Shut in

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Einfallslose Spannungsmache

Seit 2005 erscheinen nach einer Umfrage unter Studioverantwortlichen und Produzenten auf der sogenannten Black List jährlich die populärsten, bislang unverfilmten Drehbücher Hollywoods. Dass die Zusammenstellung einen Überblick über die beliebtesten, nicht aber zwangsläufig besten Vorlagen bietet, wie Gründer Franklin Leonard nachdrücklich betont, unterstreicht der Psychothriller Shut In, der auf einem Skript der Debütautorin Christina Hodson basiert. 2012 schaffte es ihr Drehbuch allen Ernstes auf die begehrte Liste. Warum genau der Stoff von mehreren Branchenangehörigen für interessant befunden wurde, bleibt nach der Sichtung des fertigen Films allerdings ein großes Geheimnis. Immerhin klatscht der Möchtegern-Schocker diverse ausgelutschte Konventionen aneinander und verrät die Verfassung seiner Protagonistin für einen lächerlich-überdrehten Schlussakt.
Shut In beginnt wie viele andere Genrebeiträge auch mit einem tragischen Ereignis, das die Kinderpsychologin Mary Portman (Naomi Watts) traumatisiert zurücklässt. Während ihr Ehemann bei einem Autounfall stirbt, kommt ihr Stiefsohn Stephen (Charlie Heaton) mit schweren Verletzungen davon, ist seither jedoch ein Pflegefall. In der Abgeschiedenheit ihres ländlichen Anwesens umsorgt die angeschlagene Mary den Teenager, der sich weder sprachlich verständigen noch bewegen kann. Eine kräftezehrende Aufgabe, bei der die Witwe mehr und mehr an ihre Grenzen stößt. Als eines Nachts ihr gehörloser Patient Tom (Jacob Tremblay) verängstigt in Marys Garage auftaucht und kurz darauf spurlos verschwindet, fühlt sich die Psychologin in ihren eigenen vier Wänden nicht mehr sicher.

Schauplatz ist ein großes Haus inmitten einer ausgedehnten Waldlandschaft. Und über die Nachrichten erfahren wir schon früh von einem Schneesturm, der den Nordosten der USA heimsuchen wird. Hodsons Drehbuch bietet zwei Elemente auf, die typisch sind für die im Thriller-Kino gerne gesehene Eingrenzung des Handlungsraumes, durch die ein Gefühl der Ausweglosigkeit erzeugt werden soll. Shut In gelingt es allerdings nur in Ansätzen, eine klaustrophobische Atmosphäre zu kreieren, da der Film nach seiner halbwegs überzeugenden Exposition jegliches Gespür für einen raffinierten Spannungsaufbau vermissen lässt. Ausgehend von einer klischeegetränkten Vorlage, setzt der fernseherprobte Regisseur Farren Blackburn (unter anderem Luther und Doctor Who) Schreckmomente, begleitet von einer aufdringlichen Tonspur, reichlich plump in Szene. Statt der obligatorischen Katze springt dieses Mal ein Waschbär unerwartet ins Bild, was sicher nicht als clevere Abwandlung eines nervigen Genre-Standards durchgeht.

Naomi Watts, die mit ihren Auftritten in Dream House, Funny Games U.S., Stay, The Ring und Mulholland Drive bereits umfassende Thriller- und Horror-Erfahrung gesammelt hat, müht sich nach Kräften, Marys Verunsicherung und ihre wachsende Paranoia in den Kinosaal zu transportieren. Auch sie kann jedoch nicht verhindern, dass die psychologischen Aspekte der Geschichte unterentwickelt bleiben. Zuweilen schlagen die Macher interessante Töne an. Etwa dann, wenn der Film in einer gespenstischen Albtraumpassage zeigt, dass die Protagonistin bei aller Aufopferungsbereitschaft mit ihrer Verantwortung für Stephen und der mühevollen Pflege hadert. Immer mal wieder blitzt der Gewissenskonflikt auf. Eingehend erforschen wollen Hodson und Blackburn ihn aber nicht.

Unübersehbar ist die ungelenke Konstruktion des Films spätestens im dritten Akt, der den Zuschauer – so scheint es – für die bisher eher müde Gruselshow mit einem haarsträubenden Plot-Twist und einem deftigen, künstlich in die Länge gezogenen Showdown entschädigen soll. Nebenfiguren entpuppen sich hier als billiges Kanonenfutter. Und einmal mehr arbeitet sich der Psychothriller an abgeschmackten Mustern ab, die ein bedingungsloses Mitfiebern erschweren. Ärgerlich ist das Endergebnis auch deshalb, weil die kanadisch-französische Koproduktion den hochtalentierten Jacob Tremblay – siehe Before I Wake und Raum – in einer eindimensional-belanglosen Rolle verheizt.

Shut in

Seit 2005 erscheinen nach einer Umfrage unter Studioverantwortlichen und Produzenten auf der sogenannten „Black List“ jährlich die populärsten, bislang unverfilmten Drehbücher Hollywoods. Dass die Zusammenstellung einen Überblick über die beliebtesten, nicht aber zwangsläufig besten Vorlagen bietet, wie Gründer Franklin Leonard nachdrücklich betont, unterstreicht der Psychothriller „Shut In“, der auf einem Skript der Debütautorin Christina Hodson basiert. 2012 schaffte es ihr Drehbuch allen Ernstes auf die begehrte Liste.
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