Sommer auf dem Land

Eine Filmkritik von Stefan Otto

Die Milch macht's

Im Katholizismus heißt es, dass nach dem Tod eines Menschen seine Seele in den Himmel oder in die Hölle kommt. Nach hinduistischen Glaubensvorstellungen hingegen wandert die Seele nach dem Tod des Körpers, in dem sie sitzt, in einen anderen Körper, in einen Menschen oder ein Tier. Die deutsch-polnisch-finnische Co-Produktion Sommer auf dem Land, ein Film aus dem christlichen Raum also, wirft beide Lehren in einen Topf und den Mixer an.
Der polnische Konzertpianist Bogdan (Zbigniew Zamachowski) verliert seine Frau Izabella, eine berühmte Opernsängerin, an den Krebs. Von Kindheit an hatte er sie geliebt. Sie stammten beide aus demselben Dorf in Polen und beide eroberten von dort aus die Welt der klassischen Musik. Am Strand an der Ostsee, an dem sie sich schon in jungen Jahren ihrer Liebe versicherten, verstreut Bogdan nun Izabellas Asche. Dann kehrt er dem Meer ebenso wie der Bühne den Rücken und zieht sich auf den Bauernhof seiner Mutter zurück. Er würde in Lethargie und Alkohol versinken, wenn seine Mutter ihm nicht die harte Stallarbeit und die Renovierung des Hofes aufbürdete.
Alles ändert sich, als Bogdan eine neue Kuh anschafft. Pawel (Antoni Pawlicki), der im Ort die Milch verkauft, überredet den Witwer, ihr klassische Musik vorzuspielen, weil er gehört hat, das würde den Ertrag steigern. Bogdan versucht es mit Schallplatten mit Izabellas Gesang, und siehe da, die Milch, die die Kuh gibt, zeigt fortan eine besondere Wirkung. Sie schmeckt nicht nur herausragend, sondern wirkt auch stimulierend auf allen Ebenen. Es ist fast so wie die Werbung früher behauptete: Diese Milch macht müde Menschen — nicht nur Männer — munter! Der geschäftstüchtige Pawel nennt sie eine „Wahnsinnsmilch“ und erhofft sich, dass sie mit ihr erfolgreicher werden als Coca-Cola.

Für Bogdan steht jedoch weiter Izabella im Mittelpunkt. In der Kuh, die Izabellas Musik zu erkennen scheint und die zudem mehrmals zur Ostsee ausbricht, wo er ihre Asche verstreute, sieht er die Reinkarnation seiner geliebten Frau. Er ist überzeugt: Izabella ist in Gestalt der Kuh zurückgekehrt. Natürlich wird er für verrückt erklärt, wenn er das Rindvieh fortan bei sich im Wohnzimmer oder am Tisch hat, wenn er mit ihm redet oder das Essen teilt. Doch er sagt: „Ich habe meinen Glauben gefunden. Das ist wohl eine andere Art, verrückt zu sein.“

Sommer auf dem Land ist die Abschlussarbeit des Danzigers Radek Wegrzyn an der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf. Sein Film, der so schwere Themen wie Glaubensfragen und den Prozess behandelt, den man heute so geschäftsmäßig „Trauerarbeit“ nennt, ist eine Tragikomödie, die man doch lieber als pure Komödie sehen möchte, weil die nötige Ernsthaftigkeit inmitten des Humors nicht immer glaubhaft zustande kommt. Leider zünden auch die Nebengeschichten um Bogdans Mutter und seine Tochter Anna nicht so ganz und verblassen neben dem überzeugenden und komischen Hauptstrang. So ist Sommer auf dem Land vor allem dies: ein warmherziger und harmloser Film, der in seiner Berechenbarkeit nett altmodisch wirkt. Immerhin gelingt es ihm dabei, einen Eindruck davon zu vermitteln, von welchem Wert Musik, Kunst und Kultur sind.

Sommer auf dem Land

Im Katholizismus heißt es, dass nach dem Tod eines Menschen seine Seele in den Himmel oder in die Hölle kommt. Nach hinduistischen Glaubensvorstellungen hingegen wandert die Seele nach dem Tod des Körpers, in dem sie sitzt, in einen anderen Körper, in einen Menschen oder ein Tier.
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Meinungen

HANS JÜRGEN HÖHLING · 29.02.2012

Tragikomödie beschreibt den Film am ehesten, wenn auch das komische Element keineswegs stark ist. Denn eigentlich ist die Botschaft tieftraurig - die verlorene Liebe Bogdans ist unwiederbringlich verloren, der Trost, der in der Beziehung zu seiner Tochter und ihrem Kind liegt, ist nur schwach, denn ihre Liebe zu Pawel zeigt nur, was Bogdan nicht mehr hat, und daß er nur noch eine Randfigur sein kann. Vieicht ist es doch eine Tragödie, nur eben mit gewissem komischen Element - Denn eigentlich ist Bogdan gescheitert, weil er das Versprechen, das er Elizaweta einmal gab, eben nicht eingelöst hat, und er sich als Wortbrüchiger von ihr trennen mußte. Ich fand den Film jedenfalls sehr bewegend.