss gewesen. Weniger verwundert dabei, warum The Japanese Dog als rumänischer Beitrag für den Oscar 2014 als „Bester nicht-englischsprachiger Film“ schon der Sprung auf die Shortlist verwehrt blieb: Zu zurückhaltend, zu subtil und leise erzählt er von der Armut in Rumänien. So spart er nämlich auch die Möglichkeit nicht aus, dass dieses einfache Leben von Costache mit seinen Momenten stiller Glückseligkeit auf der Veranda auch erfüllend sein kann. Von politischer Brisanz, von einem mutigen Drama kann keine Rede sein, dafür von einer bezaubernden, herzerwärmenden und authentischen Familiengeschichte fernab jeglichen Kitschs umso mehr.

The Japanese Dog

Keine Elektrizität, kein Telefon und ein marodes Haus, in das es hineinregnet: Betrachtet man das Leben von Costache (Victor Rebengiuc, auch im diesjährigen Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „Aferim!“ zu sehen) aus dem Blickwinkel einer wohlhabenden Industrienation, so führt der gebrechliche alte Mann ein entbehrungsreiches Leben wie in einer alten, vorindustriell anmutenden Zeit.
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