Sunshine on Leith

Eine Filmkritik von Sebastian Moitzheim

Ungelenke Musical-Imitation

Dem Genre „Jukebox-Musical“ wohnt von vornherein eine gewisse Lächerlichkeit inne: Man konstruiert einen Film um die größten Hits einer Band oder eines Künstlers, die natürlich nie dafür gedacht waren, eine zusammenhängende Geschichte zu erzählen – „konstruiert“ ist hier also das entscheidende Wort. Im Falle von Sunshine on Leith, basierend auf der gleichnamigen Bühnenshow, geht es um zwei schottische Soldaten (George MacKay und Kevin Guthrie), die, nach ihrer Rückkehr aus Afghanistan, ihr Leben im schottischen Leith wieder aufnehmen und um das Herz ihrer jeweiligen Angebeteten (Antonia Thomas bzw. Freya Mavor) kämpfen – doch diese Geschichte ist, natürlich, eher nebensächlich, dient nur als der rote Faden, an dem sich Regisseur Dexter Fletcher von einer Musical-Nummer zur nächsten hangelt.
Er bedient sich dabei am Werk der Proclaimers, die in ihrer Heimat Schottland zwar eine gewisse Bekanntheit genießen, aber nicht gerade Hitmaschinen sind wie, sagen wir, ABBA, was das Jukebox-Konzept noch ein bisschen alberner macht – so mancher Zuschauer von Sunshine on Leith dürfte sich wohl das ein oder andere Mal dabei ertappen, wie er sich fragt, wann endlich I’m Gonna Be (500 Miles) zu hören sein wird.

Was nicht heißen soll, dass die Songs des schottischen Duos schlecht sind – sie klingen nur nicht unbedingt nach „Musical“. Der handgemachte, biergetränkte, low-key Charme und die teils abrupten Tonart- und Stimmungswechsel ihres Folk-Pops bieten sich nicht gerade für spektakuläre Setpieces und Tanzchoreographien an, sondern eher für betrunkenes Mitgröhlen in der Kneipe. Bezeichnenderweise finden genau da auch die besten Musicalnummern des Films statt: Die „Wisst ihr noch damals?“-Hymne Over and Done With und Let’s Get Married, das, ironischer- und erfrischenderweise nicht für einen romantischen Heiratsantrag herhalten muss, sondern beim Herumalbern unter Freunden im Pub, effektiv als Parodie auf Heiratsantrag-Szenen, eingesetzt wird.

In solchen Momenten macht Sunshine on Leith Spaß, weil er den Kontrast zwischen seinem musikalischen Ausgangsmaterial und „klassischen“ Musical-Songs nicht zu überspielen versucht, sondern umarmt, auskostet und zu seiner Stärke macht. Leider sind diese Momente selten, denn meistens will Sunshine on Leith eben doch die ganz große Geste, das Pathos, das Spektakel, das man mit dem Musical-Genre (und besonders Jukebox-Musicals) assoziiert. Diesem Anspruch wird der Film nie wirklich gerecht, was nicht nur musikalische, sondern auch inszenatorische Gründe hat: So sehr sich Fletcher auch bemüht, Sunshine on Leith wirkt nie so ganz wie ein „richtiges“ Musical, eher wie eine etwas ungelenke Imitation von Genre-Klischees. Zu wenig dynamisch ist die Kameraarbeit, zu rudimentär die Choreographien, zu klein ganz einfach die Anzahl der Background-Tänzer. Nie ist das offensichtlicher als in der in modernen romantischen Komödien mittlerweile fast obligatorischen Flashmob-Szene, einer getanzten Interpretation des Wortes „unterwältigend“.

Idealerweise brechen Tanz- und Gesangsszenen in Musicals mit ihrer überschwänglichen Entrücktheit die Realität des Films auf, oder, vielleicht besser, transzendieren diese, reißen den Zuschauer so mit, dass die Absurdität plötzlich in Gesang ausbrechender Schauspieler keine Rolle mehr spielt. In Sunshine on Leith sind diese Szenen aber einfach zu profan, nicht over-the-top genug, aber eben dennoch nicht glaubwürdig in die Realität des Films integriert. Im Ergebnis machen die Musicalszenen daher letztlich nur weiter darauf aufmerksam, wie albern, wie, nochmal, konstruiert die Geschichte des Films ist und wie künstlich die Emotionen sind, die er hervorrufen möchte.

Eigentlich hätte Sunshine on Leith durchaus alle Zutaten, um zumindest als fluffiger Feelgood-Eskapismus zu überzeugen: Sympathische Darsteller, eingängige (wenn auch nicht spektakuläre) Songs und, in seinen besten Momenten, einen gewissen Do it yourself-Charme. Schön wäre, wenn Fletcher um diese (potentiellen) Stärken wüsste und sich damit begnügen würde, anstatt viel zu angestrengt zu versuchen, einen zweiten Mamma Mia! zu drehen.

Sunshine on Leith

Dem Genre „Jukebox-Musical“ wohnt von vornherein eine gewisse Lächerlichkeit inne: Man konstruiert einen Film um die größten Hits einer Band oder eines Künstlers, die natürlich nie dafür gedacht waren, eine zusammenhängende Geschichte zu erzählen – „konstruiert“ ist hier also das entscheidende Wort.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen