Tango Pasión

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Der Traum vom "Tango berlines"

Der Titel von Kordula Hildebrandts Tango Pasión lässt unschwer erraten, dass es hier um jene Musik und Tanzerei geht, die gemeinhin unter dem Begriff des Tangos subsumiert werden. Doch der Dokumentarfilm fokussiert dabei nicht etwa auf den lateinamerikanischen Raum um Río de la Plata, wo der Ursprung dieser von schwelender Dramatik umwitterten künstlerischen Ausdrucksformen beheimatet ist, sondern konzentriert sich auf die deutsche Metropole Berlin und ihre dort ansässigen, einschlägigen Protagonisten, Veranstaltungen und Lokalitäten.
Innerhalb der internationalen, stetig anwachsenden aktiven Anhängerschaft des Tangos ist es kein Geheimnis, dass Berlin schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts ein markantes, nunmehr geradezu traditionelles Territorium für die Ausprägungen und Umtriebe des Tango Argentino beziehungsweise Tango ríoplatense darstellt, der während der 1980er Jahre nicht zuletzt durch die Inspirationen von Tango Nuevo des legendären Bandoneon-Spielers und Komponisten Astor Piazzolla dort erneut kräftig aufloderte und längst zu einem festen, stark frequentierten Bestandteil der urbanen Musik- und Tanzkultur avanciert ist. Tango Pasión bietet sowohl eine filmische Rekonstruktion der Geschichte als auch ein aktuelles Porträt dieser Tangomanie, basierend auf ausführlichen Interviews mit zahlreichen lokalen Akteuren.

Es ist der sich in den Glasscheiben einer Bushaltestelle spiegelnde, öffentliche städtische Raum mit anschließenden Impressionen aus der Hauptstadt und ihrer Tango-Szene, der mit einer als spontan daherkommenden, kühl-romantischen Annäherung eines Paares, das sich dort in Tanzposition begibt, flankiert von typischen musikalischen Klängen den Dokumentarfilm eröffnet. Daraufhin taucht mit dem chilenischen Musiker, Komponisten und Wahl-Berliner Jorge Aravena Llanca auch schon der erste Experte auf, der hier neben einigen anderen gleichermaßen als Akteur, Theoretiker und durchaus auch Chronist des Berliner Tangolebens auftritt, während ansprechende Bilder von Tänzern in Aktion, auch einmal verlassen fotografierten Lokalitäten und vor allem auch immer wieder entsprechende Musik ihr Übriges dazu beitragen, die Faszination des Tangos zum Ausdruck zu bringen und seine speziellen Berliner Pfade zu markieren.

Welche Bedeutung der Tango als stark kommunikativ orientierter Paartanz für eine persönliche oder professionelle Begegnung und Beziehung hat, welche Rolle dabei insbesondere der Weiblichkeit innerhalb ihrer eleganten, enorm erotischen Erscheinung zukommt und welche Energien sich in diesem durch außergewöhnliche Nähe gekennzeichneten, dynamischen Kontakt ereignen, davon zeugen die Bilder und berichten unter vielen Anderen die Tango-Duos Ulrike Schladebach und Stephan Wiesner sowie Lilia Kelle und Jens Christian, Michael Rühl als Veranstalter des Tangofestivals Berlin, der auch in Bezug auf neue Instrumentbauformen versierte Bandoneon-Virtuose Klaus Gutjahr und der Tangomusiker Fernando Miceli. Doch auch kritische Stimmen wie beispielsweise über die eher als konsumorientiert bezeichnete Berliner Tangoszene finden hier Gehör, ungeachtet der gewaltigen Popularität und des spürbaren Enthusiasmus, der offensichtlich auch die Regisseurin selbst im Verlauf der Dreharbeiten gepackt hat.

Dichtung, Musik, Tanz, Lebensgefühl, Kultur, Show und Hype – all das ist Tango, und noch viel mehr, bei wachsenden Individualisierungstendenzen und rasanter Entwicklung des in seiner rhythmischen Struktur „freien“ Tangos, folgt man den Ausführungen der Protagonisten der Berliner Subkultur, die sich im Rahmen und Forum von Tango Pasión natürlich auch ein wenig selbst feiert und durch die Dokumentation sicherlich den einen oder anderen Einsteiger hinzugewinnen wird. So wie es den Begriff des Tango Argentino gibt, könnte es möglicherweise in zwanzig oder dreißig Jahren auch den des „Tango berlines“ geben, lautet die optimistische wie selbstsichere Botschaft am Ende dieser pulsierenden filmischen Revue, die keinen Hehl aus der Begeisterung für ihren Gegenstand und dessen Akteure macht.

Tango Pasión

Kommt er auch erst im September in die Kinos, läuft der Dokumentarfilm „Tango Pasión“ von Kordula Hildebrandt nun bereits im offiziellen Wettbewerb des in diesen Tagen zum elften Mal veranstalteten Filmfestivals „achtung berlin – new berlin film Award“. Der Titel lässt unschwer erraten, dass es hier um jene Musik und Tanzerei geht, die gemeinhin unter dem Begriff des Tangos subsumiert werden.
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Meinungen

Viva el Tango! · 22.04.2015

Tangohauptstadt Berlin! So cool und so zum schmachten, Gäsehaut!