The Assassin (2015)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Mt subtiler Präzision

25 Jahre hat Hou Hsiao-Hsien letztendlich gebraucht, ehe er „The Assassin“ fertiggestellt hat. Das klingt lang. Bis man den Film einmal gesehen hat und sich wundert, dass Hsiao-Hsien ihn so schnell fertigbekommen hat. Denn bei den Göttern der Kinematographie, dieser Film ist ein Meisterwerk. Jede, ja wirklich jede Einstellung ist ein Kunstwerk für sich. Dabei ist seine Kunst aber eher eine ausstellende, als eine darstellende. The Assassin kann man nicht einfach sehen, der Film liefert nicht einfach frei Haus, nein, dieses Werk muss man sich erarbeiten, es wirklich betrachten, aufmerksam, intensiv, engagiert. Erst dann und nur dann zeigt es sich in seiner ganzen Pracht.

China im 9. Jahrhundert, Tang-Dynastie: Nie Yinniang (Shu Qi) wurde als junges Mädchen zu einer Nonne gegeben, die sie als die perfekte Assassine ausgebildet hat. Trotz ihrer überragenden Fähigkeiten ist ihre Meisterin enttäuscht, denn die junge Frau hat nicht gelernt, ihr Herz auszuschalten und somit zu einer perfekten Kriegerin zu werden. So schickt die Nonne Nie Yinniang zurück zu ihren Eltern in die abtrünnige Provinz Wobei. Dort regiert ihr Cousin, der Mann, dem sie einst versprochen war. Doch dieses Versprechen wurde aus politischen Gründen gebrochen. Nun soll Nie Yinniang genau diesen Mann töten, um zu zeigen, dass sie eine wahre Assassine ist. Doch es steckt noch mehr hinter dieser Probe.

Schon zu Beginn des Filmes macht Hou Hsiao-Hsien ganz klar, dass dieser Film ein minimalistischer sein wird. Und in der Tat, stringent verweigert sich das Werk allem, was einen ‚echten‘ wuxia, einen Martial-Arts-Film, ausmachen würde. Allem voran verweigert er sich den normalerweise pompösen, glorreich choreographierten Kampfszenen. Seine Assassine, obwohl sie herausragende Kampftechniken beherrscht, bevorzugt es, in unauffälliger Kleidung und ohne viel Getue ihre Kämpfe auf das minimalste zu reduzieren. Der Film kokettiert in solchen Momenten damit, dass er durchaus die Möglichkeit hätte, in eine überbordende Trickkiste zu greifen und dem Publikum zu liefern, was es gewohnt ist: kinetisches Kino, Kino der Attraktionen, Spektakel. Die Verweigerung ist Absicht und Aussage zugleich, eine Aussage, die auch auf die vielen chinesischen wuxia-Spektakel der letzten Jahre verweist, die das Kino allein zum Vehikel für Ablenkung und Ignoranz gegenüber den eigentlichen Verhältnissen des Landes machen. Aber nicht mit dem Taiwanesen Hou Hsiao-Hsien, der China auf subtile Weise den Spiegel vorhält und sich damit zu Jia Zhang-ke und seinem Mountains May Depart gesellt — ebenfalls ein Film, der sich gegen die offizielle Regierungsfilmindustrie stellt.

Doch es bleibt nicht beim minimalistischen Kämpfen. Auch Exposition, Erzählung und Charaktere sind dermaßen reduziert, dass nur noch die kleinsten Anhaltspunkte bleiben, an denen man sich festhalten kann. Und so erscheint The Assassin als ein Film voller überragend schöner Bilder, aber mit wenig Inhalt — wenn man denn an der Oberfläche bleibt und sich diesen Film nicht hart erarbeitet. Wagt man jedoch das anstrengende Unterfangen, jeden Moment genau zu betrachten, sieht man ein Werk, das nicht nur überragend schön ist, sondern auch im perfekten Bilder-Zen vor sich hinfließt, stets darauf bedacht, mit Präzision und wenigen Mitteln auf den Punkt zu kommen. Es ist die große Kunst der perfekten Reduktion auf das Wesentliche. Und im wuxia-Film ist dies nicht das große Kämpfen, sondern die Philosophie, die dahinter steckt. Das mag mancher vor allem in der nachklassischen Periode dieses Genres wohl vergessen haben.

Seine Bilder wählt Hou Hsiao-Hsien ebenfalls mit subtiler Präzision. Es überwiegen große Landschaften mit Menschen, die sie durchschreiten, bis sie von ihnen verschluckt werden. Kontrastiert wird dies von Innenaufnahmen aus Häusern, die im Bildausschnitt stets mehrere Ebenen haben. Seine Protagonisten porträtiert er fast nie in Großaufnahmen, er bleibt auf Abstand, denn nur mit einer gewissen Distanz kann man sehen, was wirklich vor sich geht.

In der Tat macht es dieses Vorgehen schwer, The Assassin zu begreifen, eine solche Verschlossenheit hat eben den Preis, dass einige außen vor bleiben werden. Wie soll man sich als Zuschauer zu solch einem Werk positionieren, wie es sich erschließen? Der Regisseur selbst gibt die Antwort darauf: „Sei wie ein Zuschauer, der am Ufer eines Sturzbachs sitzt und alles, das vorbeifließt, in sich aufnimmt. Sowohl die flirrenden Bewegungen, als auch die Momente der Stille. Aber hoffe auch als jemand, der sich in den Strom stürzt und darin badet und sich wegtragen lässt von der eigenen Imagination.“
 

The Assassin (2015)

25 Jahre hat Hou Hsiao-Hsien letztendlich gebraucht, ehe er „The Assassin“ fertiggestellt hat. Das klingt lang. Bis man den Film einmal gesehen hat und sich wundert, dass Hsiao-Hsien ihn so schnell fertigbekommen hat. Denn bei den Göttern der Kinematographie, dieser Film ist ein Meisterwerk. Jede, ja wirklich jede Einstellung ist ein Kunstwerk für sich.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen