Sag, dass du mich liebst - Parlez-moi de vous

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Eine Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs

Seit Ally McBeal und Sex and the City gibt es einen Trend, Frauenfiguren in Film und Fernsehen als neurotisch darzustellen. Das kann von leichten Ticks bis hin zu ausgeprägten Neurosen reichen. Was bleibt ist aber eine Frau, die zwar äußerlich eine emanzipierte und selbst bestimmte Person ist, innerlich aber voller Verrücktheiten und eigentlich immer ganz kurz vorm Nervenzusammenbruch. Vor allem in amerikanischen Filmen werden diese Neurosen als der weiblichen Persönlichkeit immanenten Art zugeordnet. Niemand fragt, woher sie kommen und was sie verursacht hat. Das ist auch egal, Hauptsache man kann sich ein wenig lustig machen und früher oder später – so stellt sich das zumindest in den romantischen Komödien Amerikas dar – kommt eh ein Mann, der der Dame die Flausen austreibt.
Auch Claire (Karin Viard) ist so eine Großstadtneurotikerin. Allerdings lebt sie nicht in New York oder Los Angeles, wo diese Spezies besonders häufig anzutreffen ist, sondern in Paris. Dort arbeitet sie als (natürlich) erfolgreiche Radiomoderation bei RadioFrance. Jeden Abend hört sie zwei Stunden lang den Sorgen und Nöten anderer zu und berät sie mit äußerster Sensibilität und Klugheit. Sie arbeitet unter einem Pseudonym, niemand kennt die Frau hinter der Stimme. Ist das Mikrofon allerdings aus, bleibt von der starken Frau, die andere berät, nicht mehr allzu viel übrig. Denn Claire leidet unter massiven Neurosen, sie braucht Sauberkeit und Ordnung. Alles muss an seinem Platz liegen, fremde Sachen fasst sie nur mit Handschuhen an. Nur ihr Hund darf ihr nah kommen.

Wäre Parlez-moi de vous ein amerikanischer Film, würde sie spätestens jetzt einen Mann treffen, der seine Keime überall hinterlässt, sie aus der Wohnung zerrt und mit Liebe heilt. Doch Regisseur Pierre Pinaud ist nicht interessiert an solchen Absurditäten. Ihn interessiert viel eher der zerbrechliche Charakter Claire und die Frage nach dem „Warum“ für ihr Verhalten. Die Gründe hierfür sind ziemlich eindeutig: Claire wuchs in Kinderheimen auf, ihre Mutter hatte sie verlassen und obwohl sie beteuert hatte, sie käme ihr Kind bald holen, kehrte sie niemals zurück. Traumatisiert von diesem massiven Verlust und dem Gefühl nicht gewollt worden zu sein, nicht zu genügen, nicht geliebt zu werden, hat Claire das getan, was viele Menschen in dieser Situation tun. Sie hat sich verschlossen.

Pinaud begleitet seine Protagonistin auf der Suche nach ihrer Mutter und den Wurzeln ihrer Verletzung. Claire wird auch tatsächlich fündig und versucht eine vorsichtige Annäherung, ohne Preis zu geben, wer sie wirklich ist. Parlez-moi de vous versucht dabei zwischen sensiblem Drama und ein wenig Neurosenkomödie hin und her zu schwanken. Letzteres gelingt nicht immer, manchmal kippt der Versuch, Claires psychologische Probleme heiter darzustellen in dumpfen Slapstick, der sie binahe schon zum Gespött macht. Das ist sehr schade, denn ansonsten ist der Film ihr gegenüber äußerst respektvoll. Fast, so könnte man sagen, wäre Pinaud hier eines der einfühlsamsten Frauenportraits des letzten Jahrzehnts gelungen. Doch am Ende reicht es eben nur zu einem „fast“.

Im Nachgespräch beim Filmfest Emden-Norderney erklärte der Regisseur, dass seine Geschichte auf einer ganz simplen Beobachtung beruht: Viele Menschen, die so jung verlassen wurden, haben später unglaublich erfolgreiche Karrieren eingeschlagen und es weit gebracht. Doch hinter diesen Fassaden stecken häufig zerbrechliche Seelen und ängstliche Menschen, die einsam sind. Ganz offensichtlich weiß Pinaud genau, wovon er spricht – und das merkt man seiner Erzählung auch an. Kein Mann kommt herbeigeeilt, um Claire zu retten, am Ende gibt es keine Hochzeit und auch kein Happy End, sondern nur das wahre Leben. Und das unterscheidet sich dann doch sehr von Hollywood.

Sag, dass du mich liebst - Parlez-moi de vous

Seit „Ally McBeal“ und „Sex and the City“ gibt es einen Trend, Frauenfiguren in Film und Fernsehen als neurotisch darzustellen. Das kann von leichten Ticks bis hin zu ausgeprägten Neurosen reichen. Was bleibt ist aber eine Frau, die zwar äußerlich eine emanzipierte und selbst bestimmte Person ist, innerlich aber voller Verrücktheiten und eigentlich immer ganz kurz vorm Nervenzusammenbruch.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen