The Beatles: Eight Days a Week - The Touring Years (2016)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Menschen, Teenies, Sensationen

Am Ende stehen sie auf dem Dach der (damaligen) Welt, sinnbildlich zumindest: The Beatles, on top! Genauer gesagt im London der späten Swinging Sixties auf dem Hausdach der legendären Apple-Record-Studios. Ein letztes Mal packen sie zusammen ihre Instrumente als populärste Live-Band des Globusses aus – und spielen am 30. Januar 1969 ihr famoses „Rooftop Concert“, das sofort in die Annalen der Popkulturgeschichte einging. Einfach so, nur für sich, erklärten sie der gierigen Weltpresse damals.

Dabei hätte es schließlich auch nur ein weiterer exzellenter Werbegag aus der Gedankenschmiede ihre beiden Masterminds im Hintergrund – dem Produzenten George Martin und ihrem Bandmanager Brian Epstein – sein können. Doch mit dem ersteren fremdelten sie bereits zunehmend in den letzten gemeinsamen Studiosessions, weil jeder der Pilzköpfe für sich selbst immer weiter musikalisches Neuland betreten wollte: Auflösungserscheinungen machten sich breit, das Ende der berühmten Fab Four war greifbar. Und letzterer könnte diesen Deal nur noch aus dem Musiker-Himmel eingefädelt haben, weil er bereits 1967 unter ominösen Umständen tot in seiner Wohnung aufgefunden worden war.

Ron Howard, ein ebenso braver wie zuverlässiger Regie-Handwerker (Rush / Apollo 13 / A Beautiful Mind / Im Herzen der See) aus Hollywood, ist klug genug, seinen insgesamt sehr flüssig montierten Dokumentarfilm The Beatles: Eight Days a Week: The Touring Years (Schnitt: Paul Crowder) über die vier berühmtesten Liverpooler aller Zeiten mit diesem geradezu magischen Moment der jüngeren Musikgeschichte enden zu lassen. Als Bonusmaterial folgt in der Kinoauswertung dieses Films im Anschluss noch ein 30-minütiger, brillant in 4K restaurierter Open-Air-Auftritt der Band im New Yorker Shea Stadium.

In Howards Film wie in der Beatles-Bandgeschichte waren Aufbruch und Ende selten schöner vereint – und wurden zudem selten schöner in Bewegtbilder gefasst – als in diesen ein Stück weit unendlich scheinenden Archivmaterialminuten. Was aus heutiger Sicht umso bitterer für die älteren Fans der Gruppe ist, weil parallel zur Entstehungszeit dieser Bilder und popmusikhistorisch spätestens seit den radikal-experimentellen Alben Revolver (1966) und Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band (1967), eines der ersten Konzeptalben der Musikhistorie, mehr als nur der leise Hauch des Abschieds in der Luft lag …

„Es war nur noch eine Art Freakshow“, bringt George Harrison einmal jene frühe Endzeitstimmung innerhalb der Bandgeschichte in einem besonders bemerkenswerten O-Ton auf den Punkt. Der Anfangselan war trotz weltumfassender Beatlemania rasch verpufft, das Geld durch ununterbrochene Medienpräsenz im Musik-, Film-, TV- und Printbusiness längst verdient, das ohrenbetäubende Gekreische der Fangemeinde schlichtweg nicht mehr zu ertragen – und der innere Größenwahn (John Lennon: „Wir sind größer als Jesus“) war fratzenartig nach außen getreten. Auch jene Zerreisproben der einstigen Keller-Band, die zur BRAVO-Poster-Band Nummer eins wurde, ehe sie – drogengeschwängert und zerstritten – als avantgardistische Hippie-Formation frühzeitig zu Grabe getragen wurde, rekapituliert Howards langer Musikdokumentarfilm technisch überzeugend.

Inhaltlich gelingt ihm dies jedoch an mehreren Stellen nur recht oberflächlich, was allerdings ebenso an der Auswahl der Interviewpartner liegt: Whoopi Goldberg, Elvis Costello oder Sigourney Weaver waren in der Vergangenheit bisher nicht unbedingt als ausgewiesene Musikphilosophen hervorgetreten und so laufen ihre Statements eher ins Leere, als dass sie Mark Monroes klassisch-lineares Drehbuch dramaturgisch entscheidend voranbringen würden.

Um das Jahr 1966 hatten die Beatles nämlich schon beschlossen, nicht mehr auf Welttournee gehen zu wollen, sondern sich fortan ausschließlich auf neue Studioalbumprojekte zu stürzen: Die Live-Band wurde im August desselben Jahres quasi eingemottet, was irgendwo allzu verständlich ist, wenn man seit dem galaktischen Aufstieg im Hamburger Star-Club auf St. Pauli 1962 bis hin zu den ersten Mega-Konzerten in US-amerikanischen Sportstadien jahrelang permanent auf Tour war – und dabei zugleich seiner „Jugend beraubt wurde“ (Paul McCartney).

815 Auftritte in fünf Jahren lautete am Ende die persönliche Band-Bilanz. Kräftezehrende Konzertreisen von Tokio bis San Francisco, von München bis Manila waren dabei inklusive – und gingen natürlich nicht spurlos an den anfangs so unbekümmert-frech agierenden Liverpoolern vorbei. Gerne hätte man gerade davon noch deutlich mehr erfahren in Howards Annäherung an das Phänomen der stilprägenden Fab Four der Popgeschichte. Der filmische Rest ist weitgehend yeah, yeah, yeah: Schönes Oberflächenrauschen. Mehr nicht.
 

The Beatles: Eight Days a Week - The Touring Years (2016)

Am Ende stehen sie auf dem Dach der (damaligen) Welt, sinnbildlich zumindest: The Beatles, on top! Genauer gesagt im London der späten Swinging Sixties auf dem Hausdach der legendären Apple-Record-Studios. Ein letztes Mal packen sie zusammen ihre Instrumente als populärste Live-Band des Globusses aus – und spielen am 30. Januar 1969 ihr famoses „Rooftop Concert“, das sofort in die Annalen der Popkulturgeschichte einging.

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Meinungen

Fritz · 06.10.2016

Prädikat: Sehenswert!

Fritz · 06.10.2016

Prädikat: Sehenswert!