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Eine Frau in der Wüste, ein suchender Blick – Señora Teresas Aufbruch in ein neues Leben erzählt von einer Haushälterin, die auf einer Reise mehr als nur den Weg zu sich findet.

Señora Teresas Aufbruch in ein neues Leben (2017)

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Feinfühlig und leise

Die Haushälterin spielt in lateinamerikanischen Filmen häufig eine heimliche Hauptrolle. Sie muss viel von dem auffangen, was eigentlich die Aufgabe der Eltern sein sollte – wenn diese unterwegs sind, viel arbeiten oder eben gar nicht mehr da sind. Der Debütfilm von Cecilia Atán und Valeria Pivato allerdings erzählt keine Geschichte, die zeigt, was Hausmädchen alles machen und tun können, damit es einer Familie und besonders deren Kindern bessergeht. Señora Teresas Aufbruch in ein neues Leben setzt ein, wenn die Aufgabe der Haushälterin erledigt ist, wenn sie nicht mehr gebraucht wird.

Seitdem sie 20 Jahre alt ist, hat Teresa Godoy (Paulina Garcia, bekannt aus Sebastián Lelios Gloria) als Haushälterin für eine Familie in Buenos Aires gearbeitet. Nun soll das Haus verkauft werden, ihre Arbeit wird nicht mehr benötigt. Die Hausherrin allerdings kennt eine Familie in San Juan, bei der die 54-jährige Teresa anfangen könnte. Das ist die Ausgangssituation – und allein diese ist schon ein Kampf für Teresa. Sie kann nicht verstehen, dass sich ihr Leben plötzlich ändern soll, versteht nicht, warum sie nicht mehr gebraucht wird. San Juan ist zunächst keine Option für sie – das Städtchen liegt 700 Meilen entfernt von der Hauptstadt, am anderen Ende der argentinischen Pampa, für Teresa am Ende der Welt.

Aber Teresa hat keine andere Wahl, und so macht sie sich doch auf – mit dem Bus in Richtung San Juan. Allerdings kommt sie nicht besonders weit: Bei einem Stopp verliert sie die Reisetasche mit all ihren Habseligkeiten, die sie erst wiederfinden will, bevor sie weiterfährt. Dabei lernt sie einen fahrenden Händler kennen, Miguel (Claudio Rissi), der sich El Gringo nennt und ihr von Anfang an mit all seinem Charme den Hof macht. Mit seiner Hilfe macht sie sich auf die Suche nach ihrer Tasche und lernt sich selbst, andere Menschen und andere Leben und Lebensweisen kennen.

Besonders schön zeigt der Film die Formen des Glaubens, die den lateinamerikanischen Kontinent kennzeichnen. Die Szenen mit und um die wundersame „Heilige Correa“ erinnern an die Filme von Carlos Sorin (El Camino de San Diego), der das religiöse Verhalten der Argentinier am Beispiel einer Maradonna-Statue beschrieben hat. Die Volksreligiosität existiert in Lateinamerika quasi gleichberechtigt neben dem – meist – katholischem Glauben; beide Glaubensformen profitieren voneinander und prägen das Weltbild der Menschen. Für die Figur der Teresa hat die „Heilige Correa“ bisher keine Rolle gespielt – im Laufe ihrer Reise aber lernt sie, warum andere Menschen an sie glauben und welchen Gewinn sie für ein Leben sein können.

Außerdem lernt Teresa viel von El Gringo; mit den beiden Figuren treffen zwei grundverschiedene Menschen aufeinander: eine Frau, die nicht gern reist und am liebsten tagein, tagaus ihre Routine lebt, und ein Mann, dessen Leben aus dem Unterwegssein besteht. Sie zeigen einander viel vom jeweils eigenen Leben, öffnen sich aber auch dem Fremden. In feinfühligen Bildern, sorgsam gespielten Sequenzen und nur wortkargen Dialogen entspinnt sich ein zartes Netz des Kennenlernens. Die Ruhe, die sich der Film für den „Aufbruch in ein neues Leben“ nimmt, ist charakteristisch für viele lateinamerikanische Filme, in Señora Teresas Aufbruch in ein neues Leben aber besonders gut umgesetzt, was auch an den großartigen Darstellern liegen mag.

Paulina Garcia hat schon in Gloria brilliert und gezeigt, dass sie die Kunst beherrscht, mit einem reduzierten Spiel und feiner Mimik den Wandel einer Figur vorzuführen. In Señora Teresas Aufbruch in ein neues Leben spielt sie eine Figur in einer völlig anderen Welt: Teresa ist sich ihrer Veränderung wohl weniger bewusst, muss sich dieser aber stellen und tut dies auch ganz intuitiv. Teresa ist eine unsichere Frau, kennt nicht viel von der Welt, kann oft auch gar nicht mit ihr umgehen und sich recht in ihr bewegen – als sie aber die ersten Schritte wagt, wird sie mutiger und mit jedem neuen Schritt sicherer. Diese allmähliche Veränderung darzustellen, gelingt Paulina Garcia auf meisterhafte Weise. Und in Claudio Rissi hat sie einen ebenbürtigen Partner, der ebenso authentisch die Rolle des Miguel spielt.

Señora Teresas Aufbruch in ein neues Leben ist ein Roadmovie der besonderen Art: Die Reise ist das Ziel, die Figur findet zu sich selbst. Die Straße, die Teresa so lange fürchtet, wird irgendwann zur Gewohnheit und zum neuen Alltag. Die Wüste bietet dazu den bildkräftigen Hintergrund. Doch geht es weder um eine gesellschaftliche Rebellion (wie noch in den klassischen US-amerikanischen Roadmovies) noch um die Suche nach einer kulturellen Identität (wie häufig in den Roadmovies aus Lateinamerika), sondern vielmehr um die Widerstände im Einzelnen selbst, die durch die Reise überwunden werden. Teresa wagt nicht nur den Aufbruch nach San Juan, sondern wirklich den Aufbruch in ein neues Leben.
 

Señora Teresas Aufbruch in ein neues Leben (2017)

Die Haushälterin spielt in lateinamerikanischen Filmen häufig eine heimliche Hauptrolle. Sie muss viel von dem auffangen, was eigentlich die Aufgabe der Eltern sein sollte – wenn diese unterwegs sind, viel arbeiten oder eben gar nicht mehr da sind. Der Debütfilm von Cecilia Atán und Valeria Pivato allerdings erzählt keine Geschichte, die zeigt, was Hausmädchen alles machen und tun können, damit es einer Familie und besonders deren Kindern besser geht.

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