Schnell wie der Wind

Eine Filmkritik von Falk Straub

Veloce come il vento, schnell wie der Wind, ist die 17-jährige Rennfahrerin Giulia in Matteo Roveres gleichnamigem Genremix aus Sportfilm und Familiendrama. Neuentdeckung Matilda De Angelis steht darin ihre Frau und zeigt den Jungs, wo es in der Männerdomäne Motorsport langgeht.
Um im Motorsport ganz nach oben zu kommen, muss man vielleicht ein bisschen verrückt sein, ein positiv Bekloppter, ein Adrenalinjunkie, der die Vernunft im Geschwindigkeitsrausch schon einmal links liegen lässt. Giulia De Martino (Matilda De Angelis) fehlt dieses letzte Quäntchen Irrsinn. Zwar stammt die 17-Jährige aus einer Rennfahrerfamilie, hat Benzin qua Geburt im Blut, nimmt die Kurven aber noch zu sauber, setzt auf Präzision statt Risiko. Erst als ihr Bruder Loris (Stefano Accorsi) nach dem plötzlichen Tod des Vaters aus seinem Wohnwagen gekrochen kommt und zum Team stößt, ändert sich das.

Matteo Rovere legt mit seinem dritten abendfüllenden Spielfilm eine ebenso tempo- wie abwechslungsreiche Mischung vor, die stets ein bisschen mehr Familendrama als Sportfilm ist, dabei die Komik nicht vergisst und das Herz am rechten Fleck hat. Loris ist auch abseits der Strecke ein Junkie. Die Drogen haben seine Karriere zerstört, als seine Kollegen ihn noch ehrfürchtig „Ballerino“ nannten, weil er jede Kurve mit der Eleganz eines Tänzers nahm. Diese Eleganz will er nun, nicht ganz uneigennützig, seiner jüngeren Schwester vermitteln. Denn gewinnt Giulia nicht die Meisterschaft, verlieren sie und ihr jüngerer Bruder Nico (Giulio Pugnaghi) ihr Elternhaus, in das sich in der Zwischenzeit auch Loris mit seiner Junkie-Freundin Annarella (Roberta Mattei) eingenistet hat.

In diesen ersten Minuten, in denen Rovere das Tempo hochhält, lässt sich Veloce come il vento wie die Geschichte eines Underdogs an. Denn Giulia muss sich nicht nur als einzige Frau gegen all die Männer im Rennzirkus, sondern auch mit bescheidenen finanziellen Mitteln gegen die topausgestattete Konkurrenz durchsetzen. Statt Gewichten stemmt sie ihre Schwägerin in spe, statt im Simulator übt sie auf abgesperrten Parkplätzen oder auf der Flucht vor Motorradrockern. Auch wenn Veloce come il vento sich der Dramaturgie klassischer Sportfilme hier nie ganz entzieht, Loris‘ unorthodoxe Trainingsmethoden augenzwinkernd an Klassiker wie Rocky (1976) erinnern, unterläuft der Genremix die Konventionen an anderen Stellen immer wieder geschickt. Angesichts all der Konflikte abseits der Rennstrecke verzichtet das Drehbuch gütlich darauf, einen Kontrahenten auf der Strecke aufzubauen oder Giulia eine Liebesgeschichte – gar mit dem Kontrahenten – anzudichten. Und so ist es nur konsequent, dass auch ein rennentscheidender Unfall im Privaten passiert.

Der narrative Motor läuft nicht durchgehend wie geschmiert – vor allem, wenn das Drehbuch seiner minderjährigen Protagonistin allzu viele Unwägbarkeiten zumutet, gerät er gewaltig ins Stottern –, das Zusammenspiel der Schauspieler läuft dafür umso besser. Stefano Accorsi, stets mit fettigen Haaren, verschwitzter Stirn und wildem Blick, liefert als Junkie mit Familiensinn eine seiner besten Karriereleistungen ab. Matilda De Angelis ist in ihrem Kinodebüt eine Wucht. Wie ihre Figur tritt auch De Angelis ihren männlichen Kollegen mit Entschlossenheit und Souveränität entgegen. Das alles mag (noch lange) nicht perfekt sein, zeigt aber, wie dringend das Kino starke Frauenfiguren abseits der ausgefahrenen Strecken nötig hat.

Schnell wie der Wind

Die Familie De Martino hat wahrlich Benzin im Blut. Seit vielen Generationen nehmen sie immer wieder an Autorennen in unterschiedlichsten Formen teil: Rallyes, Rundstrecken- und Langstreckenrennen — was ihnen gerade unter die Räder kommt. Nun bahnt sich ein Generationswechsel an: Mario, das Familienoberhaupt macht Platz für seine überaus begabte Tochter Giulia, die mit ihrem Bruder Loris, einem Motorengenie ein Team formen soll, das den Ruhm der Familie fortführt. Doch genau das ist gar nicht so einfach…
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