The Awakening (2011)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Die Geister, die mich riefen

Florence Cathcart hat es sich zur Aufgabe gemacht, durch konsequente Anwendung wissenschaftlicher Methoden falsche Geistererscheinungen zu entlarven, Medien und ähnliche Scharlatane auf den Prüfstand zu stellen – und sie hat viel zu tun. Man schreibt die frühen 1920er, und der Erste Weltkrieg hat die britische Bevölkerung in einem Zustand der kollektiven Traumatisierung zurückgelassen. „Eine gute Zeit für Geister“ schreibt Cathcart (Rebecca Hall) ironisch in ihrem Bestseller zum Thema, und genau dieser bringt auch den Internatslehrer und Kriegsinvaliden Robert Mallory (Dominic West) an ihre Tür. Sie sei sich ihrer Sache viel zu sicher, behauptet er – denn in seinem Internat treibe wirklich ein Geist sein Unwesen und dessen Spuk habe gerade erst einen kleinen Jungen sein Leben gekostet.

The Awakening beginnt furios mit einer Séance, dramatisch aufgebaut, da sind alle Elemente, die man von solch übersinnlichem Treiben erwartet – und dann taucht mit Verve Cathcart darin auf und zerlegt, Sherlock Holmes gleich, das vorher so hübsch klassisch inszenierte Szenario in alle Einzelheiten der Scharlatanerie, die dieses Zusammentreffen darstellte. Halls Cathcart bekommt hier einen knalligen Auftritt, und Regisseur Nick Murphy gibt seiner Protagonistin auch deshalb die Bühne mit solcher Wucht, um ihre verletzlicheren Seiten später umso schöner aufreißen zu können. Allein: Aufregender als in diesen ersten Minuten wird Cathcart nie.

Das liegt nicht an Halls Leistung, die ihre Hauptfigur mit viel Intensität durch die angeblich mit einem Spuk belastete Schule schickt; sie ergänzt sich zudem bestens mit Dominic West, der seinen physisch wie psychisch angeschlagenen Veteranen ohne Scheu auch mit sehr irritierenden, abstoßenden Eigenschaften füttert, die erst später in den Hintergrund treten, wenn – erwartbar – sich zwischen Mallory und Cathcart langsam Gefühle zu regen beginnen. Und nach vierzig Filmminuten ist zwar klar, dass der Spuk, den die Kinder gesehen haben, nur allzu menschlichen Ursprungs war, dass sich aber dahinter doch noch andere Geheimnisse verbergen.

Fast immer sind es Spuren, Verbrechen der Vergangenheit, die in Haunted-House-Filmen, wie es The Awakening mit viel Eleganz einer ist, die Geister erst möglich machen. „Unfinished Business“, wie man im Englischen sagt, unerledigte Dinge sind da noch aufzuarbeiten – und so dreht sich das Subgenre fast immer um Erinnerung, Schuld, Sühne, schließlich manchmal auch um Befreiung. Murphy fügt das hier sehr stimmig in die Zeitgeschichte ein, in den Unwillen seiner männlichen Figuren, sich mit dem Krieg und seinen seelischen Folgen zu beschäftigen. Die gedankenlose Brutalität der Männer ist oftmals gespenstischer, gruseliger, beängstigender und auch gefährlicher als die eigentliche Geistererscheinung.

Cathcart ist in der Welt des von Männern betriebenen Jungeninternats natürlich ein Fremdkörper, zumal sie offenbar als einzige eine gründliche Universitätsausbildung besitzt: Die kultivierte Frau aus der Stadt, die allein das Gemälde im Treppenhaus in den griechischen Mythenkosmos einzuordnen weiß. Nur eine weitere Frau hat das Haus noch, die Haushälterin Maud (die großartige Imelda Staunton), die Cathcarts Bücher kennt und liebt und auch ansonsten sehr anhänglich ist – vielleicht etwas mehr, als angemessen erscheint.

Einmal beobachtet Cathcart durch ein Loch in einer Wand Mallory beim Baden; es ist natürlich der nackte Männerkörper, der sie fasziniert, den sie zugleich begehrt, ohne es sich eingestehen zu wollen. Schockiert ist sie aber erst dann, als sie beobachtet, wie der Veteran eine alte Wunde behandelt und Wucherungen, Verkrustungen, so genau ist es nicht zu erkennen, mit einer Klinge entfernt. Darin liegt aber das Thema des Films verborgen: Dass alte Wunden geöffnet werden müssen, dass auch Cathcart sich erinnern muss.

Murphy betreibt den Gruselfilm als Psychotherapie, in dem Drohungen, Husten und Fremdes von hinter den Wänden eines viel zu leeren Hauses widerhallt, sich aber die Wahrheit in den verschlossenen Schränken und hinter den Türen verbirgt, bevor die Protagonistin in eine modellhafte Nachbildung des Schulgebäudes wie in ein Erinnerungsbild blickt. Das ist filmisch weniger schlecht und schräg, als es klingt; nur gerät das Ende einen Hauch zu süßlich, zu einfach und zu glücklich, um wirklich wahrhaftig zu sein.
 

The Awakening (2011)

Florence Cathcart hat es sich zur Aufgabe gemacht, durch konsequente Anwendung wissenschaftlicher Methoden falsche Geistererscheinungen zu entlarven, Medien und ähnliche Scharlatane auf den Prüfstand zu stellen – und sie hat viel zu tun. Man schreibt die frühen 1920er, und der Erste Weltkrieg hat die britische Bevölkerung in einem Zustand der kollektiven Traumatisierung zurückgelassen.

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