Solness

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Bitterkalte Bilder

Kälte – von Anfang bis Ende: Der Drehbuchautor und Regisseur Michael Klette entwirft in Solness einen frostig-herben Kosmos, in dem fast alles Schöne, Zärtliche abgestorben zu sein scheint. Er überträgt das 1893 uraufgeführte Theaterstück Baumeister Solneß des norwegischen Dramatikers Henrik Ibsen ins heutige Berlin, welches durch unpersönliche Wohn- und Arbeitsräume sowie (über-)hippe Ausgeh-Orte geprägt ist. Die Wunden der Vergangenheit und Gegenwart der Figuren bleiben zu großen Teilen rätselhafte Andeutungen.
So etwa die Entfremdung, die zwischen dem titelgebenden Architekten (Thomas Sarbacher) und dessen Gattin Aline (Doris Schretzmayer) eingetreten ist. Bei einem Villenbrand haben die beiden vor Jahren ihre zwei Kinder verloren. Dass Aline ihren Mann mit dessen Freund Herdal (André M. Hennicke) betrügt, offenbart sich in einer Szene, die als absurd-beiläufigster In-flagranti-Moment aller Zeiten in die Filmgeschichte eingehen müsste. Auch Solness ist keineswegs ein treuer Ehepartner: Er amüsiert sich mit Zufallsbekanntschaften in schäbigen Hotelzimmern und flirtet mit der Architekturstudentin Hilde (Julia Schacht), die eines Tages aus einem Dorf in Norwegen angereist kommt, um Solness an ein vergessenes Versprechen zu erinnern, das dieser ihr gab, als sie noch ein Kind war. Aline glaubt, die junge Frau könne „Leben in die Bude“ bringen – was sich einerseits als völlig richtig und andererseits als furchtbar falsch erweisen soll.

Die Ausstattung des Hauses und Großraumbüros von Solness ist überaus eindrücklich – ebenso wie die Inszenierung öffentlicher Vergnügungsorte (zum Beispiel eines schwach frequentierten Schwimmbads oder einer Diskothek im Stroboskoplicht), denen eine geradezu außerweltliche Aura verliehen wird. Die ambitionierte visuelle Gestaltung von Solness entwickelt in Kombination mit der gelungenen Musikuntermalung eine Sogkraft, die die Handlung über weite Strecken vermissen lässt. Zwar agiert das gesamte Ensemble hochgradig intensiv – neben Hauptdarsteller Thomas Sarbacher ist insbesondere Julia Schacht wahrlich fulminant –, dennoch verringert sich beim Zuschauen die Distanz zu den Figuren im Laufe des Geschehens kaum. So ist etwa Hilde als femme fatale, die mit Frivolitäten und Unflätigkeiten auf Konfrontationskurs geht, ein durchaus interessanter Charakter; ihre Obsession für einen Mann, der einst gelobte, sie zu holen und ihr einen „großen Turm“ zu bauen, wird allerdings nicht begreiflich.

Äußerst treffend ist hingegen die Art und Weise, in welcher Michael Klette das Verhältnis zwischen Solness und seinen jüngeren Mitarbeiter_innen in ein urbanes Setting im Hier und Jetzt transferiert. Die „Helfer und Diener“ (wie der Protagonist sein Personal im Stück nennt) werden in dieser Adaption zu talentierten Hauptstadt-Hipstern, die Solness zugleich ausbeutet und fürchtet, da sie ihn irgendwann übertrumpfen könnten. An einigen Stellen gelingt eine pointierte Reflexion über die aktuelle Arbeitswelt, die darin stattfindende Verheizung sowie die verzweifelten Versuche, den Anschluss nicht zu verlieren. Als hypnotischer Bilderrausch, formidables Schauspiel-Kino und Ibsen-Update mit reizvollen Ansätzen ist Solness somit eine beachtenswerte Seherfahrung; als Charakterstudie ist das Werk indes zu unterkühlt.

Solness

Kälte – von Anfang bis Ende: Der Drehbuchautor und Regisseur Michael Klette entwirft in „Solness“ einen frostig-herben Kosmos, in dem fast alles Schöne, Zärtliche abgestorben zu sein scheint. Er überträgt das 1893 uraufgeführte Theaterstück „Baumeister Solneß“ des norwegischen Dramatikers Henrik Ibsen ins heutige Berlin, welches durch unpersönliche Wohn- und Arbeitsräume sowie (über-)hippe Ausgeh-Orte geprägt ist.
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