Sound of Noise (2011)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die ganze Welt ist Klang

Stockholm wird von einer Serie brutalster terroristischer Anschläge erschüttert. Das Ziel der Terroristen ist aber nicht die Destabilisierung der öffentlichen Ordnung, sondern eine musikalische Performance der ganz besonderen Art. Der Partitur eines konzeptionellen Musikstücks mit dem Namen „Music for Six Drummers and One City“ folgend, das einer von ihnen komponierte, bringen sie maskiert und aufgrund ihrer klanglichen Radikalität vollkommen illegal die einzelnen Teile ihres Konzerts zur Aufführung. Als Tatorte dienen dabei unter anderem eine Bank, ein Krankenhaus, bei dem ein prominenter Patient als Klangkörper zweckentfremdet wird, ein Opernhaus und andere öffentliche Orte, als Signatur der musikalischen Serientäter findet sich an den Schauplätzen des Verbrechens stets ein Metronom wieder. Anfangs rätselt die Polizei, was sich hinter den geheimnisvollen Vandalismus-Akten verbirgt und es bedarf erst eines musikalisch vorbelasteten Kommissars (Bengt Nilsson), um dem Treiben der abgefahrenen Perfomance-Truppe auf die Schliche zu kommen. Der Ermittler mit dem bezeichnenden Namen Amadeus Warnebring verfolgt bei seinen Untersuchungen aber auch eigene Ziele, denn die Musikbesessenheit seiner Familie hat aus dem Mann einen fanatischen Musikhasser werden lassen…

Zugegeben: Die Inhaltsangabe des schwedischen Films Sound of Noise klingt ziemlich verrückt. Und ehrlich gesagt ist der Film das auch. Dies aber auf eine erfrischende und sympathisch schräge Weise, die von Anfang bis Ende Spaß macht und zugleich die Ohren (und Augen) öffnet für die Möglichkeiten des Klangs und für die Versponnenheit eines Künstlertums, das die Straße und den öffentlichen Raum als Spielwiese für Experimente nutzt. Angefangen von Dada und Fluxus über die Experimente moderner Komponisten mit Mauricio Kagel bis hin zur Street Art, die es mit Banksy – Exit through the Gift Shop bereits vor kurzem auf die Kinoleinwand geschafft hat, reicht die künstlerische Tradition, aus der der Film schöpft und die er ganz unakademisch und auf ebenso poetische wie komische Weise in einen ganz und gar schrägen Spielfilm übersetzt. Und der erinnert manchmal fast wie eine wilde und kunstsinnige Hommage an die wunderbare Welt einer gewissen Dame namens Amélie .

Sound of Noise ist nicht nur eine herrlich anarchische Komödie für Musikliebhaber der etwas anderen Art, sondern auch der (Beat) schlagende Beweis dafür, dass manche Filmidee vor allem einen langen Atem braucht: Zehn Jahre ist es her, dass Ola Simonsson und Johannes Stjärne Nilsson eine knapp zehnminütigen Kurzfilm mit dem Titel Music for One Apartment and Six Drummers drehten, der es auf Kurzfilmfestivals weltweit und im Internet zu einigem Kultstatus brachte.

Beflügelt durch den Erfolg haben die beiden Regisseure aus dem kleinen Werk nun ein großes gezaubert. Erfreulicherweise funktioniert das Rezept auch über eine längere Laufzeit. Was auch daran liegt, dass den musikalischen Einlagen, die natürlich das Herzstück des durchgeknallten Films bilden, eine stimmige und ebenso verschmitzte Rahmenhandlung hinzugefügt wurde, die mit feinstem staubtrockenem und irgendwie typisch skandinavischen Humor die Absurditäten der Musikwelt locker auf die Spitze treibt und mit Seitenhieben gegen die elitären Zirkel der klassischen Musik und moderner Tonkünstler nicht spart.

Da ist beispielsweise die vollkommen versnobte Familie des Kommissars Warnebring, die (wie der Vorspann verdeutlicht) seit vielen Generationen ihre Musikalität weitergibt, so dass der ausgewiesene Musikhasser und Anti-Terror-Spezialist Amadeus innerhalb dieses Zirkels der Eingeweihten und Connaisseure natürlich das schwarze Schaf par excellence darstellt. Musikalische Nonkonformisten (und damit viel eher Verbündete als Feinde des Kommissars) sind auch die sechs Schlagzeuger, denen er nachjagt und deren seltsame Ziele und Absichten nur jemand nachempfinden kann, der im gleichen Takt tickt wie sie. Vor diesem Hintergrund ist es vollkommen logisch, dass sich Sanna (Sanna Persson Halapi), die Anführerin der musikalischen Terroristen, und Amadeus ineinander verlieben. Und so ist Sound of Noise nicht nur ein Musical und eine Komödie, ein schräger Thriller und ein verrückter Künstlerfilm sowie eine beißende Parabel auf die allgegenwärtige Terrorismus-Angst, sondern auch auf berührende Weise ein Film über verwandte Seelen und die Liebe zur Musik und der Stille. Wer so viel in einem Film zu packen versteht und es trotzdem schafft, den swingenden und augenzwinkernden Tonfall der Erzählung beizubeihalten und dem Zuschauer ein vergnügtes Lächeln ins Gesicht zu zaubern, mit dem dieser das Kino verlässt, der hat einiges erreicht.
 

Sound of Noise (2011)

Stockholm wird von einer Serie brutalster terroristischer Anschläge erschüttert. Das Ziel der Terroristen ist aber nicht die Destabilisierung der öffentlichen Ordnung, sondern eine musikalische Performance der ganz besonderen Art.

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