Rings - Das Böse ist zurück

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Sie ist wieder da-ha!

Im Jahre 2002 kroch der Geist der jungen Samara in Gore Verbinskis Horror-Remake Ring aus einem Fernsehgerät – und wurde damit auch für das US-Kino zu einer einprägsamen Gruselgestalt, die unter anderem in einer Fortsetzung (Hideo Nakatas Ring 2, 2005) sowie in diversen Parodien zurückkehrte. Die Subtilität des ebenfalls von Nakata im Jahre 1998 inszenierten Originals aus Japan, welches wiederum auf dem 1991 veröffentlichten Roman von Kôji Suzuki basierte, blieb stets unerreicht – woran auch der dritte Teil der US-Filmreihe nichts zu ändern vermag. Rings von F. Javier Gutiérrez ist weit davon entfernt, sein Publikum nachhaltig schockieren und verstören zu können und an Urängste zu appellieren; er bietet jedoch einige interessante Ansätze und gelegentlich ein hübsches Trash-Funkeln, das indes von zu vielen reizlosen Klischees und Biederkeiten gedimmt wird.
In den ersten Filmminuten erfüllt Samara (Bonnie Morgan) erst einmal den vermeintlichen Anspruch an einen Folgeteil, indem ihr mörderisches Wirken noch eine gehörige Portion umfassender als bisher üblich ausfällt: Da ein junger Mann (Zach Roerig) vor exakt sieben Tagen das berüchtigte Video gesehen hat, das eine Woche nach Rezeption den sicheren Tod bringen soll, stürzt das voll besetzte Flugzeug, in welchem er sich gerade befindet, in die Tiefe, als der Brunnengeist sich dort materialisiert. Nach einem Zeitsprung erwirbt der Biologieprofessor Gabriel (Johnny Galecki) auf einem Flohmarkt den Videorekorder des Verstorbenen: Dieser „Schrott“ heiße jetzt „Vintage“, erklärt der Fortysomething-Dozent der Kunststudentin Skye (Aimee Teegarden), mit der er offenbar eine Affäre hat. Beim Herumschrauben an dem Gerät kommt eine Videokassette mit der Aufschrift „Watch Me“ zum Vorschein – einer Aufforderung, der Gabriel sogleich Folge leistet. In der Vorstadt muss Julia (Matilda Anna Ingrid Lutz) derweil von ihrem Freund Holt (Alex Roe) Abschied nehmen, da dieser zum College-Studium aufbricht. Sechs Wochen später, als Holt plötzlich nichts mehr von sich hören lässt, sucht Julia die Universität auf. Holts Freunde wollen jedoch nicht mit ihr reden – und auch Gabriel, von dessen Unterricht Holt in einer Skype-Session schwärmte, reagiert ausweichend. Als sie dem Professor heimlich folgt, stößt Julia auf eine absonderliche Forschungsgruppe, die sich dem Samara-Mysterium widmet.

Nach dem entschieden zu hektischen Einstieg, der weder die klaustrophobische Atmosphäre eines Flugzeugs noch die schauererregende Aura von Samara ansatzweise zu nutzen versteht, sowie den ebenfalls zu oberflächlichen Einführungen der Hauptfiguren, wird Rings mit Julias Entdeckungen auf dem Campus tatsächlich vorübergehend ziemlich faszinierend: Ein mysteriöser Schlüssel, der den Zugang zu einer geheimen Etage ermöglicht, sowie Forschungsräume im Stil eines Underground-Clubs und rätselhaftes Gerede über „Nachfolger“ – das alles sind Zutaten einer erfrischend pulpigen Geschichte, die in ihrer Fülle und postironischen Ernsthaftigkeit deutlich anregender sind als die spärlichen, hauptsächlich technischen Neuerungen, die dem 2016 gestarteten Wiederbelebungsversuch Blair Witch einfielen. Leider zeigt sich aber rasch, dass das Drehbuch von David Loucka, Jacob Estes und Akiva Goldsman wenig Interesse daran hat, sich allzu lange auf diesen Pfaden aufzuhalten. Schon bald sind Julia und Holt auf dem Weg in ein Dorf, um Samaras Ursprünge zu ergründen – und jeglicher Anflug von Eigenständigkeit und Kühnheit ist dahin. So bleibt das Werk von Gutiérrez überwiegend ein uninspirierter Mix aus Motiven der Ring-Filme, der mit Elementen aus den Final-Destination- und A-Nightmare-on-Elm-Street-Reihen kaum überzeugend angereichert wird und im Finale zudem an Don’t Breathe denken lässt. Die raren schönen und originellen Visualisierungsideen, die der Kameramann Sharone Meir umsetzt, gehen in einer Flut von konventionellen, durch Farbfilter-Exzesse geprägten Bildern unter. Auf dramaturgischer Ebene wird vieles angerissen – zum Beispiel ein Bezug zum Mythos von Orpheus und Eurydike –, jedoch selten konsequent zu Ende gedacht. Ehe einem vollauf bewusst wird, wie sinnfrei die vorläufige Auflösung des Geschehens ist, kommt auch schon ein Cliffhanger, der alles wieder umwirft, um die Voraussetzungen für weitere Sequels zu schaffen.

Die Dialoge von Rings sind geradezu verblüffend funktional; jedes Wort dient dem Voranpeitschen des Plots („Und was jetzt?“ – „Wir müssen die Leiche finden!“). Sämtliche Figuren verfügen über keinerlei Charaktereigenschaften; selbst beiläufig erwähnte Hintergrundinformationen haben nur den Zweck, die Handlung möglichst schnell zu erklären. So begleitet Julia ihren Freund etwa deshalb nicht zum College, weil sie sich (aus ungenannten Gründen) um ihre Mutter kümmern muss; diese ist allerdings nie zu sehen und spielt, nachdem Julia aus Sorge zu Holt fährt, zu keinem Zeitpunkt irgendeine Rolle. Zwar liefern die jungen Cast-Mitglieder keine schlechten Leistungen – als eindrückliche Horrorheld_innen werden sie, im Gegensatz zu Naomi Watts als Journalistin und alleinerziehende Mutter in Ring, allerdings nicht in Erinnerung bleiben. Wenn der Spuk nach circa 100 Minuten vorüber ist, muss man feststellen, dass dieser Film wenig Spuren hinterlassen hat. Vielleicht gibt es im Jahre 2017 schlichtweg gruseligere Dinge, die viral gehen können – vielleicht ist Rings aber auch einfach nur eine weitere Enttäuschung des ewigen Fortsetzungswahns.

Rings - Das Böse ist zurück

Im Jahre 2002 kroch der Geist der jungen Samara in Gore Verbinskis Horror-Remake „Ring“ aus einem Fernsehgerät – und wurde damit auch für das US-Kino zu einer einprägsamen Gruselgestalt, die unter anderem in einer Fortsetzung (Hideo Nakatas „Ring 2“, 2005) sowie in diversen Parodien zurückkehrte. Die Subtilität des ebenfalls von Nakata im Jahre 1998 inszenierten Originals aus Japan, welches wiederum auf dem 1991 veröffentlichten Roman von Kôji Suzuki basierte, blieb stets unerreicht.
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