The Affair - Season 1

Eine Filmkritik von Falk Straub

Szenen zweier Ehen

Ein scheinbar harmloser Sommerflirt weitet sich zu einer Affäre aus, die zwei Ehen in ihren Grundfesten erschüttert. Die mit zwei Golden Globes prämierte erste Staffel der Serie The Affair ist großes Fernsehen, auf das sich nun auch die deutschen Zuschauer freuen können.

Ohne gleich in den derzeit beliebten Abgesang auf das Kino einzustimmen, muss man dem US-amerikanischen Fernsehen eines zugutehalten: Es packt immer wieder Themen an und verpackt diese auf eine Art und Weise, die in Hollywood immer seltener zu finden sind. Oder erinnern Sie sich noch daran, wann Sie das letzte Mal ein aufwühlendes Ehedrama aus Übersee gesehen haben, das die Leidenschaft einer Affäre ebenso schonungslos verhandelt wie die verletzten Seelen der zurückgelassenen Familien? Todd Haynes Carol kommt einem in den Sinn. Doch liegt der Fokus hier stärker auf der Liebesgeschichte der beiden Protagonistinnen. Auch war Carols heterosexuelle Beziehung von vornherein auf einer Lüge gegründet und somit die Ehe und nicht die Affäre eine Flucht. In Derek Cianfrances Blue Valentine (2010) oder Sam Mendes‘ Zeiten des Aufruhrs (2008) zerbrechen die Ehen nicht an Seitensprüngen. Todd Fields Little Children (2006) kommt der Beschreibung vielleicht noch am nächsten. Doch Fields Drama ist bereits zehn Jahre alt. Vielleicht war die Zeit also reif für eine Serie wie The Affair.

Im Grunde kann sich Noah Solloway (Dominic West) nicht beklagen. Gemeinsam mit seiner Frau Helen (Maura Tierney) und den vier Kindern lebt er in einem schicken New Yorker Reihenhaus, das er sich allein von seinem mickrigen Gehalt als Lehrer nicht leisten könnte. Die Abhängigkeit vom Geld seines wohlhabenden Schwiegervaters (John Doman) nagt an ihm. Noah fühlt sich zum Schriftsteller berufen. Während des Familienurlaubs auf Long Island beginnt er im beschaulichen Örtchen Montauk eine Affäre mit der verheirateten Kellnerin Alison (Ruth Wilson). Der Seitensprung inspiriert Noah zu einem Roman, der von Alisons dunkler Seite rund um das Familiengeheimnis ihres Manns Cole (Joshua Jackson) handelt. Als ihre Affäre ans Licht kommt, eskaliert die Situation. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.

Dominic West und Ruth Wilson spielen diese Ehebrecher wie zwei Ertrinkende, die sich aneinanderklammern und dabei nicht bemerken, wie tief sie sinken. Während Wilson wie auch Maura Tierney als Helen und Joshua Jackson als Cole beeindruckende Leistungen abliefern, fällt West etwas ab. Im Zusammenspiel mit den anderen wirkt seine Mimik mit dem häufig eingesetzten Zahnpastalächeln ein wenig bemüht.

Bislang war The Affair in Deutschland nur für Kunden eines Streamingdiensts zu haben. (Dort ist bereits die zweite Staffel verfügbar.) Alle anderen können sich von deren Qualität nun auf DVD überzeugen. Das große Verdienst der Serienmacher Hagai Levi und Sarah Treem ist es, sich nicht mit einfachen Erklärungsversuchen zu begnügen. Die Gründe für den Ehebruch sind ebenso vielschichtig wie die davon betroffenen Charaktere. Sicher ist Alison jünger als Helen, doch allein deshalb noch lange nicht attraktiver. Das Sexualleben stimmt bei beiden Paaren, die aufrichtig um ihre Beziehungen kämpfen. Leichtfertig setzt hier keiner seine Ehe aufs Spiel. Und dennoch fühlen sich Noah und Alison voneinander angezogen, einander näher als ihren Partnern, die den Schmerz ihrer Gegenüber trotz aller Bemühungen nicht zu lindern vermögen.

Montauk, dieses verschlafene Nest an der Ostspitze Long Islands, das bereits den Schweizer Schriftsteller Max Frisch zu einer Erzählung über seine Liebschaften inspirierte, ist der perfekte Handlungsort. Nur drei Autostunden von New York City entfernt scheint hier die Welt zu Ende. Die schroffe Küstenlandschaft, die sich im Sommer in einen pittoresken Badeort verwandelt, verleiht der Geschichte auch visuell die nötige Ambivalenz zwischen sonnigem Flirt und düsterer Verzweiflung.

Der eigentliche Clou der Serie ist jedoch nicht ihr Inhalt, sondern dessen Verpackung. Der Ehebruch mit seinen mal leidenschaftlichen, mal rauen Sexszenen, wie sie im Kino immer seltener zu sehen sind, wird aus zwei Perspektiven erzählt. Während eines Verhörs auf der Polizeiwache schildern Noah und Alison getrennt voneiander, wie sich ihre Affäre entfaltet hat. Das erinnert ein wenig an die Rahmenhandlung der ersten Staffel von True Detective, geht jedoch noch einen Schritt weiter. Nach der Hälfte jeder Episode wird die Geschichte noch einmal aus Sicht des anderen wiederholt. In der Rückschau der Beteiligten ändern sich nicht nur das Gefühlsleben und das Verhalten der Protagonisten, sondern auch kleine Details wie deren Kleidung. Während Alison in ihrer eigenen Erzählung stets bequem angezogen und wenig attraktiv daherkommt, ist sie bei Noah die Verführung in Person. Der Zuschauer muss selbst entscheiden, welcher Version er mehr Glauben schenkt. Das ist zwar nicht neu und auch nicht so virtuos erzählt wie in Akira Kurosawas Rashomon (1950), funktioniert auf zehn Episoden verteilt jedoch besser als in manch anderem eineinhalbstündigen Film.

Die Struktur bietet aber auch Anlass zur Kritik. Die strenge Zweiteilung unterbricht die Erzählung stets auf ihrem Höhepunkt, hinterlässt den Zuschauer wie nach einem unvollendeten Geschlechtsakt zunehmend unbefriedigt, um im großen Finale der ersten Staffel schließlich in einem dreisten Cliffhanger zu kulminieren. Angesichts der Qualitäten ist dieser kleine Mangel jedoch zu verschmerzen. Dass diese komplexe Serie trotz ihres schweren Themas und durchschnittlicher Einschaltquoten verlängert wurde und in den USA bereits in die dritte Staffel geht, auch das muss man dem Fernsehen, in diesem Fall dem Kabelsender Showtime, zugutehalten.
 

The Affair - Season 1

Ein scheinbar harmloser Sommerflirt weitet sich zu einer Affäre aus, die zwei Ehen in ihren Grundfesten erschüttert. Die mit zwei Golden Globes prämierte erste Staffel der Serie „The Affair“ ist großes Fernsehen, auf das sich nun auch die deutschen Zuschauer freuen können.

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