Shanghai

Eine Filmkritik von Lida Bach

Chinatown

Der falsche Mann am richtigen Ort oder der richtige Mann am falschen Ort: einer von beiden ist Paul Soames (John Cusack), einer ist Anthony Lan-Ting (Chow Yun-Fat). Welcher er selbst ist, kann der namenlose Amerikaner nicht sagen. Die Antwort kennt er erst, als die blutige Nacht in einem luxuriösen Club, die den Marinespion Paul und den zwielichtigen Gangsterboss zusammenführt, in einem Geheimquartier ihr fatales Déjà-vu erlebt hat. Jeder der auf den ersten Blick gegensätzlichen Männer ist beides; richtig am falschen Ort, falsch am richtigen Ort, wenn es nicht nur Ort und Zeit selbst sind: Shanghai 1941. Marionetten im Fadenkreuz der Weltpolitik und der ihrer eigenen Moralpolitik, deren Fäden das Schicksal zieht: mehr sind die Protagonisten in dem gefährlichen Vabanquespiel nicht, zu dem sie Mikael Håfström versammelt. Shanghai heißt der historische Thriller und der mesmerisierende Handlungsort, an dem der schwedische Regisseur Mikael Håfström seine funkelnde Genre-Hommage inszeniert.
Hinter jeder Geste verbirgt sich eine doppelte Bedeutung. Niemand ist, wofür er oder sie sich ausgibt, nicht einmal der Hauptcharakter selbst. Paul Soames ist nur ein Alias, unter dem der desillusionierte Agent gegen die Nazis spionierte. Deren Allianz mit den japanischen Besatzern steht im Handlungsjahr vor ihrem folgenschweren Höhepunkt. Das Schlagwort Pearl Harbor ist nur eine der falschen Fährten, die der Plot für die Zuschauer und die Figuren auslegt. Dass Paul den Angriff, der zum nationalen Trauma für sein Heimatland werden wird, nicht verhindern kann, steht von Anbeginn fest. Dem hitzigen Crime-Drama verleiht diese historische Gewissheit die Fatalität, die es für den unverzichtbaren Hauch Noir-Charme braucht. Das Netz, in dem Soames, Lan-Ting und dessen undurchsichtige Gespielin Anna (Gong Li) einander und sich selbst verfangen, ist geknüpft aus Leidenschaften und persönlichen Interessen. Der Tod seines befreundeten Kollegen Connor (Jeffrey Dean Morgan) treibt Paul an, Anna spielt falsch mit Anthony und womöglich auch Paul, der zum unerwarteten Lebensretter des Kriminellen wird. „Das Herz ist niemals neutral“, dessen ist sich Paul ebenso gewiss wie Håfström. Seine Symphonie aus Politthriller und Intrigenspiel komponiert der Regisseur nach den klassischen Regeln der „Schwarzen Serie“.

Zum zweiten mal nach 1408 versetzt Håfström den Schauspieler John Cusack in ein düsteres Szenario voller Täuschungen und Fallen. Shanghai ist keine Revision, sondern Re-Imagination der Metropole. Im Handlungszentrum steht das Phantasma nobler Clubs und Opium-Kaschemmen, in dem der Plot sich entspinnt. Mit spürbarem Genuss feilt die unterhaltsame „Shanghai Serenade“ aus Pulp Fiction und „film noir“ am Mythos der Filmstadt. Die stickigen Straßen modellieren die Hommage an Dekadenz, Illusion und Exotik zu einem barocken Irrgarten, in dem sich zu verlaufen ein bizarres Vergnügen bereitet. Seine Pfade schillern von unablässigem Regen, grellen Lichtreklamen und Verworfenheit. Das Zwielicht ist Sinnbild für die moralische Ambivalenz der Figuren. Die Luft ist schwer von Opium und Parfum, welche die gegensätzlichen und dennoch kongruenten Facetten von Eleganz und Verfall verkörpern. Nur eine Nuance unterscheidet die beiden Düfte, die sich zu einer neuen berauschenden Note verbinden.

Eine Eigenschaft, die der geschliffene Neo-Noir mit seiner Handlungsstätte teilt, obwohl und weil die Charaktere die Phantome klassischer Noir-Ikonen sind. Die überaus prominente asiatische Darsteller-Riege verleiht dem filmischen Tribut einen unterhaltsamen Twist, allen voran der gewohnt schneidig auftretende Cho Yun-Fat und die betörende Gong Li als kalkulierende Lady von Shanghai. Ein Leben ist hier ein kleiner Tribut, verrät sie Paul, der zu spät die Ohnmacht des Einzelnen im Getriebe krimineller, politischer und persönlicher Machenschaften erkennt. „Wie oft im Leben haben wir die Möglichkeit, etwas zu verändern?“, formuliert er die Kernfrage der Handlung. Die Antwort ist noch bitterer, als ein „Niemals“ es sein könnte. Ein letztes Kopfnicken in die Düsterkeit des authentischen Noirs, die Shanghai beschwört.

Shanghai

Der falsche Mann am richtigen Ort oder der richtige Mann am falschen Ort: einer von beiden ist Paul Soames (John Cusack), einer ist Anthony Lan-Ting (Chow Yun-Fat). Welcher er selbst ist, kann der namenlose Amerikaner nicht sagen.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen