Schizo

Eine Filmkritik von Marie Anderson

3sat, Dienstag 07.10.2008 – 23:00 Uhr

In den deutschen Kinos war dieses preisgekrönte Spielfilmdebüt der kasachischen Regisseurin Gulshat Omarova bisher noch nicht zu sehen, doch nun wird er erstmals im Fernsehen in der Originalfassung mit deutschen Untertiteln gezeigt. Schizo / Schiza erzählt die Geschichte eines 14jährigen Jungen, der in einer klimatischen und sozialen Unwirtlichkeit im Kasachstan der frühen 1990er Jahre trotz aller Defizite zu einer starken Persönlichkeit heranwächst, die willens und vor allem fähig ist, persönliche und soziale Verantwortung zu übernehmen – mit allen drastischen Konsequenzen, die diesen allmählichen Schritten anhaften.
Er ist eine schweigsame Natur, und irgendwann hat einmal ein Arzt beschieden, dass er unter der so genannten Schizophrenie leide – Grund genug, dass der jugendliche Mustafa (Oldzhas Nusupbayev) allen nur als „Schizo“ bekannt ist. Es weht ein rauher Wind durch die kasachische Gesellschaft, der für einen gering geschätzten Außenseiter wie ihn nicht selten eine großzügige Portion Dreck transportiert. Für den grobschlächtigen Sakura (Eduard Tabishev), den nur allzu häufig betrunkenen Freund seiner Mutter (Gulnara Yeraliyeva), organisiert der Junge mehr oder weniger talentierte Boxer, die sich auf einen gefährlichen bare-knuckle Kampf einlassen. Eines Tages geschieht die Katastrophe: Ein junger Mann kommt bei einer der Ring-Veranstaltungen ums Leben und hinterlässt eine Frau und einen kleinen Sohn in hilfloser und ohnmächtiger Situation. Als Schizo der verwitweten Familie den kargen Lohn für den tödlichen Kampf überbringt und damit sein Versprechen einlöst, das er dem Verstorbenen gab, berührt in diese Begegnung mit Zinka (Olga Landina) und ihrem Kind so heftig, dass sie seinem gesamten jungen Leben eine völlig andere Wendung verleiht, was allerdings mit Kämpfen noch ganz anderer Art einhergeht …

Die Filmemacherin Gulshat Omarova, die ursprünglich aus dem Dokumentarfilmbereich kommt, findet ausdrucksstarke Bilder für ihre Geschichte um widrige Umstände, Gewalt, Identitätsfindung – und Liebe, die durch ihre dynamische Balance zwischen Nähe und Distanz die Befindlichkeiten des Protagonisten filigraner übersetzen, als manch kunstvoll konstruierte Dialoge dies vermöchten. Der defizitären Lebenswelt des Jungen gegenüber erscheint mit einem Mal die zum Greifen nahe, unerhört erscheinende und doch so schlichte Vorstellung von einer heilen, heilsamen Familie, Frau, Mann und Kind, als zu beschützendes und schützendes Territorium gegen das tägliche Bollwerk der feindseligen Umgebung. Doch dieses Glück verheißende Szenario wird nicht idealisiert, sondern mit schlüssigem Optimismus als ernsthaftes Konzept für ein würdiges, stabiles und von Zuneigung getragenes Leben in Aussicht gestellt. Im Grunde wird hier eine Variante zum Thema der „Mannwerdung“ erzählt, deren Initiationsriten sich in den modernen Gesellschaften zunehmend uneinheitlicher und konturloser gestalten. Schizo / Schiza kombiniert einen spannenden Gegenstand und eine gelungene Inszenierung mit engagierten Akteuren zu einem unspektakulär daherkommenden, berührenden Film, der sich nicht scheut, die Perspektive der Hoffnung einzunehmen.

Schizo

In den deutschen Kinos war dieses preisgekrönte Spielfilmdebüt der kasachischen Regisseurin Gulshat Omarova bisher noch nicht zu sehen, doch nun wird er erstmals im Fernsehen in der Originalfassung mit deutschen Untertiteln gezeigt.
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