The Devil and Father Amorth (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Ein Trash-Meisterwerk der Spitzenklasse

Damals im Jahr 1972 arbeitete William Friedkin an einem Film, der ihn für den Rest seines Lebens verfolgen würde. Der Exorzist gilt schlechthin als Friedkins Meisterwerk und Kultfilm im Kanon des Horrorkinos. Und das zu Recht, war sein Werk doch wegweisend. Nicht nur für das Genre, sondern auch für die einzigartige Verbindung aus wahren Begebenheiten, der Kraft des religiösen Glaubens und dem Horror, der hinter alltäglichen Häuserfassaden stecken kann. Zu seiner Zeit löste der Film einen regelrechten Hype aus und sorgte weltweit für Diskussionen. Für Friedkin selbst blieb aber vor allem eins: die absolute Faszination mit dem Bösen und der Macht der Exorzisten, zu der er in The Devil and Father Amorth nun zurückkehrt.

Jahrzehnte nach Der Exorzist sollte sich für Friedkin im Jahr 2016 ein Lebenstraum erfüllen. Padre Amorth, seines Zeichens seit 30 Jahren Hauptexorzist der katholischen Kirche in Rom, erlaubte dem Filmemacher eine private Audienz. Bei dieser bat Friedkin ihn darum, ihn einem Exorzismus beiwohnen und ihn filmen zu lassen — eine Anfrage, die der Vatikan bisher immer strikt abgelehnt hatte. Doch Friedkin hatte Glück. Vater Amorth war ein großer Fan von Der Exorzist, auch wenn er die Erbsensuppe und andere Spezialeffekte ein wenig übertrieben fand, und gewährte den Wunsch.

Soviel zur Legende, die Friedkin selbst in einem der vielen, leicht fremdschämigen, erklärenden Einwürfe erzählt, bei denen er stets in die Kadrierung und dann in Richtung Kamera läuft, um dabei bedächtig schreitend seine Hände zu reiben und bedeutungsvoll in die Kamera zu sprechen. Doch das ist erst der Anfang dieser wunderbar schnell und billig produzierten Dokumentation, der man bis zum Schluss nicht so ganz glauben kann, dass sie keine Mockumentary ist. Es folgen Talking Heads, alles ältere Männer, die bedächtig und hochgradig subjektiv über „das Böse“ reden und Friedkin warnen, er solle sich fernhalten vom Teufel. Doch die Warnungen kommen zu spät, Friedkin ist bereits besessen. Und der Film ist es ebenfalls. Von Friedkin selbst und vor allem von Der Exorzist beziehungsweise dem Horrorkino der 1970 Jahre, welches er im Aufbau quasi wiederholt. Zuerst kommen die böse Vorahnung und das Bauen der Legenden. Darauf folgt ein Schlenker, in dem der Film vom Originalfall eines Exorzismus erzählt, auf dem das Buch und der Film von Der Exorzist basieren. Nach dieser Hintergrundarbeit, die vor allem dazu dient, ein dürftiges Bisschen Authentizität und Glaubwürdigkeit aufzubauen, geht es dann ans Herzstück. Dieses ist, das muss man schon sagen, eine spannende Sache an sich, denn es gelingt Friedkin wirklich, die alten Ängste herauszukramen und das Publikum in Unruhe und Angst zu versetzen. Nach der ausführlichen, elaborierten und lobeshymnischen Einführung von Vater Amorth geht es über zum Exorzismus. Nur Friedkin und eine digitale Kamera dürfen dabei sein, entsprechend schlecht und in seiner Machart schon fast an Found Footage-Horrorfilme der 2000er Jahre erinnernd, filmt Friedkin den neunten Exorzismus einer Italienerin namens Cristina. Das Bild ist wackelig, der Autofokus treibt einen in den Wahnsinn und doch da ist diese Frau und was ihr Körper hier tut und vor allem ihre Stimme, die sich so unglaublich und verlagert anhört, als sprächen aus ihr ein Mann und eine Frau gleichzeitig, entwickeln einen unglaublichen Sog. Aber man fragt sich auch, ob man nicht einem Schwindel aufsitzt, den Friedkin hier inszeniert oder der für ihn, den Exorzismus-Gläubigen, inszeniert wird. Wo auch immer die Wahrheit liegt, die Bilder sind gewaltig und überwältigend.

Bis hierhin könnte man Friedkins The Devil and Father Amorth mit viel Liebe noch als einen Dokumentarfilm verorten, in dem ein Aficionado nach dem inneren Kern seiner Obsession sucht und das Glück hat, ihm vielleicht ein wenig näher gekommen zu sein. Doch dann dreht sich das Werk ganz und gar in Richtung Twilight Zone oder besser noch X-Factor: Das Unfassbare und Friedkin übernimmt die Rolle der Moderation (Hände reiben, bedacht Dinge erklären) und Hauptfigur der mysteriösen Geschichte von einem weiteren Treffen mit Cristina, die nicht erfolgreich exorziert wurde. Diese Geschichte ist völlig hanebüchen und er hat keinerlei Material oder Zeugen oder überhaupt irgendetwas. Hier nun kann man nur auf zweierlei Art reagieren: entnervt aus dem Kino gehen und Friedkin abschreiben oder ihn dafür lieben, dass er die Grenzen zwischen Dokumentation, Glauben und Fiktion so dermaßen verschoben hat, dass man niemals erfahren wird was und was nicht in The Devil and Father Amorth real war.

In den nur 68 Minuten, die der Dokumentarfilm geht, hat man einen unglaublichen Ritt absolviert, der in sich so sehr Hommage ans Horrorkino der 1970er Jahre und an den naiven, aber ehrlichen Glauben an das Übernatürliche ist, den wir alle als Kinder hatten und der Der Exorzist erst zu dem Erlebnis gemacht hat, das er war, dass man eine unglaublich gute, wenn auch oft irritierende Zeit in diesem Film hat. Und es ist gerade dieser ehrliche Glaube an sein Thema, der zusammen mit der billigen und oftmals fremdschämigen Machart aus diesem Film etwas macht, was das Kino nur alle paar Jahrzehnte in wirklicher Reinheit produzieren kann: The Devil and Father Amorth ist nichts anders als ein Trash-Meisterwerk der Spitzenklasse.
 

The Devil and Father Amorth (2017)

Damals im Jahr 1972 arbeitete William Friedkin an einem Film, der ihn für den Rest seines Lebens verfolgen würde. „Der Exorzist“ gilt schlechthin als Friedkins Meisterwerk und Kultfilm im Kanon des Horrorkinos. Und das zu Recht, war sein Werk doch wegweisend. Nicht nur für das Genre, sondern auch für die einzigartige Verbindung aus wahren Begebenheiten, der Kraft des religiösen Glaubens und dem Horror, der hinter alltäglichen Häuserfassaden stecken kann.

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